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alle viere zum Himmel erhoben, wälzte sich und grunzte und spuckte und nieste, dass es eine Freude war. Von da an wusste ich, was der Stupf mit der Nase zu bedeuten hatte – Seppl wollte ein Sandbad nehmen.

      Vielleicht kam es daher, dass Seppl von einer Eselin stammte und wenig Zugehörigkeitsgefühl besaß zu seinen Kameraden, die hochbeinig und ein wenig plump waren, während Seppl schmale Fesseln besaß und außerdem zartgliedrig war – kurz, er pflegte keine Kameradschaft. Vielleicht hat er sich deshalb so an mich angeschlossen. Es ist ja bekannt, dass Einzelgänger unter den Tieren sich viel leichter an den Menschen anschließen als Herdenzottler.

      Was wollt ihr! Manchmal ist man traurig, man mag mit keinem Menschen reden. So sprach ich manchmal mit dem Seppl. Besonders auf den langen Märschen, wenn die Straße als endlos grauwogendes Band zwischen den Eselsohren abläuft, wenn die Sonne sticht und die roten Felsen der Berge die Hitze zurückwerfen. Dann sagte ich manchmal: «O Seppl!», und Seppl verstand, was alles in den zwei Worten enthalten war. Er nickte weise, nickte immerzu, bis mir ganz schwindlig wurde und ich einschlief auf dem Sattel. Seppls Trab war so gleichmäßig, er folgte so unerschütterlich dem baumelnden Schwanz des Vordertieres, dass ich ihm ruhig die Zügel über den Hals legen konnte.

      Es gab auch die Abende, an denen man müde ankommt und hungrig ist. Brennstoff gibt es genug. Auf den Ebenen zwischen den roten Bergen wächst das zähe Alfagras als Heu. Futtermittel ist es, wenn die Gerste ausgegangen ist, und Brennstoff zugleich für die Küche, wenn kein Oued in der Nähe ist und auch kein Holz und die Köche die Suppe kochen müssen mit Gras und wildem Thymian. Dann gibt es die halb oder ganz vom Sand verschütteten Brunnen – und wenn man Brunnen sagt, so ist das eine Übertreibung. Sandlöcher sind es, man muss graben, das Wasser einfließen lassen und es dann sorgfältig abschöpfen, damit man die Tiere tränken kann. Denn Sandwasser ist Gift für sie … Wir kochten dann mit dem unteren Schlamm, und der Reis war braun, als wäre er mit Schokolade gemischt, und der Sand knirschte unter unseren Zähnen.

      An einem dieser Abende war es, dass der Seppl zu arg Durst hatte und mir zum Sandloch – will sagen zum Brunnen – durchbrannte und sich vollsoff. Das gab eine schlaflose Nacht. Er hatte Schmerzen, der Seppl, seine Nase war ganz heiß, er ächzte und der Humor war ihm vergangen. Er wollte sich immer niederlegen, um zu schlafen – vielleicht auch, um ruhig zu sterben, aber selbst wenn nicht strenger Befehl gewesen wäre, ein Tier mit allen Mitteln zu retten, ich hätte den Seppl doch nicht gern sterben lassen, denn ich mochte ihn gern.

      Nun, die Nacht ging herum. Seppl stöhnte, manchmal schob er seinen Kopf unter meinen Arm, – einmal hat er mich sogar gebissen, nicht eigentlich gebissen, geklemmt, mit seinen langen vorstehenden Zähnen. Ich hatte dann blaue Flecke. Aber das schadete nichts. Um zwei Uhr morgens nahm Seppl dann gnädig ein Stück Brot aus meiner Hand, kaute es zufrieden. Ich glaub, es war ihm lieber als die Schleimsuppe, die man uns immer einschüttet, wenn wir den Magen verdorben haben.

      Am nächsten Morgen – wir brachen schon um drei Uhr auf – bin ich dann nicht aufgesessen. Ich hielt Seppl am Zügel und führte ihn. Ich erzähle das nicht, um mich zu rühmen. Es war auch weiter nichts Rühmenswertes dabei, denn das Thermometer zeigte sechzehn Grad unter Null. Das gibt es dort unten. Übrigens war es gerade November.

      Ja, es war vierzehn Tage später, da wurde unsere Kompagnie von einem Dschisch angegriffen. Dschisch – das ist so eine Art Räuberbande. Ich musste mit meinem Maschinengewehr vor, und Seppl wurde mit den andern Tieren in Deckung geführt. Die Räuber ritten an, ich weiß nicht mehr genau, auf was sie es abgesehen hatten. Ich war sehr eifrig damit beschäftigt, die Befehle auszuführen, die unser Leutnant herüberbrüllte – man brauchte ja nicht leise zu sprechen. Es waren Zahlen zum Einstellen des Rohres, und ich musste aufpassen. Vor uns ritten die Räuber an, machten kehrt, nachdem sie von ihren Pferden herab geschossen hatten, kamen wieder angeritten, machten noch einmal kehrt. Wir mussten vor.

      Da hör ich ein Gelächter hinter mir, ich dreh mich um: Der Seppl galoppiert auf mich zu, hält vor dem Maschinengewehr, beschnuppert es, verzieht die Nase, das Rohr roch wirklich nicht gut, nach heißem Metall und rauchlosem Pulver, stellt sich vor die Mündung und bleibt bocksteif stehen.

      «Vorwärts!» brüllt der Leutnant. «En avant!»

      Aber ich kann doch nicht am Seppl vorbei. Der Seppl steht da, so, als ob er mich decken wolle. Mein Kamerad lacht mich aus. Da rede ich gütig auf den Seppl ein: «Geh zurück!» sag ich. «Seppl, sei brav! Du hast hier nichts zu suchen!» Dann seh ich mich um, wo denn die Stallwache bleibt. Richtig, dort, ganz hinten läuft einer und fuchtelt mit den Armen … Aber bis der bei uns ist! … Also steh ich auf, ich muss doch vor, der Leutnant hat es befohlen … Ich lad das Maschinengewehr auf die Schulter, sag noch einmal: «So, Seppl!» … Da tänzelt der Seppl vor mir her. Immer zwei Schritte Distanz hält er, so dass ich ihn nicht am Halfter packen kann. Tänzelt vor mir her, dem Feind entgegen, der gerade wieder gegen uns anreitet. Und wieder, wie vorhin, zweihundert Meter etwa vor uns, schießt er aus allen Flinten, macht kehrt, jagt davon …

      Vor mir tanzt der Seppl, tanzt wirklich. Er deckt mich mit dem ganzen Körper und tänzelt seitwärts, wie ein dressiertes Pferd im Zirkus. Er schüttelt unwillig den Kopf, weil die Leute da vor uns so viel Lärm machen … Dann ist der Lärm vorbei, dort vorne haben sie kehrt gemacht … Ich sehe, dass einer sich noch im Sattel umwendet, zielt, schießt …

      Der Seppl zuckt zusammen. Sein Hals, sein glatter grauer Hals, den ich so oft getätschelt habe, ist gerade vor meinen Augen. «Hopp, Seppl!» ruf ich noch, «wir müssen pressieren!»

      Da fällt der Seppl um. Es ist wie beim Tränken. Auf einmal ist er nicht mehr da. Doch, da ist er ja … Zwei Schritte links von mir wälzt er sich auf dem Boden, alle viere gen Himmel gestreckt, und seine winzigen Hufeisen glänzen in der Sonne. Dann liegt er auf der Seite, rührt sich nicht mehr. Da seh ich, dass er ein großes Loch im Hals hat – die Dschischs schießen immer mit runden Bleikugeln, die große Löcher machen –, und aus dem Loch in seinem Hals gurgelt das Blut, und dann wird das dürre Alfagras ringsum rot, nicht lange, denn der Sand schluckt den Saft …

      «Aus!» sagt mein Kamerad.

      Ich bin dann vor und habe immer den Kopf geschüttelt, so arg den Kopf geschüttelt, dass ich mich ein paarmal am Rohr gestoßen habe. Eigentlich hatte mir der Seppl das Leben gerettet. Wie kam das Tier dazu? Tier! Tier! Er hatte etwas gemerkt, das schien mir sicher. Darum war er gekommen. Er wollte bei mir sein. Und gelacht hat er auch noch! …

      Dann waren wir wieder in Stellung. Aber ich habe nicht schießen wollen. Die Pferde von den Räubern haben mich gedauert. Blöd, so etwas! Ich habe das Maschinengewehr auseinandergenommen und dann das Ventil ausgeblasen, so stark, dass mir die Tränen in die Augen getreten sind.

      «Ladehemmung!» habe ich gesagt, als der Leutnant hat reklamieren wollen. Und dann habe ich an den alten Kainz denken müssen, der auch in das Mundstück seiner Pfeife geblasen hatte, bis er Tränen in die Augen bekam, damals, als er Abschied genommen hatte vom Seppl …

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