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über neue Anbaumethoden unterrichten und ihnen helfen, Fehler bei der Bestellung der Äcker zu vermeiden.

      Zu den gefährlichsten Fehlern zählt für Carver die Baumwollmonokultur – womit er, bedenkt man die gewaltigen aktuellen Probleme durch Monokulturen, seiner Zeit weit voraus ist. Er erkennt, dass die Böden durch Monokulturen ausgelaugt werden, die Ernten zurückgehen und, was ihn am meisten beschäftigt, dass die Bauern verarmen. Er entwickelt und propagiert daher ein Fruchtfolgesystem, bei dem im Wechsel Erdnüsse und Baumwolle angebaut werden. Sein System wird allgemein angenommen, so gut sogar, dass er beinah zum Opfer seines eigenen Erfolgs wird. Als die Landwirte auf Carvers Geheiß abwechselnd Erdnüsse und Baumwolle anbauen, erzielen sie verblüffende Erntemengen; doch obwohl die meisten Erdnüsse als Viehfutter Verwendung finden, sammeln sich schon bald enorme Restbestände an, die in den Scheunen verfaulen.

      Carver sucht nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für Erdnüsse – wohlgemerkt zu einer Zeit, als diese vom Menschen noch verschmäht wurden. Ein Klacks für ein Genie wie Carver. Schon bald hatte er dreihundert neue Möglichkeiten gefunden, wie man die Restbestände verwenden konnte, beispielsweise – nur um sich eine Vorstellung von seinem außergewöhnlichen Erfindergeist zu machen – als Erdnussderivat bei der Produktion von Klebstoff, Pomade, Bleichmittel, Chilisauce, Brennstoffplatten – die wir heute Biobrennstoff nennen würden –, Tinte, Löskaffee, Gesichtscreme, Shampoo, Seife, Linoleum, Mayonnaise, Metallreiniger, Papier, Kunststoff, Rasiercreme, Schuhputzmittel, Synthetikgummi, Straßenbelag, Talkum oder Fleckentferner für Möbel. Und natürlich in Form von Lebensmitteln wie Erdnussbutter, Milch, Käse oder Erdnussöl. Seine Ideen sollten die amerikanischen Nahrungsgewohnheiten – und die Landwirtschaft – für immer verändern. Und Carver beschränkte sich nicht auf Erdnüsse. Offenbar hatten die Bauern auch Probleme mit der Vermarktung anderer Anbauprodukte: Carver entwickelte auch Hunderte neuer Verwendungsmöglichkeiten für Süßkartoffeln, Sojabohnen oder Pekannüsse.

      Carver arbeitet unermüdlich. Nicht nur als Forscher; er veröffentlicht seine Ideen zur Verwendung von Tomaten, die in den USA damals noch als ungenießbar galten, von Süßkartoffeln oder Erdnüssen auch in Mitteilungsblättern, die in die Geschichte der amerikanischen Landwirtschaft eingehen sollten. Die Titel seiner Mitteilungen – Wie man Tomaten anbaut und auf 115 Arten zubereitet, Wie man Haselnüsse anbaut und auf 105 Arten zubereiten kann, Wie man Süßkartoffeln haltbar machen und zubereiten kann – belegen, wie sehr er davon überzeugt ist, dass seine Forschungsergebnisse das Universitätslabor verlassen und den Bauern durch geeignete Publikationen bekannt gemacht werden müssen.

      Jedenfalls ist es dem Erfindergeist und der Arbeit von George W. Carver zu verdanken, dass der Erdnusspreis, der wenige Jahre zuvor noch gegen null tendiert hatte, während der Großen Depression einen ungeahnten Höhenflug erlebte und in den Südstaaten ein Markt im Wert von über 250 Millionen Dollar entstand. Allein durch den Verkauf von Erdnussöl konnten die Bauern 60 Millionen Dollar erwirtschaften, und in nur wenigen Jahren entwickelte sich die Erdnussbutter zum amerikanischen Nahrungsmittel schlechthin.

      Carvers Lebensgeschichte scheint umso bemerkenswerter und nötigt einem noch mehr Bewunderung ab, wenn man weiß, dass seine großartigen Leistungen, die den Wohlstand seines Landes mehrten, ihm selbst keinen Cent einbrachten. George W. Carver lebte bescheiden und steckte den Großteil seines Gehalts – und einzigen Einkommens – in die von ihm gegründete Stiftung zur Förderung der Agrarforschung. Von den fünfhundert Verwendungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Derivate, die er entwickelte, ließ er sich nur drei Erdnussderivate für die Kosmetik patentieren. Und wenn ihm jemand die enormen Gewinne vor Augen führte, die ihm dadurch entgingen, antwortete er nur: »Als Gott die Nüsse erschuf, präsentierte er uns auch keine Rechnung. Wieso sollte ich dann an Erdnussderivaten verdienen?«

      Thomas Alva Edison, der dagegen mit Argusaugen über seine Erfindungen wachte, versuchte mit allen Mitteln, Carver als Mitarbeiter zu gewinnen. »Carver ist eine Goldgrube«, sagte er und bot ihm astronomische Summen – die Carver regelmäßig ablehnte.

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       George W. Carver in seinem Labor

      George Washington Carver zählt zweifellos zu den bekanntesten amerikanischen Persönlichkeiten an der Wende zum 20. Jahrhundert und war vermutlich der berühmteste schwarze US-Amerikaner seiner Zeit. Henry Ford sagte über ihn: »Professor Carver hat den Platz Thomas Edisons als größter lebender amerikanischer Wissenschaftler eingenommen.« Und Senator Champ Clark nannte ihn »einen der weltweit bedeutendsten Forscher aller Zeiten«.

      Als Carver am 5. Januar 1943 starb, überzeugte Präsident Franklin D. Roosevelt den amerikanischen Kongress, Carvers Geburtshaus zum nationalen Denkmal zu erklären, eine Ehre, die bis dahin nur George Washington und Abraham Lincoln zuteilgeworden war. Seit 1977 ist Carvers Name zudem in der New Yorker »Hall of Fame« verewigt, und am 5. Januar jeden Jahres ehren die Amerikaner Carver und seine revolutionären Erfindungen auf dem Gebiet der Agrarwissenschaften mit dem »George Washington Carver Recognition Day«.

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       Nikolai Iwanowitsch Wawilow (1887–1943)

      ZWEITES KAPITEL

      DAS SOWJETISCHE SUPERGETREIDE

       Nikolai Iwanowitsch Wawilow, der die Russen satt machen wollte und den Hungertod starb

      NIKOLAI IWANOWITSCH WAWILOW kommt am 25. November 1887 als Sohn einer reichen Moskauer Kaufmannsfamilie zur Welt. Seinen Vater Iwan, ein bettelarmes Bauernkind, hatte man dank seiner wundervollen Stimme im Alter von zehn Jahren aus einem gottverlassenen Dorf in den endlosen Weiten Russlands nach Moskau geschickt, um in einem Kirchenchor zu singen. Damit begannen Aufstieg und Glück der Familie Wawilow. Obwohl Iwan Wawilow über keinerlei Bildung verfügt, macht ihn sein guter Geschäftssinn schon bald zum wohlhabenden Miteigentümer und Leiter einer der größten Textilfabriken des Landes. Seine beiden Söhne, die nach dem Wunsch des Vaters eigentlich in die Firma einsteigen sollen, werden berühmte Wissenschaftler. Nikolai, der Ältere, wird zu einem der Gründerväter der Pflanzengenetik und Sergei ein renommierter Physiker, der jahrzehntelang Präsident der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften und Mitentdecker des Wawilow-Tscherenkow-Effekts ist, für den Tscherenkow 1958, sieben Jahre nach Sergei Wawilows Tod, den Nobelpreis für Physik erhalten sollte.

      Nikolai Wawilows wissenschaftliche Laufbahn beginnt 1906: Mit einem Handelsschulabschluss in der Tasche schreibt er sich am Landwirtschaftlichen Institut in Moskau ein, einer der renommiertesten Hochschulen des Landes. Von Anfang an zeichnet er sich durch ein gewaltiges Arbeitspensum und außerordentliche Fähigkeiten aus: 1908 nimmt er an einer Forschungsreise in den Kaukasus teil, 1909 schreibt er eine Abhandlung über Darwins Abstammungslehre, und 1910 beschäftigt er sich in seiner Abschlussarbeit mit der Frage, wie man Nutzpflanzen vor Krankheitskeimen schützen kann. Und schon 1912 legt Wawilow seine bahnbrechende Forschungsarbeit Genetik und Agrarwissenschaften vor, in der er detailliert das Arbeitsprogramm entwickelt, an dem er sein Leben lang unbeirrt festhalten wird: nämlich mithilfe der Genetik die Eigenschaften von Nutzpflanzen zu verbessern. In den Jahren 1913 und 1914 rundet er sein Hochschulstudium schließlich durch Auslandsreisen ab, die ihn zu den angesehensten europäischen Forschungslaboren führen: nach Cambridge in Großbritannien, wo William Bateson sein Labor hat, nach Paris in das Institut Pasteur und nach Deutschland.

      Besonders der Besuch bei Bateson, dem wir das Wort »Genetik« verdanken und der einer der Gründerväter der gerade aufkommenden Wissenschaft ist, beeindruckt Nikolai Wawilow nachhaltig und bestärkt ihn in der Überzeugung, dass man Nutzpflanzen mithilfe der Vererbungslehre wesentlich wirksamer verbessern könne als durch herkömmliche Zuchtmethoden. Der Agrarwissenschaftler Nikolai Wawilow ist der Erste, der die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Genetik erkennt und das revolutionäre Potenzial, das sie für die Landwirtschaft bereithält.

      Seine Lebensaufgabe sieht Wawilow ab nun darin, neue genetische Nutzpflanzenvarianten mit außergewöhnlichen

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