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Wechselspiel der Liebe. Heather Graham
Читать онлайн.Название Wechselspiel der Liebe
Год выпуска 0
isbn 9783962153397
Автор произведения Heather Graham
Жанр Языкознание
Серия MacKenzies Saga
Издательство Bookwire
TEIL I
Das Spiel des Zufalls
1
Der Hafen von New Orleans, Winter 1835/36
Jarrett McKenzie bemerkte die Frau, sobald sie die alte Hafenkneipe betrat, wenn er auch nicht viel von ihr sehen konnte.
Ein weiter, schwarzer Umhang mit Kapuze verhüllte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Daß sie weiblichen Geschlechts war, entnahm er nur ihren anmutigen Gesten, als ihr Harold Eastwood entgegeneilte, der Wirt des Etablissements. Eine neue Dienstmagd? Oder gehörte sie zu den schönen, willfährigen Frauen, mit denen sich die Herren im nächtlichen New Orleans zu amüsieren pflegten? Kam sie zu spat zur Arbeit?
Jarrett beobachtete sie neugierig und wartete. Wann würde sie endlich den Umhang ablegen? Falls sie in Eastwoods Lokal arbeitete, war dessen Niveau eindeutig gestiegen.
Nicht, daß man die Taverne schäbig nennen durfte. Wenn man bedachte, daß sie am Hafen lag, wirkte sie sogar sehr respektabel. Viele Männer kamen hierher, wenn sie in diesem Teil Louisianas ihre Geschäfte erledigten, und die meisten erzählten sogar ihren Ehefrauen von Eastwoods Restaurant. Hier wurde ein gutes Essen serviert, hübsche Mädchen spielten Spinett und sangen dazu. Alkoholische Getränke aus aller Welt standen zur Verfügimg, auch Frauen, wenn man Wert darauf legte. Und gelegentlich konnte man sich die Zeit vertreiben, indem man wilde Keilereien beobachtete.
Jarrett fühlte sich wohl in New Orleans. 1718 war die Stadt von den Franzosen gegründet worden und dann während des Exodus der Akadier aus dem Nordosten gewachsen. Sie stand unter spanischer Herrschaft, dann wieder unter französischer, bis es Thomas Jefferson gelang, mit Napoleon zu verhandeln und ihm Louisiana abzukaufen.
Als kleiner Junge war Jarrett zum erstenmal nach New Orleans gekommen, während Andrew Jackson die Stadt 1815 gegen die Briten verteidigt hatte. Seit damals liebte er die schmalen Straßen am Fluß, die schöne französische, spanische und amerikanische Architektur, die schmiedeeisernen Balkone und kleinen Gärten, den breiten Mississippi, das rege Leben und Treiben am Ufer.
Nun saß er, wie schon so oft, in Eastwoods Kneipe. Und obwohl dieses Hafenlokal einen etwas besseren Ruf genoß als die anderen, wußte er, daß die Frau im schwarzen Umhang nicht hierhergehörte.
»Ich geb’s auf«, seufzte sein Freund Robert Treat, der zu seiner Linken saß, und warf die Karten auf den Eichentisch. Mit schmalen Augen musterte Jarrett sein eigenes Blatt. Drei Damen. Zwei Vierer. Ein Full House. Sein Blick streifte die Banknoten und Goldmünzen auf dem Tisch. Ihm gegenüber saß Smiling Jack, der reiche Kreole aus dem Bayou, und grinste breit. Verdammt, der Mann würde es sogar schaffen, den heiligen Petrus an der Himmelspforte zu bluffen.
Nachdem Jarrett ein Fünf dollarstück auf die Tischplatte geworfen hatte, beobachtete er wieder die Frau im weiten Umhang. Offenbar versuchte sie immer noch, dem kleinen, dicken Wirt etwas zu erklären. Fühlte er sich eingeschüchtert, weil sie ihn um Haupteslänge überragte?
Schwungvoll legte Rupert Fürstenberg, der schlanke, blonde Deutsche aus St. Louis, ein Bündel Geldscheine hin. »Gentlemen, ich erhöhe. Hundert Dollar.«
»Nur gut, daß ich aufgehört habe!« murmelte Robert.
»Hundert?« Smiling Jack schenkte dem Deutschen ein verächtliches Lächeln. »Für mich ein Pappenstiel, Sir!«
Robert Treat stieß seinen Freund an, der immer noch die Frau musterte. »Hundert, Jarrett.«
»Natürlich«, antwortete Jarrett geistesabwesend und zählte die geforderte Summe ab.
Robert runzelte verwundert die Stirn. »Konzentrierst du dich überhaupt auf das Spiel?«
»Ja, das ist die Frage.« Smiling Jack zwirbelte seinen dunklen Schnurrbart. »Ist Ihre Plantage da unten im Sumpf wirklich so viel wert, daß es sich lohnt, darum zu pokern?«
»Soviel wert wie Ihre in Bayou«, erwiderte Jarrett leichthin.
»Ah, mais oui! Wir beide haben den Sumpf und die Insekten und die Alligatoren am Hals.« Warnend hob er einen Finger. »Aber Sie haben auch noch die Seminolen. Was auf meinem Land wächst, gehört mir. Seit siebzig Jahren steht mein Haus. Und Ihres, mon ami? Puff! Vielleicht geht es gerade in Flammen auf. Sie waren Soldat. Also müssen Sie’s wissen. Lautlos schleichen die Indianer in der Nacht heran, durch dichtes Gestrüpp. Glauben Sie mir, es wird noch eine Menge Schwierigkeiten geben. Der alte Andy Jackson hat 1816 und 1817 tapfer gegen diese Wilden gekämpft, aber nicht alle erwischt. Jetzt braut sich neuer Ärger zusammen. Manche Leute behaupten, diese Renegaten würden auf Krokodilen durch den Fluß reiten.«
Jarrett lächelte gezwungen. Was für seltsame Vorstellungen die Leute von den Indianern in Florida hatten ... Sie kamen aus mehreren Stämmen, sprachen verschiedene Sprachen, und sie wurden Seminolen genannt. Seminole – das bedeutete ›Flüchtling‹. Ihr Kampfgeist war gefürchtet. Aber Jarrett glaubte wie so viele Weiße, daß die Indianer einfach nur ein besseres Leben anstrebten, für sich selbst und ihre Familien. Oder war das nur ein schöner Traum?
Das Land eignete sich für Träumer. In diesem Staat standen riesige Grundstücke zur Verfügung. So wie der Westen am anderen Ende des Kontinents bot auch Florida den Amerikanern neue Möglichkeiten – fruchtbares Ackerland, zahlreiche wilde Tiere, die man jagen konnte, ein angenehmes, mildes Klima, auch wenn im Winter oft bittere Kälte und im Sommer unerträgliche Hitze herrschten. Durch das kristallklare Wasser der tiefen Bäche und Flüsse konnte man bis zum Grund sehen.
Ein schönes, aber gefährliches Land – keine Heimat für Feiglinge ...
Und die Seminolen trugen zum beängstigenden Ruf dieses Gebiets bei, um das Amerikaner und Spanier so lange gerungen hatten. Einmal hatten es die Spanier den Briten überlassen, und während des Amerikanischen Freiheitskrieges waren Briten nach Süden gezogen. Dann fiel Florida wieder in spanische Hände, doch die Amerikaner überquerten immer wieder die Grenzen, auf der Suche nach neuem Land. Sie behaupteten, die Spanier könnten die Region nicht kontrollieren, die Indianer nicht daran hindern, amerikanische Farmen und Plantagen zu plündern oder entlaufene Sklaven zu beherbergen.
Bei den Indianern führten die schwarzen Sklaven ein menschenwürdigeres Leben als zuvor bei ihren weißen Herren. Denn die Seminolen standen ihnen gewisse Freiheiten zu und erlaubten ihnen sogar, eigene Äcker zu bebauen.
Für die Amerikaner gab es viele Gründe, das Land den Spaniern zu entreißen. Vor allem brauchten die Siedler Land, um sich niederzulassen, Felder zu bestellen, Vieh zu züchten, Salzminen zu erschließen, die langgestreckte Küste zu nutzen und Meeresschätze zu beigen. Spanien gab Florida auf, weil die US-Regierung als Gegenleistung spanische Schulden an die Bürger zahlte und ihre Position in Texas festigen konnte.
Und jetzt, seit über zehn Jahren in amerikanischem Besitz, war Florida immer noch die Heimat der Alligatoren, Schlangen und stolzen Indianer. Jacksonville lag nicht weit hinter der Grenze Georgias, eine relativ zivilisierte Stadt. Einige der nördlichen Florida-Häfen galten als einigermaßen sicher, doch die meisten Leute fanden alles, was sich südlich von St. Augustine an der Ostküste und der geschäftigen Stadt Pensacola im Westen befand, eher barbarisch.
Diese Menschen sahen nur die Wildnis von Florida, die Gefahren, aber nichts von alldem, was Jarrett so spektakulär und verführerisch erschien. Sie kannten die Sonnenuntergänge nicht, die er so oft beobachtete, die erstaunliche Farbpalette, die am Horizont leuchtete, lebhaftes Gold, glühendes Blutrot. Diese Farben glichen lodernden Flammen, dann verblaßten sie zu sanftem Rosa und Gelb, um schließlich einen samtigen schwarzen Hintergrund für die glitzernden Sterne zu bilden. Und diese Leute wußten nichts von der Überfülle wilder Orchideen, hatten nie den Kuß der Sonne gespürt, die im Winter das Gesicht wärmte.
St. Augustine blieb die älteste europäische Siedlung in Amerika, mit dem grandiosen Castillo de San Marcos, das die Küste bewachte, mit schönen alten spanischen Häusern und maurischer Architektur. Und Pensacola