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wie immer und deshalb würde ich mich dessen auch nicht erinnern, aber plötzlich sagt die Wärterin oder sonst jemand aus dem, was meinen Lebenskreis bildete, etwas mit einer mir neuen Stimme und geht hinaus. Ich aber empfinde neben meiner Heiterkeit auch etwas Angst. Ich erinnere mich, daß ich nicht allein bin, sondern noch etwas Ähnliches da ist. (Das war wahrscheinlich meine um ein Jahr jüngere Schwester Maschenka,1 deren Bettchen in demselben Zimmer stand.) Wir beide freuen uns und ängstigen uns über das Ungewöhnliche, das mit uns vorgegangen. Ich verberge mich unter dem Kissen und sehe darunter hervor nach der Türe, durch welche ich etwas Neues und Heiteres erwarte. Und wir lachen, verstecken uns und warten. Da erscheint jemand mit einem Tuch und einer Haube, wie ich sie nie zuvor gesehen habe, aber ich erkenne, daß das dieselbe Wärterin (oder Tante, ich weiß es nicht) ist, welche immer bei mir ist, und sagt mit einer rauen Stimme, die ich erkenne, etwas Schreckliches von bösen Kindern und von Jereméjewna. Ich schreie vor Angst und Vergnügen, und wirklich, ich fürchte und freue mich zugleich darüber, daß ich Angst habe und will es diejenige, die mich erschreckt hat, nicht merken lassen, daß ich sie erkannt habe. Wir liegen still, dann aber beginnen wir absichtlich wieder, miteinander zu flüstern, um Jereméjewna wieder herauszufordern.

      Eine ähnliche Erinnerung ist wahrscheinlich aus späterer Zeit, denn sie ist klarer, blieb mir aber immer unbegreiflich. Die Hauptrolle in dieser Erinnerung spielt ein Deutscher, Namens Fedor Iwanowitsch,2 unser Hauslehrer. Ich weiß, daß ich mich noch nicht unter seiner Aufsicht befand, folglich war das vor meinem fünften Jahr. Und das ist mein erster Eindruck von Fedor Iwanowitsch. Das war früher, als meine früheste Erinnerung an meine Brüder, meinen Vater, oder sonst jemand. Nur von einer einzigen gesonderten Person habe ich eine Vorstellung, nämlich von meiner Schwester und nur deshalb, weil sie sich mit mir zusammen vor Jereméjewna gefürchtet hat.

      Mit dieser Erinnerung verbindet sich bei mir auch die erste Vorstellung davon, daß unser Haus einen oberen Stock hatte. Wie ich dahin gelangt bin, ob ich selbst gegangen oder dahin geführt worden war, davon weiß ich nichts. Ich erinnere mich nur, daß wir unserer viele waren und uns an den Händen hielten. Unter uns ist auch eine fremde Frau (ich weiß nicht mehr, warum ich mich erinnere, daß das eine Waschfrau ist) und wir alle fangen an, uns zu drehen und zu springen, und Fedor Iwanowitsch springt sehr hoch mit heftigen Gebärden und sehr lärmend. Ich hatte das Gefühl, daß das nicht schön und unanständig sei, und in demselben Augenblick bemerke ich auch ihn. Ich glaube, ich brach in Tränen aus und alles war zu Ende.

      Das ist alles, dessen ich mich bis zu meinem fünften Jahr erinnern kann. Weder meiner Wärterinnen, Tanten, Brüder, Schwestern, noch des Vaters, der Spielsachen, der Zimmer, noch sonst an (irgend) etwas Damaliges kann ich mich erinnern. Bestimmtere Erinnerungen beginnen bei mir mit der Zeit, wo ich hinabgeführt wurde zu Fedor Iwanowitsch und meinen älteren Brüdern.

      Als man mich hinabführte zu Fedor Iwanowitsch und den Knaben, empfand ich zum ersten Mal und daher stärker, als jemals später, jenes Gefühl, das man Pflichtgefühl nennt. Ich war traurig darüber, daß ich das Gewohnte, das von Ewigkeit her Gewohnte verlassen sollte, eine poetische Traurigkeit befiel mich über die Trennung von den Menschen, von meiner Schwester, meiner Wärterin, meiner Tante und noch mehr von meinem Bett, meinem Kissen, und schrecklich erschien mir das neue Leben, in das ich eintrat.

      Ich suchte das mir bevorstehende Leben heiter zu finden und bemühte mich, an die freundlichen Reden zu glauben, mit denen mich Fedor Iwanowitsch empfing, und die Geringschätzung nicht zu bemerken, mit der die Knaben mich, den Jüngsten, aufnahmen. Ich zwang mich, daran zu glauben, daß es für einen großen Knaben eine Schande sei, mit Mädchen umzugehen und daß an diesem Leben oben mit der Wärterin nichts Schönes sei. Innerlich aber war ich schrecklich traurig und wußte, daß ich die Unschuld und das Glück unwiederbringlich verlor. Nur das Gefühl der eigenen Würde und das Bewusstsein, daß ich meine Pflicht erfüllte, hielt mich aufrecht.

      Noch oft hatte ich im späteren Leben an den Scheidewegen des Lebens solche Augenblicke zu durchleben, wenn ich einen neuen Weg betrat. Dann empfand ich stillen Kummer über die Unwiederbringlichkeit des Verlorenen und konnte nur schwer daran glauben, daß es so sein müsse. Wenn man mir auch zuredete, ich werde zu den Knaben gebracht, – der Kittel mit den im Rücken angenähten Hosenträgern, den man mir umlegte, trennte mich für immer vom oberen Stock, und hier fand ich zum ersten Mal nicht alle diejenigen, mit denen ich oben gelebt hatte, und dagegen eine Person, die ich früher nicht gekannt hatte. Das war Tantchen F. A. Ich erinnere mich der ziemlich kleinen, stämmigen, schwarzhaarigen, gutherzigen, freundlichen, mitleidigen Dame. Sie legte mir das Kleidungsstück um, indem sie mich umarmte, umgürtete und küßte mich, und ich sah, daß sie dasselbe empfand wie ich. Sie war betrübt, schrecklich betrübt, aber es mußte sein.

      Zum ersten Mal fühlte ich, daß das Leben kein Spiel ist, sondern eine schwere Sache. Werde ich dasselbe empfinden, wenn ich sterben werde? Ich begreife, daß der Tod oder das zukünftige Leben kein Spiel ist, sondern eine schwere Sache.

      5. Mai 1878

      1 »Maschenka« ist ein schmeichelndes Diminutiv von »Marie«

      2 Der Hauslehrer hieß also Theodor (russisch Fedor) und sein Vater Johann (russisch Iwan) (Anm. d. Übers.)

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