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wurde abwechslungsreich und vielfältig. Schulleitung, LehrerInnen sowie SchülerInnen arbeiteten alle in dieselbe Richtung. Gut tat auch, dass wir Rückmeldungen geben durften. Das Modell 4 hat auch den Vorteil, dass Sek- und Realniveau gemischt ist. Ich wusste nur in Englisch und Französisch, wer in welchem Niveau unterrichtet wird.

      Meine Eltern konnten mir nicht helfen. Allerdings haben sie sich immer für mich interessiert und für das, was ich in der Schule mache. Mein weiterer Weg führt an eine Fachmittelschule. Für meine sehr gute Facharbeit wurde ich letzthin ausgezeichnet. Auf meinem Spruchband am Ausgang der Schule stand: »Vielfalt, Selbstständigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung. Es war eine schöne Zeit! Sie ging schnell vorbei. Ich habe viel gelernt und bin traurig, dass sie vorbei ist.«

      2.

      Gespräch mit Silvana, 9. Klasse in einer Schule in Bern

      S.ist eine Schülerin mit hoher Reflexionskompetenz. Lernpsychologische Grundweisheiten werden von ihr bestätigt: Wohlbefinden in der Schule und Freiräume motivieren das Lernen. Das weitgehend konkurrenzfreie Schulmodell 4 erlebte sie als angenehm.

      »Wenn es mir wohl ist, arbeite ich besser«

      »Es ist cool mit Sek und Real zusammen«

      Gespräch mit S. Schülerin 9. Klasse

      Wie erlebtest Du die Schule, die du besucht hast?

      Ich bin aus einer anderen Schule in diese Klasse gekommen, meiner Freundinnen wegen. Ich kam in eine coole Klasse. Die LehrerInnen gingen auf unsere Bedürfnisse ein. Man durfte offen seine Meinung sagen, ohne dass es Konsequenzen hatte. Diese Haltung kam von allen Lehrpersonen herüber. Früher galt diese Klasse als die schlimmste. Ich habe sie ganz anders erfahren. Wenn es mir wohl ist, arbeite ich besser. Ich hatte Freiräume, die ich nutzen konnte, und wurde gut ausgerüstet für das, was nach der Schule folgt. Ich möchte Archivarin werden.

      Es ist cool mit Sek und Real zusammen. Dabei weiß ich oft nicht, wer wo in welchem Niveau unterrichtet wird. Es kann auch sein, dass einer/eine in der Real besser ist in einem Fach als jemand in der Sek. Alle sind in dieser Schule für alle da. Auch das kam bei mir positiv an.

      Auf einem Spruchband am Ausgang der Schule stand für mich: »Sich selbst sein können und wissen, was man kann und immer das Beste geben.«

      3.

      »Die Schülerinnen und Schüler müssen spüren, dass wir Lehrerinnen sie als Menschen wahrnehmen. Sie müssen sich angenommen fühlen!«

      Oberstufenlehrer A. zu Aussagen von SchülerInnen wie: »An dieser Schule habe ich alles gelernt, was ich brauche für das Leben« und »Schade, dass diese schöne Zeit zu Ende geht«.

      Wie kommen solche Aussagen zustande? Sind die beiden SchülerInnen eine Ausnahme?

      Verglichen mit anderen Schulen ist die Atmosphäre hier offener und freier. Wir identifizieren uns mit dieser Schule. Die Besonderheit ist der gegenseitige Respekt. Wir geben den Kindern Raum und wir nehmen sie an, wie sie sind.

      Verhaltensoriginelle SchülerInnen nehmen wir mit, ohne sie auszusondern und sagen ihnen: »Merci, bist du bei uns! Durch dich lernen auch wir wiederum.« Die SchülerInnen müssen spüren, dass wir LehrerInnen sie als Menschen wahrnehmen. Sie müssen sich angenommen fühlen.

      Zur Frage, ob wir die Aussagen oben alle unterstreichen würden: Es gibt sicher Kinder, die diese Aussagen relativieren oder anders formulieren würden.

      Eine Schule für alle beinhaltet ein riesiges Lernpotenzial auch für LehrerInnen. In einem starken Team wird vieles aufgefangen.

      Das Sek- respektive Realniveau ist ja nicht ganz aufgehoben. Es ist nicht eine Inklusions-, wohl aber eine Integrationsschule. Die altersgemischten Gefäße helfen, die unterschiedlichen Lernstände nicht aufzuheben, aber auszugleichen. So kommt ein in einem Fach schwächerer Schüler in einem anderen Fach mit seinen spezifischen Kompetenzen zum Zuge.

      Ganz wichtig ist uns das selbstverantwortliche, selbstgesteuerte Lernen.

      Wie geht das denn mit den anderen Schulen zusammen? Wollen nicht alle ihre Kinder in diese Schule schicken?

      Nicht zu allen Zeiten war diese Schule so aufgestellt. Ich unterrichte schon dreißig Jahre an dieser Schule. Nach Einführung des Integrationsartikels stellten wir uns die Frage: »Wie gehen wir in einem Schulversuch mit solch schwierigen Kindern um?« Es war eine jahrelange Anstrengung notwendig, in der auch das Kollegium seine Präferenzen klären musste.

      Die Eltern wurden ebenfalls einbezogen. Es kam und kommt weiterhin vor, dass Wünsche bei der Einteilung der Kinder in die Schulhäuser, unsere Schule im Fokus steht. Die Eltern können aber nicht wählen.

      4.

      »Auch mit weniger Mitteln eine gute Atmosphäre schaffen«

      Wie kommen SchülerInnen Ende der 9. Klasse zu Aussagen wie: »Ich habe in dieser Schule alles gelernt, was ich für das weitere Leben brauche.«

      Eine andere: »Es war eine schöne Zeit, schade dass sie jetzt vorbei ist.«

      Auffällig auch die ruhige unaufgeregte Atmosphäre.

      Schulleiter J. dazu: Wir pflegen an unserer Modell-4-Schule eine Kultur der Gemeinsamkeit in altersgemischten Gruppen. Wir planen zusammen gemeinsame Projekte und führen diese in Gruppen vom Kindergarten bis zur Oberstufe durch.

      Wir grüen einander. Ich grüe zuerst und warte nicht, ob ich zuerst gegrüt werde.

      Wir achten einander und pflegen eine offene Kommunikationskultur.

      Wichtig ist ein breites Bildungsverständnis. Und die Bereitschaft, auch als Erwachsene ständig zu lernen. Auch ich in meiner Rolle als Schulleiter. Uns ist die Vorbildfunktion wichtig.

      Wir thematisieren im Kollegium unser Bildungsverständnis, unser Menschenbild.

      Wie haben Sie in dieser Schule den Turnaround geschafft?

      Wir haben von den SchülerInnen erfahren, dass sie zuvor einige turbulente Jahre erlebt haben.

      Indem wir nicht mit dem Bleihammer dahinter gegangen sind, um Probleme zu lösen. Wir ermutigen durch Lob und Anerkennung und selektieren so wenig wie möglich. Die Diskussion, was wäre diese Schule ohne Noten, findet statt. Wir suchen nach Instrumenten, um in homöopathischen Dosen zu beurteilen. Dazu dient auch das Portfolio. Die SchülerInnen lernen dabei, sich selber einzuschätzen. Selbstsorgsamkeit und Selbstständigkeit von SchülerInnen ist uns wichtig. Wir fragen, bezogen auf die innere Differenzierung im Unterricht, bei den KollegInnen nach, wie genau sie diese umsetzen im Sinne der Integration. Bezogen auf den LP21 gehen wir machbare, verdaubare Schritte.

      Für mich war die Stelle als Schulleiter an dieser Schule ein Traumjob nach 17 Jahren als Heilpädagoge in der Klinik für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Wir stellten uns zu Beginn dieses Schulentwicklungsprozesses die Frage: »Was ist wesentlich?«

      Wie sieht es denn aus, wenn dauernd zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung stehen, um individuell zu fördern und den Lehrplan 21 zu erfüllen?

      Wir verschwenden nicht Energie in das, was fehlt, indem wir uns als Opfer betrachten, sondern schrauben dort, wo es geht. Man kann auch eine gute Atmosphäre schaffen mit weniger Mitteln. Natürlich ist mein Leuchtturm die Inklusion und natürlich fehlen Mittel! Wir machen auch nicht ständig Tests. Die SchülerInnen arbeiten selbstständig und niveau- und altersgemischt. In einzelnen Fächern arbeiten SchülerInnen der Real -und Sekundarklassen zusammen. Oft wissen sie voneinander gar nicht, in welche Niveaugruppe sie eingeteilt sind.

      Gespräch mit M. BFF

      Zum besseren Verständnis: M. will über seine Schulzeit erzählen, weil er nur gelitten hat. Er hat erst in der fünften Klasse die Diagnose ADHS bekommen. Von da an wurde er in fast allen Fächern als vermindert lernfähig betrachtet

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