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schlang die Arme um seinen Oberkörper und groovte mit geschlossenen Augen. »Let’s get it on. Guck dir das auf YouTube an.«

      Naomi und ich lachten laut, aber Elaine bedachte Linval mit einem Blick, der wohl noch seine Vorfahren erschreckt haben musste.

      Als wir zum Computerraum gingen, schüttelte Elaine immer noch den Kopf. »Naomi, lass dich von dem bloß nicht überreden, nur weil er mit seiner Kohle angibt.«

      »Aber hast du das gesehen?«, meinte Naomi. »Das waren mindestens dreihundert Pfund!«

      »Aber wo kriegt er seine Scheine her?«, fragte ich. »Die einzigen Brüder hier in der Gegend mit so einem Budget sind Gangster.«

      »Genau!«, nickte Elaine.

      Wir setzten uns an die Computer, aber lernen und Hausaufgaben standen jetzt nicht mehr auf unserer Tagesordnung.

      »Mir gefällt seine große Klappe«, sagte Naomi. »Ich hab die Nase voll von den Brüdern an der Schule, die immer bloß die Auslegware anglotzen, aber nicht mal den Mund aufkriegen. Zum Beispiel Kingsley Golding aus der Sechsten. Der starrt mich immer bloß an. Super, solider Muskeltyp, aber stiller als ein Mönchsfurz!«

      »Du bist keine Auslegware, Naomi«, sagte ich. »Ich will einen Bruder, der mehr in mir sieht als nur das.«

      »Und Linval macht bloß Ärger – glaub mir«, sagte Elaine. »Der ist auf dem Gangstertrip.«

      »Du übertreibst«, sagte Naomi. »Der kifft bloß, mehr nicht. Und wer raucht hier nicht ab und zu mal einen Joint? Alle. Erst neulich hab ich meine Betreuerin im Auto kiffen sehen, bevor sie zu mir rein ist.«

      »Wenn ich deine Betreuerin wäre, bräuchte ich was Stärkeres als einen Joint«, lachte Elaine.

      »Das ist nicht witzig!«, meinte Naomi. »Die hat sich in meinen ganzen Privatkram eingemischt. Ob ich meinen Vater sehen will, hat sie gefragt. Scheiße, nein! Der hat mir nichts zu bieten, außer seiner vollgesoffenen, abgebrannten Persönlichkeit.«

      »Wenn das mein Vater wäre, würde ich mich nicht länger mit ihm abgeben, als man für einmal warm pissen braucht«, meinte Elaine.

      Ich dachte an Lloyd. Ich wollte das Thema wechseln.

      »Kann mich mal jemand über diesen Linval aufklären?«, fragte ich. »Mit wem hängt er denn ab? Und was zieht er für Touren ab?«

      Elaine und Naomi sahen einander an.

      »Elaine!« Ich hob meine Stimme. »Naomi! Hört auf, mich auszuschließen.«

      »Schrei nicht so«, sagte Naomi. Sie zog ihren Stuhl näher an meinen und schaute sich über die Schulter. »Der zieht mit Folly Ranking und seiner Crew durch die Gegend – neulich wurde einer von denen draußen vor dem Four Aces in Central Crong abgestochen – ein Bruder namens Marshall Lee.«

      »Marshall Lee?«, wiederholte ich. »Nie gehört. Folly Ranking? Bei dem Namen klingelt was – ist das nicht der OG bei uns hier?«

      Naomi nickte. Freudig strahlte sie. »Den hab ich mal im Shenk-I-Sheck gesehen«, erklärte sie. »Der hat so riesige weiße Sneaker an und einen Gürtel mit einer Schnalle aus reinem Gold. Und …«

      »Sam hat mal was über den gesagt«, fiel ich ein.

      »Folly Ranking verteidigt hier die Gegend«, fiel Naomi ein. »Der raubt Brüder aus, die er nicht kennt, und verkauft den Scheiß über die Internetcafés, Schnapsläden und am Ruskin Green, wo die Bezirksverwaltung diese ganzen blauen Trainingsräder aufgestellt hat. Außerdem kassiert er Schutzgeld bei zwei Herrenfriseuren.«

      »Wenn der dich anspricht«, sagte Elaine, »guckst du eiskalt weg. Mit einem gefährlichen Bruder wie dem oder Linval willst du nichts trinken gehen.«

      Kalte Spucke lief mir die Kehle runter.

      Naomi lächelte. »Linval würde mich nicht wie Scheiße behandeln.« Ich war nicht so sicher, ob sie auch an den Bruder dachte, der neulich erst erstochen worden war. Ich hatte das Gefühl, dass Naomi sowieso bereit war, was mit Linval anzufangen, ganz egal, was Elaine noch über ihn auspacken würde.

      »Diese Gs sind alle gleich«, sagte Elaine. Glaubst du wirklich, du bist die Einzige, an der er gerade schraubt?«

      Naomi dachte drüber nach. »Kann sein… aber er hat Kohle.«

      »Nimm die Titten aus seiner Brieftasche«, sagte ich. »Es geht nicht nur um Geld.«

      »Doch!«, widersprach Naomi. »Von einem traurigen Collegebruder, der mit Knappheit kämpft und mich gerade mal auf einen extragroßen Milkshake einlädt, will ich nichts. Was sollen wir denn mit unserer Zeit anfangen? Spazieren gehen im Park und trockenes Brot an die Enten verfüttern?«

      »Lern ihn kennen«, schlug ich vor. »Find raus, wie er drauf ist. Hilf ihm, seine Träume zu verwirklichen. Halt zu ihm, wenn’s ihm dreckig geht. Seid füreinander da.«

      Während Sams Gesicht vor meinem geistigen Auge erschien, starrten Elaine und Naomi mich an, als hätte ich mongolische Lyrik zitiert.

      »Ich denke nicht, dass sie seine Priesterin werden möchte«, sagte Elaine.

      »Mo«, lachte Naomi. »Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich gerade mal fünfzehn – weißt du, das ist das Alter, in dem man angeblich so viel Spaß hat. Ich lass mir doch von keinem langweiligen Bürotypen an die Wäsche gehen, mich vor den Altar zerren und dann dazu verdonnern, seinen schreienden Kindern den Hintern abzuwischen. Auf keinen Fall, Mann!«

      »Aber sei vorsichtig«, warf Elaine ein. »Wenn er mit Folly Ranking rumzieht, verfolgt ihn die Gefahr. Denk dran, was Marshall Lee passiert ist.«

      »So schlimm sind die nicht«, sagte Naomi. »Was ist schon dabei, wenn die hier und da ein bisschen Ware verticken. Würden sie’s nicht machen, würden’s andere tun. Das wisst ihr doch. Und hier in der Gegend ist es egal, ob du mit einer Crew rumziehst oder ohne, aufs Maul kriegst du sowieso. Vergiss nicht. Ich hab Crumbs verloren. Der war ein echter Bruder für mich. Und überhaupt kein Gangster – nur neugierig.«

      Ich entdeckte die Trauer in Naomis Blick. Sie hatte nicht unrecht. Solange ich denken konnte, hatte hier in der Gegend immer jemand gedealt. Einer von Mums Ex-Freunden, Nicodemus, hatte Gras und alles Mögliche bei uns in der Wohnung verkauft. Jeden Abend hockten alle möglichen Leute auf dem wackligen Hocker bei uns in der Küche. Sie gaben Nico ein paar Scheine und kosteten die Ware. Wenn ich mir vor dem Schlafengehen noch einen Kakao machte, war ich high wie Thunderbird Five. Mum hat er Klamotten gekauft, goldene Ringe, Ketten und so ein Dampfreinigerteil. Als ich neun war, ist er mit mir auf den Jahrmarkt in Ashburton Park – sogar da hat er Shit verkauft. Eines Tages ist er verschwunden. Mum haben die Markenklamotten nicht mehr gepasst, und den Goldschmuck hatte sie sowieso längst zum Pfandleiher gebracht. So machte man das in South Crong.

      »Lass dich bloß nicht auf den ein«, warnte Elaine und legte Naomi eine Hand auf die Schulter. »Du bist nach Crumbs’ Tod immer noch verletzlich.«

      »Elaine hat nicht unrecht«, ergänzte ich.

      Wir umarmten uns alle.

      »Wollen wir jetzt Hausaufgaben machen?«, fragte ich. »Deshalb sind wir doch hier.«

      »Und wenn wir fertig sind, gehen wir ins Shenk-I-Sheck?«, fragte Naomi.

      »NEEIIIN!«

      Während wir Elaine bei ihren Hausaufgaben halfen, bekam ich zwei weitere SMS von Mum.

      MAUREEN, WO BIST DU???

      MAUREEN, KOMM NACH HAUSE!!!

       O Gott! Die musste stinksauer sein, sonst würde sie mich nicht Maureen nennen. Aber wenn sie denkt, ich ändere meine Meinung noch, was das Weggehen mit Lloyd betrifft, dann hat sie sich getäuscht.

      Elaine und ich brachten Naomi nach Hause, und erneut versuchte sie uns den ganzen Weg lang zu überreden, mit ihr auf diese Mission oder jenes Abenteuer zu gehen. Bevor sie im Haus verschwand, sagte

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