Скачать книгу

sich Grotius᾿ 19 Verse als antikisierendes GrabepigrammEpicedium, in dem zunächst der Eingang der Hundeseele in die Unterwelt festgestellt (1–3), dann die Trauer des Herrn beschrieben wird (4–6). Daraufhin wird Venus die Schuld am Tod des kleinen Tieres und damit eine Rolle gegeben (7–11), die in Opposition zu ihrer Funktion als Lebensspenderin steht, als die sie von Lukrez (1,1–23) gepriesen wird. Noch einmal ist von der Trauer des Herrn und seiner Umgebung die Rede (12). Alle Freudenäußerungen sollen fernbleiben (13–14), weil Aldina tot ist, wobei die Hündin mit zahlreichen Epitheta versehen wird (15–18). Zuletzt nimmt das Sprecher-Ich Abschied von Aldina und ihrem Grab. Die Analogie zwischen dem Hund, der in die düstere Unterwelt eingeht, und CatullCatulls Sperling, der denselben Weg beschreitet (Catull, Carmina 3Catull,11–12), ist deutlich und wurde dementsprechend bereits in der Literatur vermerkt.Epicedium42 Doch Grotius᾽ Hyporchema parodistisch-komische Züge zu attestieren,43 wie sie in Catull 3 naheliegen, verbietet der Kontext der weiteren Epicedien auf Aldina, insbesondere desjenigen ihres Besitzers. AleandroAleandro, GirolamoIn obitum Aldinae catellae schildert in seinem EpicediumEpicedium sehr realistisch das Aussehen und das (hundetypische) Verhalten seiner Aldina sowie die Umstände ihres Todes, dass sie nämlich – trotz aller Mühe und Fürsorge ihres Herrn – im Alter von gerade zwei Jahren nach der Geburt von Jungen starb, nachdem die Welpen bereits tot waren.

      Ohne diesen Kontext ist freilich die Versuchung groß, über die trepidula […] animula (1), die Verkleinerung von Substantiv und Attribut zu schmunzeln. Auch zeigen die spätesten der genannten Hyporchemata, Flemings Sylva 8,39 (= Suavium 39) und Sylva 9,3,4Fleming, PaulSylva Hyporchema. Sponsus ad sponsam, die beide zu Hochzeitsschriften gehören, durchaus einen spielerischen Charakter. Letzteres stellt eine dem Anlass entsprechende Aufforderung zum TanzTanz dar, Ersteres ist ein Liebesgedicht, in dem mit einer gewissen Übertreibung und einer überbordenden Fülle von Diminutiva die Abhängigkeit des Sprecher-Ichs von der Gnade und Ungnade der Geliebten formuliert wird.Scaliger, Julius CaesarAd animam Fracastorii hyporchema44 Doch ursprünglich ist die Tendenz des Hyporchema seiner Herkunft entsprechend eher ernsthaft. So finden sich unter den genannten Texten drei, die zu Gedicht-Zyklen anlässlich eines Todesfalls gehören, d.i. Scaligers Ad animam Fracastorij hyporchema aus den Arae Fracastoreae sowie Flemings Sylva 9,1,2 Fleming, PaulSylvaSponsus ad Sponsam und Sylva 9,1,11Fleming, PaulSylva Sponsus ad Aedones aus den Arae Schoenburgicae. Scaligers Hyporchema Baccho, Sileno usw. und Flemings Sylva 9,2Fleming, PaulSylva Christo hodie-nascenti hyporchema sind GötterhymnenHymnus, der eine pagan-antikisierend, der andere christlich, und Becmanns Hyporchema ad Christianum II Ducem SaxoniaeBecmann, ChristianHyporchema ad Christianum II Ducem Saxoniae preist den Sachsenherzog. Auch in Flemings Sylva 9,1,2Fleming, PaulSylva Sponsus ad Sponsam auf den Tod von Maria Juliane von Schönburg findet sich gleich im ersten Vers die animula (die in den Tod entflohen ist), und zwar ebenso wie in den erwähnten Versen des SerenusSerenus, Septimius und ebenso wie im ersten Vers der iambischen DimeterIambusDimeter, die HadrianHadrian kurz vor seinem Tod geschrieben haben soll (Scriptores Historiae Augustae, Hadrianus 25,9):

Ănĭmŭlă văgŭlă, blāndŭlă,
hōspēs cŏmēsquĕ cōrpŏrĭs
quaē nūnc ăbībĭs īn lŏcă
pāllĭdŭlă, rĭgĭdă, nūdŭlă,
nĕc, ūt sŏlēs, dăbīs jŏcōs?

      Unstetes, reizendes Seelchen, Gast und Geleiter des Körpers, in welche bleiche, unerbittliche, nackte Gegend gehst du nun von dannen und scherzt auch nicht mehr wie gewohnt?

      Die Hadrian zugeschriebenen Dimeter, die gerade im ersten Vers fast völlig aufgelöst sind, werden als antikes lateinisches Vorbild für Fleming in Anspruch genommen, auch wenn m.E. Flemings Referenz auf Scaliger außer Frage steht.

      Insgesamt zeigt das häufige Vorkommen der animula in pyrrhichischenPyrrhichius bzw. pyrrhichisch wirkenden Versen sowie das ebenso häufige Vorkommen von Diminutiva in allen Gedichten, die auffällige Rekurrenz bestimmter Adjektive (nitidus, lepidus, viridis u.a.), die Häufigkeit des Femininum Singular der a-Deklination und des Neutrum Plural, wie sehr sich die Dichter durch die Beschränkung auf Kürzen lexikalisch eingeengt hatten.

      Wie es scheint, stellt also das neulateinische Hyporchema eine metrische Form dar, die theoretisch und praktisch auf Iulius Caesar ScaligerScaliger, Julius Caesar zurückgeht, der seine Vorstellung vom antiken Hyporchema am sogenannten Pratinas-FragmentPratinas-Fragment orientiert. Diese Form fordert mit Ausnahme der Endsilbe die ausschließliche Verwendung von kurzen Silben, die entweder zu Versen gleicher Silbenzahl oder alternierenden Versen zusammengesetzt werden. Die Beschränkung auf kurze Silben macht zum einen eine Beschränkung auf ein überschaubares lexikalisches Material notwendig, zum anderen die Ausnutzung aller Möglichkeiten, Silben zu kürzen, und die Elision von langen vor kurzen Silben. Typisch für das Hyporchema ist überdies die Verwendung von Diminutiva und von zahlreichen, oft als Nominalkomposita neu gebildeten Epitheta, die sicherlich zum Teil den metrischen Zwängen geschuldet ist. Die Verwendung der auffälligen Epitheta orientiert sich aber auch an entsprechenden Epitheta des Pratinas-FragmentsPratinas-Fragment. Die Frage liegt nahe, weshalb Dichter eine Form herausbilden und sich in ihr betätigen, die ihrem Dichten solch enge Beschränkungen auferlegt. Eine poetologische Antwort könnte lauten, dass sie sich in einer Form der archaischen griechischen Lyrik betätigen, in der, wie gesagt, auch PindarPindar und pindarische Dichtung gedichtet haben soll, dass sie also in gewisser Weise pindarisieren. Die prosaische Erklärung muss wohl lauten, dass diese Form technisch überaus schwierig und mühevoll ist, wie Scaliger es in der Überschrift seines Hyporchema Baccho, Sileno usw. formuliert: omnium poematium operosissimum,Grotius, Hugo45 und die Dichter ihre technische Brillanz unter Beweis stellen wollten. In diesem Sinn hätte Grotius z.B. danach gestrebt, unter den zahlreichen EpicedienEpicedium auf Aldina etwas Besonderes zu bieten. In Alsteds Encyclopaedia Alsted, Johann HeinrichEncyclopaediafindet sich das Hyporchema jedenfalls unter den Technopaegnia. Die Hyporchemata FlemingFleming, Pauls, der mit fünf Exemplaren die Hauptmasse beisteuert, stammen sämtlich aus den Jahren 1630/31, seiner poetischen Frühzeit und experimentellen Phase. Möglicherweise hat sich also Scaligers metrische Neuschöpfung trotz ihrer erhabenen Herkunft wegen ihrer extremen Künstlichkeit schnell totgelaufen. Nicht jedes Geschöpf, das aus dem Geist der Antike geboren wird, ist also lebenskräftig, und selbst der Barockhumanismus hat nicht jedes manieristische Spiel goutiert.

      Literaturverzeichnis

      1. Primärtexte

      Aleandro, Girolamo: In obitum Aldinae catellae, Lacrymae poeticae. Paris 1622.

      Alsted, Johann Heinrich: Encyclopaedia, 7 Bde., Herborn 1630 [Nachdruck Stuttgart 1989/90].

      Fleming, Paul: Paul Flemings deutsche Gedichte, herausgegeben von Johann Heinrich Lappenberg, Stuttgart 1863 (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 73 [Nachdruck Amsterdam 1969].

      Scaliger, Iulius Caesar: Poemata, [Heidelberg] 1574; weitere zitierte Auflagen Genf 1591; [Heidelberg] 1600.

      Scaliger, Iulius Caesar: Poetices libri septem. Bd. 1: Buch 1 und 2. Herausgegeben und übersetzt von Luc Deitz, Stuttgart 1994.

      Zanten, Laurens van (Hg.): Deliciae Poeticae, Bd. 8, Leiden 1796.

      2. Sekundärtexte

      Bierl, Anton: Der Chor in der Alten Komödie. Ritual und Performativität (unter besonderer Berücksichtigung von Aristophanes᾿ Thesmophoriazusen und der Phalloslieder fr. 851 PMG), München 2001.

      Broekhuizen, Jan/Verburg, Isaac/Huschke, Immanuel G.: C. Valerii Catulli carmina sex priora cum commentariis Ian. Broukhusii Isaac. Verburgii et editoris, in: Immanuel G. Huschke (Hg.): Analecta Litteraria, Leipzig 1826, i–xxxii, 1–76.

      Crusius, Friedrich:

Скачать книгу