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"Und ihr wollt das Land besitzen?" (Ez 33,25). Alban Rüttenauer
Читать онлайн.Название "Und ihr wollt das Land besitzen?" (Ez 33,25)
Год выпуска 0
isbn 9783429060084
Автор произведения Alban Rüttenauer
Жанр Документальная литература
Серия Forschung zur Bibel
Издательство Bookwire
Zimmerli hat 8,12 u. 9,9 als rein illustrierende Redensarten eingestuft.113 Die genauere Analyse zeigt aber, daß auch sie in einen weiter zu fassenden dialogischen Zusammenhang einzuordnen sind. Die Antwort erfolgt nicht in Form einer Rede mit einzelnen Argumentationsschritten, sondern in dem umgebenden Visionsgeschehen selbst, das ohne viel rhetorischen Aufhebens der Wirklichkeitsdeutung in den Redensarten den Spiegel vorhält.114 So wird schon hier bei der Besprechung der ersten Redensart der Verdacht geweckt, daß die Redensarten auch über den beschränkten Rand unmittelbarer Hin- und Widerrede hinaus tiefer mit dem allgemeinen Gang des Buches verbunden sind, als dies bisher wahrgenommen, oder zumindest dargestellt wurde.115 Das abschließende Gericht ist über das Land noch nicht hingegangen. Erst nach diesem Gericht, das die Exilierten nur noch aus sicherer Entfernung wahrnehmen, wird an eine Rückkehr ins Land und an eine Wiederherstellung des Volkes zu denken sein.
49 Nach Prüfung aller bisherigen Erklärungen dieses Verstummungsbefehls, der den Propheten doch nicht buchstäblich verstummen läßt, kam seinerzeit R.R. Wilson, „An Interpretation of Ezekiel’s Dumbness“, 101, zu dem Ergebnis, ihn so zu verstehen, daß Ezechiel kein Mittler mehr zwischen Volk und Gott sein durfte: „In this dispute Ezekiel is forbidden to be a mediator. He can no longer promote dialogue between the two parties. He can no longer intercede with Yahweh on behalf of the people to make sure that they receive a fair trial. He can no longer argue the people’s case with Yahweh. The implication of iii 26 is that in the dialogue which Yahweh carries on with his people through the prophet, communication can now move in only one direction: from Yahweh to the people.“ Pohlmann interpretiert den Verstummungsbefehl als durch die Diaspora-Redaktion nachträglich eingefügte Abwertung der ersten Golah. Vgl. K.-F. Pohlmann, Hesekiel, 77: „Die Erstexilierten sind keine von Jahwe bevorzugte Sondergröße; in keiner Weise stehen sie vor Jahwe besser da als das sonstige Israel.“ Er sieht hierin einen Bezug zur Weigerung Gottes, auf die Befragung durch die Ältesten einzugehen: „Deswegen soll sich Ezechiel den Ältesten verweigern, die durch ihn Jahwe zu befragen suchen (20,1f.31).“ Wenn man historisch nicht so konkret werden möchte, und sich vom Vorliegen einer so tendenziösen Redaktion nicht überzeugen läßt, kann man immer noch davon ausgehen, daß das Ezechielbuch als literarisches Werk mehr auf Fernwirkung als auf Nahwirkung berechnet ist, d.h. daß die Reden Ezechiels sich mehr an die Leser als an die vorgestellten Adressaten richten.
50 M.C. Srajek, „Constituiton and Agency“, 148: „Someone of Ezekiel’s caliber will not easily trust a vision or dream, but will rather seek for theological reasons either to dismiss the vision or to accept it.“
51 Vgl. W. Zimmerli, Ezechiel, 1259: „Hier zeigt übrigens 25,3 mit seiner Parallelisierung von ‘Heiligtum’, ‘Land Israels’ und ‘Haus Juda’ deutlich, daß Jerusalem, Juda und Land Israel als konzentrische Kreise verstanden sind und daß man ‘Israel’ auf keinen Fall auf das Nordreich im Unterschied zu Juda deuten darf.“ Um die Eigenschaft der Begriffe als konzentrische Kreise deutlich werden zu lassen, muß Zimmerli allerdings die Reihenfolge derselben in 25,3 in seiner Deutung umstellen, um ‘Land Israel’ ans Ende setzen und das ‘Heiligtum’ durch Jerusalem ersetzen zu können.
52 W. Zimmerli, Ezechiel, 1260: „Es ist in alldem ganz deutlich, daß Ezechiel in seiner Verkündigung immer wieder das Gottesvolk als Ganzes sieht, ob er sich nun im einzelnen an seine Exilsumgebung wendet, ob er Jerusalem und Juda vor Augen hat oder ob er die Gesamtvolksgeschichte in ihrer ganzen Weite zu Gehör bringt.“
53 Unter Berufung auf L. Rost stellt W. Zimmerli, Ezechiel, 1259 fest, „daß die Bezeichnung Judas mit dem Namen ‘Israel’ bei den Propheten seit dem ausgehenden 8. Jahrh., in dem das Nordreich unterging, nachzuweisen ist.“
54 W. Zimmerli, Ezechiel, 1258: „es fällt auf, wie nachdrücklich im Buche des Judäers Ezechiel von ‘Israel’ geredet ist.“
55 W. Zimmerli, Ezechiel, 1258: „Den insgesamt 186 Vorkommen von
56 W. Zimmerli, Ezechiel, 1259: „ Nach allem bleiben für einen in seiner Motivierung nicht durchsichtigen synonymen Wechsel von der Israel- zur Judabenennung nur die Stellen 8,1 […] und 8,17, wo vom Sündigen des Hauses Juda […] die Rede ist.“
57 R. Nay, Jahwe im Dialog, bes. 147-181. Die Möglichkeit dazu findet er durch die Erzählung von der Seraja-Gesandtschaft in Jer 51,59 bestätigt. Für das Verständnis der Großvision Kapitel 8 - 11 ergeben sich damit für ihn weitreichende Konsequenzen. So will er das Visionsgeschehen an verschiedenen Stellen unterbrochen sehen, an denen der Prophet zum direkten Dialog mit den vor ihm versammelten Ältesten zurückkehrt. Dieses geschieht nach ihm in 9,8, wo der Prophet angesichts der geschauten Zerstörung Jerusalems zum ersten Mal aufschreit. Dieser Schrei soll von den Ältesten im Exil gehört werden, die Zeugen seiner ekstatischen Entrückung sind. Darum wäre der Ausspruch in 11,3 in Wirklichkeit eine Äußerung eben dieser Ältesten, mit der sie auf den Schrei reagieren. Die VV. 11,4-12 bildeten ihrerseits die prophetische Antwort auf den Ältesten-Spruch. Sie unterbrächen die Vision, da prophetische Verkündigung nach Nay in einer solchen keinen Platz hat. In V. 13 soll Pelatjahu während dieser Verkündigung und damit im Exil sterben und dadurch den Propheten erneut zu einem Aufschrei bewegen. Wegen der etymologischen Herkunft des Namens von
58 R. Nay, Jahwe im Dialog, 153-154: „Nicht nur Pelatjahu, sondern auch die 25 Ältesten spielen eine Doppelrolle auf der Visions- bzw. auf der Anredeebene […] Wir nennen sie darum Vermittlungsgestalten. Das Gotteswortes [sic] ist innervisionär an sie gerichtet, wird aber vom Propheten den Ältesten Judas verkündigt.“ Die Gruppe vor dem Tor wird aber nicht als Älteste bezeichnet, sondern als ‘Anführer des Volkes’. Sie werden auch sonst in einer Weise gezeichnet, die wenig Vergleichspunkte mit dem Verhalten der Ältesten bietet. Als Experiment kann man Nays extremen Versuch gelten lassen. Wenn er auch in Konkretem wenig überzeugen kann, so hilft dieses Experiment zumindest indirekt, die Schwierigkeiten des Textes besser zu verstehen und sie in einem grellen Lichte erscheinen zu lassen. Wenn je könnten seine Ansichten aber nur für eine Vorstufe des Textes zutreffen, da seine gegenwärtige Fassung jede Visionsunterbrechung unterbindet, wie in 11,24, wo der Prophet erst müsahm ins Exil wieder zurückkehren muß, deutlich wird.
59 W. Zimmerli, Ezechiel, 244: „Daß Ez den Auftrag bekommt, in dieses gottlose Gerede der von ihm visionär geschauten Männer hinein zu prophezeien, hat seine nächste Parallele in dem großen Gesicht 37,11ff., wo dann wie hier das Prophetenwort die Vision mitbestimmt.“
60 Vgl. W. Zimmerli, Ezechiel, 202: „Am unmittelbarsten heben sich 11,1-21 als Fremdkörper aus dem übrigen Zusammenhang heraus.“
61 Vgl. K.-F. Pohlmann, Hesekiel, 135: „ […] den Verweisen auf eine visionäre Erfahrung ‘Ezechiels’ kam lediglich die Funktion zu, auf diesem Weg sicherzustellen, daß ‘Ezechiel’, obwohl im Exil, zugleich doch in Jerusalem dortige Vorgänge wahrnehmen und dazu Stellung nehmen konnte. Veranlaßt zu dieser Konstruktion sah sich die golaorientierte Redaktion im Blick auf Ez 11,1-13. Denn der hier agierende Sprecher war unzweifelhaft in Jerusalemer Vorgänge