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Zwei Städte. Charles Dickens
Читать онлайн.Название Zwei Städte
Год выпуска 0
isbn 9783750299481
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der tugendhafte Bediente, Roger Cly, schwur sich mit großer Behendigkeit durch das Verhör. Er war in gutem Glauben und Herzenseinfalt vor vier Jahren in die Dienste des Angeklagten getreten. Er hatte den Angeklagten am Bord des Calais-Packetschiffs gefragt, ob er einen gewandten Burschen brauche und der Angeklagte hatte ihn in Dienst genommen. Er hatte den Angeklagten nicht gebeten, den gewandten Burschen aus Barmherzigkeit in Dienst zu nehmen, — hatte nie an so Etwas gedacht. Bald darauf fing er an, Verdacht hinsichtlich des Angeklagten zu schöpfen und ein Auge auf ihn zu haben. Beim Ordnen seiner Kleider auf der Reise hatte er ähnliche Papiere wie diese wiederholt in den Taschen des Angeklagten gesehen. Diese Papiere hatte er aus dem Schubkasten in dem Pulte des Angeklagten genommen. Er hatte sie nicht erst dorthin gelegt. Er hatte gesehen, wie der Angeklagte dieselben Papiere französischen Herren in Calais zeigte, und ähnliche Papiere französischen Herren in Calais und in Boulogne. Er liebe sein Vaterland und hätte so Etwas nicht ertragen können und hätte Anzeige gemacht. Er sei nie in Verdacht gewesen, eine silberne Theekanne gestohlen zu haben; er sei hinsichtlich einer Senfbüchse verleumdet worden, aber es hätte sich gefunden, daß sie nur plattirt gewesen sei. Er kenne den vorigen Zeugen seit sieben oder acht Jahren; das sei bloßes zufälliges Zusammentreffen. Er nenne es nicht ein merkwürdig seltsames Zusammentreffen; die Zusammentreffen wären meistens merkwürdig. Auch nenne er es kein merkwürdiges Zusammentreffen, daß reine Vaterlandsliebe auch sein einziger Beweggrund sei. Er sei ein echter Britte und hoffe, es gebe noch viele gleich ihm.
Die Schmeißfliegen summten wieder und der Generalanwalt rief Mr. Jarvis Lorry auf.
„Mr. Jarvis Lorry, Sie sind Handlungsdiener in Tellsons Bank?“
„Ja.“
„Veranlaßten Sie an einem gewissen Freitag Nachts im November 1775 Geschäfte, von London nach Dover mit der Postkutsche zu reisen?“
„Ja.“
„Waren noch andere Passagiere in der Kutsche?“
„Zwei.“
„Stiegen sie unterwegs im Verlaufe der Nacht aus?“
„Allerdings.“
„Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten an. War er einer der beiden Passagiere?“
„Ich getraue mir nicht, Ja zu sagen.“
„Sieht er einem dieser beiden Passagiere ähnlich?“
„Beide waren so eingewickelt, und die Nacht war so finster, und wir waren Alle so zurückhaltend, daß ich mir nicht einmal getrauen kann, diese Frage zu beantworten.“
„Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten noch einmal an. Denken Sie ihn sich so eingewickelt, wie jene beiden Passagiere, würde dann sein Aussehen oder sein Wuchs es unwahrscheinlich machen, daß er Einer derselben gewesen wäre.“
„Nein.“
„Sie wollen nicht beschwören, Mr. Lorry, daß er keiner von den Beiden gewesen sei?“
„Nein.“
„So sagen Sie wenigstens, er könnte Einer von den Beiden gewesen sein?“
„Ja. Ausgenommen, daß ich mich erinnere, daß die Beiden — ebenso wie ich — sich vor Straßenräubern fürchteten und der Angeklagte sieht nicht aus, als ob er sich fürchtete.“
„Haben Sie jemals ein Bild der Furchtsamkeit gesehen, Mr. Lorry?“
„Ei, gewiß.“
„Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten noch einmal an. Wissen Sie mit Bestimmtheit, ihn früher schon einmal gesehen zu haben?“
„Ja.“
„Wann?“
„Wenige Tage nach jener Reise kehrte ich aus Frankreich zurück und in Calais kam der Angeklagte an Bord des Packetschiffs, auf dem ich zurückfuhr und machte die Reise mit mir.“
„Um welche Zeit kam er an Bord?“
„Kurz nach Mitternacht.“
„Mitten in der Nacht. War er der einzige Passagier, der zu dieser ungewöhnlichen Stunde an Bord kam?“
„Er war zufällig der einzige.“
„Das „zufällig“ ist hier gleichgültig, Mr. Lorry. Er war der einzige Passagier, der mitten in der Nacht an Bord kam?“
„Ja.“
„Reisten Sie allein, Mr. Lorry, oder hatten Sie Begleitung?“
„Ich hatte zwei Begleiter. Einen Herrn und eine Dame. Sie sind hier.“
„Sie sind hier. Haben Sie mit dem Angeklagten gesprochen?“
„Kaum einige Worte. Das Wetter war stürmisch, die Ueberfahrt lang und beschwerlich, und ich lag fast während der ganzen Zeit auf einem Sopha.“
„Miß Manette!“
Die junge Dame, auf welche sich vorhin alle Blicke gewendet hatten und sich jetzt wieder wendeten, stand auf. Ihr Vater erhob sich mit ihr und behielt ihre Hand unter seinem Arme.
„Miß Manette! Sehen Sie den Angeklagten an.“
Solchem Mitleid und so tief fühlender Jugend und Schönheit gegenübergestellt zu werden, war eine viel härtere Prüfung für den Angeklagten, als dem ganzen Gedränge gegenüber zu stehen. Er stand mit ihr, so zu sagen, allein an dem Rande seines Grabes und alle die neugierig starrenden Augen ringsum konnten ihm für den Augenblick nicht die Kraft geben, ganz unbefangen zu bleiben. Seine unruhige rechte Hand vertheilte die vor ihm gestreuten Kräuter in eingebildete Blumenbeete in einem Garten; unter seinen Bemühungen, sein Athmen im regelmäßigen Zuge zu erhalten, zitterten die Lippen, aus welchen das Blut nach dem Herzen zurückströmte. Das Gesumme der Schmeißfliegen erhob sich lauter als vorhin.
„Miß Manette, haben Sie den Angeklagten früher gesehen?“
„Ja, Sir.“
„Wo?“
„Am Bord des Packetschiffs, von dem eben gesprochen worden und bei derselben Gelegenheit.“
„Sie sind die junge Dame, von der eben gesprochen worden?“
„O, unglücklicherweise bin ich es!“
Der klagende Ton ihres Mitleids verlor sich in die weniger wohltönende Stimme des Richters, wie er ziemlich schroff sagte: „Beantworten Sie die Fragen, die Ihnen vorgelegt werden und machen Sie keine Bemerkungen dazu.“
„Miß Manette, haben Sie auf der Fahrt über den Canal mit dem Angeklagten gesprochen?“
„Ja, Sir.“
„Was haben Sie mit ihm gesprochen?“
Während ringsum das tiefste Schweigen herrschte, begann sie mit schwacher Stimme:
„Als der Herr an Bord kam —“
„Meinen Sie den Angeklagten?“ fragte der Richter mit gerunzelter Stirn.
„Ja, Mylord.“
„Dann sagen Sie, der Angeklagte.“
„Als der Angeklagte an Bord kam, bemerkte er, daß mein Vater“ — sie wendete ihm einen liebevollen Blick zu, wie er neben ihr stand — „sehr erschöpft