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total hochgegangen und hat Mum sitzen lassen. Danach war sie voll neben der Spur. Ich glaub nicht, dass sie noch mal wieder durchgeblickt hat. Sie war immer ganz lange im Bad und hat nachgedacht. Du hast ja meine Akte gelesen und weißt, was passiert ist.«

      Colleen nickte. Sie hatte aufgehört mit dem, was sie gemacht hatte, und stand jetzt still. Sie schenkte mir ihre gesamte Aufmerksamkeit. Erzählte ich zu viel? Ach, Pipapo & Co., steht ja sowieso alles in meiner Akte.

      »Hast du schon die Schokokekse geholt?«, wechselte ich das Thema. »Vollkorn mit Schokoüberzug, Schokobutterkeks oder Schokostäbchen mag ich am liebsten. Ach, und diese Marshmallows mit dem Klecks Erdbeer drin.«

      »Teekuchen«, erwiderte Colleen.

      »Genau. Die liebe ich auch. Hast du schon mal abgetrieben? Tut das weh?«

      Colleen schaute mich komisch an und schluckte schwer. »Äh, nein. Und die Kekse hab ich auch noch nicht geholt. Hatte noch keine Zeit, aus dem Haus zu gehen. Willst du nachher vielleicht mitkommen?«

      »Kannst du den Erdbeerjoghurt mit dem Erdbeer-Dip holen? Der schmeckt obergeil mit Schokokeksen.«

      Pablo sauste in seiner Schuluniform, schwarze Hose und lila Pulli, in die Küche. An seiner Schulter hing eine blaue Nike-Tasche und dengelte ihm an die Knie. Seine Schnürsenkel, sein Gürtel und seine Hemdmanschetten waren offen. Suuupersüß. Colleen schüttelte den Kopf und lächelte. »Was soll ich nur mit dir anstellen? Komm her.«

      Ich musste laut lachen. »Ich mach das schon«, bot ich an.

      Ein bisschen unsicher wechselte Pablo Blicke mit Colleen, während ich ihm die Schnürsenkel zuband, den Gürtel feststeckte, den Riemen seiner Tasche kürzer zog und seine Ärmelknöpfe schloss. Er schenkte mir ein erstklassiges Lächeln. »Danke. Wie heißt du noch mal?«

      »Naomi.«

      »Danke, Nomi.«

      Er rannte wieder raus. »Warte, Pablo«, schmunzelte Colleen. »Hast du nicht was vergessen?«

      Pablo drehte sich um. Er grinste wie in einer Quizsendung und rannte noch mal in die Küche zurück. Colleen gab ihm seine Brotdose. »Du würdest deine Füße vergessen, wenn sie nicht an deinen Beinen dran wären! Hab einen schönen Tag. Nicht an den Baum auf dem Spielplatz treten und dem Hund unten an der Straße keine Grimassen schneiden, wenn du ihn siehst.«

      Pablo lachte und flitzte mit Affenzahn durch die Diele. »Sharyna! Ich bin fertig. Du hast gesagt, ich soll mich beeilen, und jetzt bist du selbst nicht fertig!«

      »Komme schon!«

      Ich trank meinen Kaffee. Ich fragte mich, wie es wäre, wenn ich eine kleine Schwester oder einen Bruder hätte, um die ich mich kümmern könnte.

      »Früher musste ich vor der Schule immer für meinen Dad Brote schmieren«, sagte ich. »Dann hab ich ihn geweckt und ihm gesagt, wo ich sie hingestellt hab. Wenn ich viel fluche, dann ist mein Paps schuld daran – morgens hat er immer erst mal die Luft verpestet. Dann ist er aufs Klo. Hätte genauso gut gleich sein Bett da reinstellen können. Manchmal musste ich in die Spüle pinkeln, so lange hat das gedauert. Und wenn ich aus der Schule gekommen bin, musste ich meistens erst mal das Klo putzen, weil Dad reingekotzt hatte. Wenn ich ihn nach Geld für Domestos gefragt hab, hat er mir da welches gegeben? Nein!«

      »Nicht … schön«, sagte Colleen. Sie hatte ihre Mitleidsmiene aufgesetzt.

      Ich hörte Schritte die Treppe runterstampfen. Tony trug eine blaue Latzhose über einem schwarzen T-Shirt. Seine dicken grauen Socken hatten Löcher. Ein Bleistiftstummel klemmte hinter seinem linken Ohr. »Morgen, Naomi«, grüßte er. »Morgen, Colleen. Sind die Sandwiches fertig?«

      Ich warf einen Seitenblick auf Tony. Er küsste Colleen auf die Wange. Ich konnte mich nicht erinnern, dass Dad oder Rafi so was bei Mum am frühen Morgen gemacht hätten. »Fast«, erwiderte Colleen. »Apfel oder Orange?«

      »Beides«, erwiderte Tony. Er setzte sich mir gegenüber. »Und wie war die Nacht?«

      »Nicht so gut«, erwiderte ich. »Konnte nicht schlafen.«

      »Das ist ganz klar, ist ja schon aufregend, in ein neues Zuhause zu ziehen.«

      »Aufregend?«, wiederholte ich. »Was hast du denn genommen? Das ist nicht mein Zuhause hier. Ich hatte schon kein richtiges Zuhause mehr, seit … das ist nur ein Platz, wo ich vorübergehend meine müden Knochen ablegen kann. Nächstes Jahr um diese Zeit hast du schon vergessen, wer ich bin. Ich hab nicht den Blassesten, wo ich dann sein werde. Aber das bin ich ja gewohnt.«

      Tony wechselte Blicke mit Colleen. »Wir tun beide, was wir können, damit du dich hier zu Hause fühlst, Naomi. Solange du hier bist.«

      Ich dachte wieder an Dad. Dann stellte ich meinen Becher auf den Tisch, biss mir auf die Oberlippe und verschränkte die Arme.

      »Ich muss los«, sagte Tony. »Habt einen schönen Tag, ihr beiden.«

      Ich sah ihm aus dem Augenwinkel nach. Ich wusste, dass er’s gut machen wollte, aber Kims Warnungen wirbelten mir durch den Kopf.

      »Sharyna!«, rief Tony.

      Eine Minute später hörte ich die Haustür zuschlagen. Tonys Pick-up fuhr davon. Ich linste in meinen Kaffeebecher. »Tut der Sex mit ihm weh?«, fragte ich.

      Colleen stellte eine Pfanne auf den Herd und wurde wieder rot.

      »Äh, hm. Wenn, äh … wenn man sich in einer liebevollen Beziehung befindet, sollte Sex überhaupt nie wehtun.«

      »Meine Freundin Kim sagt, es tut weh. Zieh dein Fickding aus mir raus, hat sie zu ihrem letzten Freund gesagt.«

      »Ausdrucksweise, Naomi.«

      »Tschuldigung«, sagte ich.

      »Vielleicht … vielleicht war’s ja gar keine liebevolle Beziehung für deine Freundin Kim?«

       Sozialarbeiter- und Sexualkundegequatsche.

      »Konnte gar nicht mehr mitzählen, mit wie vielen Typen Kim was gehabt hat«, sagte ich. »Glaub nicht, dass sie auch nur in einen davon verliebt war. Jetzt hat sie eine Freundin. Darf ich noch Würstchen zu den Eiern?«, fragte ich. »Und Baked Beans, wenn du welche hast.«

      »Selbstverständlich.«

      »Machst du mir heute die Haare?«

      »Wenn wir im Supermarkt waren.«

      »Wann hattest du zum ersten Mal Sex?«

      »Sind das wirklich Fragen, die man einer Erwachsenen stellt?«, fragte Colleen. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und fixierte mich. »Ich weiß, dass du Dinge erlebt hast, die ein Mädchen in deinem Alter nicht erleben sollte, aber du bist trotzdem erst vierzehn.«

      »Louise sagt immer, ich soll erwachsen über so was reden«, sagte ich. Das war nicht gelogen.

      Sie tat zwei dicke Würstchen in die Pfanne. Gut. Ich mag die dicken Fetten.

      »Louise hat das gesagt?«

      »Ja, hat sie«, erwiderte ich. Ich äffte Louise nach: »Natürlich darf man über Sex sprechen, vorausgesetzt man tut es auf erwachsene Weise.«

      Colleen grinste etwas bemüht. »Okay«, sagte sie.

      »Also, raus damit.«

      Colleen holte tief Luft. »Ich war viel zu jung«, sagte sie. »Vierzehn.«

      »Vierzehn«, wiederholte ich. »Bist du sicher, dass du noch nie abgetrieben hast? Jedenfalls warst du nicht die Jüngste, von der ich gehört hab. Ich kenne ein Mädchen, die hat sich schon mit dreizehn die volle Spermaladung abgeholt. Connie Richards. Die war ein Schwanzschwamm, hat sie aufgesogen. Die hat mit Typen gefickt …«

      »Ausdrucksweise, Naomi.«

      »Und sie war selbst schuld, dass sie genagelt wurde«, fuhr ich fort. »Sie hat mir gesagt, sie will ein Baby haben,

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