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Italiens spielte er keine Rolle mehr.

      Sein Sohn und Nachfolger Heinrich V. (deutscher König seit 1099) kam im Sommer 1110 nach Italien zur Kaiserkrönung. Mit Papst Paschalis II. schloss er den Geheimvertrag von Santa Maria in Turri, der ideal gesehen auf eine Trennung von geistlicher und weltlicher Sphäre im Sinne der Vorstellungen der Kirchenreform zielte: Die Reichsbischöfe sollten allen weltlichen Besitz an das Reich, d. h. den Kaiser, zurückgeben; im Gegenzug sollte dieser auf alle Rechte bei der Bestellung der Bischöfe verzichten. Als dieser Vertrag zu Beginn der Kaiserkrönung am 12. Februar 1111 verlesen wurde, kam es zu einem Tumult bei den nichtsahnenden Bischöfen, die eine solche Säkularisierung ihres [49]Besitzes und den Verlust ihrer Machtstellung nicht hinnehmen wollten. Die Zeremonie musste abgebrochen werden, der König nahm Papst und Kardinäle gefangen und führte sie aus Rom weg. Ob ein solcher Ablauf von Seiten Heinrichs vorgeplant war, muss dahingestellt bleiben. Um aus der Gefangenschaft freizukommen, willigte Paschalis II. am 11. April 1111 in den Vertrag von Ponte Mammolo ein, in dem er Heinrich V. das uneingeschränkte Investiturrecht für alle Bistümer übertrug. Zwei Tage später folgte dann die Kaiserkrönung.

      Dennoch war damit das letzte Wort im Investiturstreit noch nicht gesprochen: Der Vertrag von Ponte Mammolo stieß in kirchlichen Kreisen auf Ablehnung, und Paschalis sah sich deswegen schwersten Vorwürfen ausgesetzt. Eine Synode in Vienne erklärte, dies sei kein »Privileg«, sondern ein »Pravileg« für den Kaiser (kein Frei-, sondern ein Schandbrief). Gelöst wurde der Konflikt schließlich im Wormser Konkordat von 1122: Es unterschied zwischen dem geistlichen Amt (spiritualia) einerseits und den weltlichen Rechten (regalia) des jeweiligen Bistums andererseits und sah für Italien vor, dass eine kanonische Wahl durch Klerus und Volk stattfinden und erst danach Treueid und Regalienempfang folgen sollte; keinerlei Rechte bei der Bischofserhebung sollte der Kaiser im Kirchenstaat haben. Als Folge dieser Regelung verloren die italienischen Bischöfe ihren Rückhalt beim Kaiser, und es war diesem auch nicht mehr möglich, Deutsche auf die Schlüsselpositionen in Italien einzusetzen; Nutznießer dieser Entwicklung waren aber nicht die Päpste, sondern die aufstrebenden Kommunen.

      [50]Kommunen und Signorien in Norditalien

1085 Erste Nennung von Konsuln.
um 1120 Einführung des Podestats.
ab etwa 1250 Übergang zur Signorie.

      Vom letzten Viertel des 11. Jahrhunderts an entwickelte sich vor allem in Norditalien die typische Form der selbstverwalteten Stadtgemeinde (Kommune, civitas). Dies geschah als völlig neue Entwicklung, ohne Kontinuität zur Antike. Vielmehr hatten die Städte spätestens in der Langobardenzeit ihre rechtliche Sonderstellung verloren; sogar der römische Senat verschwand, und in der byzantinischen Themenverfassung war für kommunale Selbständigkeit ohnehin kein Raum. Die Städte blieben aber als architektonische Einheiten und als Siedlungszentren bestehen, sie waren in der Regel Bischofssitz (wenn auch nicht selten mit Unterbrechung der Kontinuität in den Anfängen der Langobardenzeit) und oft Sitz des langobardischen Gastalden oder Herzogs, später des karolingischen Grafen.

      Der Bischof als Stadtherr

      Die Entwicklung zur kommunalen Selbständigkeit verlief nun so, dass der Bischof, unter Zurückdrängung der weltlichen Grafen, in die Rolle eines Stadtherrn hineinwuchs und dann von den Bürgern aus dieser Stellung verdrängt wurde.

      In der Zeit nach Karl dem Großen wurde der Bischof häufig zum ständigen missus dominicus (Königsboten) für seine Stadt ernannt und übte als solcher die königliche [51]Gerichtsbarkeit aus. Er war zudem der wichtigste Lehnsherr in Stadt und Diözese. Sein Einfluss stieg nicht nur durch fromme Stiftungen, sondern auch dadurch, dass sich viele Personen freiwillig in seinen Schutz begaben. So wuchs er in den chaotischen Zuständen des 10. Jahrhunderts von selbst in die Rolle des defensor civitatis hinein. In dieser Zeit nahm auch die Bevölkerung der Städte zu, weil die Landbewohner in den Städten Zuflucht vor der Ungarn- und Sarazenengefahr suchten (sogenanntes incastellamento). Im späten 10. und im 11. Jahrhundert sanktionierten die Könige die Position der Bischöfe, indem sie ihnen die Grafenrechte für die Stadt übertrugen.

      Die Bischöfe erlangten dadurch aber keine fürstliche Stellung. Im Gegenteil, die Einwohner der Stadt übernahmen selbst die stadtherrlichen Rechte und beschränkten den Bischof allmählich wieder auf seine geistlichen Funktionen. Für diese Entwicklung, die anders als in Deutschland verlief, waren im Wesentlichen drei Gründe maßgebend: 1. die geringe räumliche Ausdehnung der italienischen Diözesen, die es dem Bischof unmöglich machte, eine eigene Machtbasis außerhalb der Bischofsstadt aufzubauen; 2. der enorme Wirtschaftsaufschwung der Städte im 11. Jahrhundert, besonders im Bereich des Handels, der, da sich am Handel auch der niedere Adel beteiligte und deshalb seinen Wohnsitz in der Stadt nahm, zur Verschmelzung von niederem Adel und reichem Bürgertum zum Stadtpatriziat führte; 3. durch den Investiturstreit verlor der Bischof seinen Rückhalt beim König, da ein vom König eingesetzter Bischof sich dem Vorwurf der Simonie ausgesetzt sah. Das Wormser Konkordat übertrug die Bischofswahl vollends in die lokale Verantwortlichkeit, so dass der [52]Bischof jetzt der Gruppe entstammte, mit der er sich auseinanderzusetzen hatte.

      Konsuln und Podestà

      Die Verwaltung der Stadt lag zunächst in den Händen des Bischofs und seiner Kurie. Fallweise bediente er sich des sachverständigen Rates einflussreicher Bewohner, die dabei als boni homines bezeichnet wurden. Es waren wohl diese boni homines, die dann plötzlich, ohne dass die Entwicklung im Einzelnen nachvollziehbar wäre, als selbständige Vertreter der Stadt mit der Bezeichnung consules belegt sind. Solche Konsuln werden erstmals 1085 in Pisa urkundlich genannt, dann 1093 in Biandrate, 1095 in Asti, 1097 in Mailand, 1098 in Arezzo, 1099 in Genua, 1105 in Pistoia, 1112 in Cremona, 1115 in Lucca, 1117 in Bergamo, 1123 in Bologna, 1125 in Siena usw. Ihre Zahl schwankte zwischen zwei und vierzig (zum Teil auch in derselben Stadt); häufig wurden zwölf Konsuln gewählt. Die Amtszeit betrug üblicherweise ein Jahr, aber in der frühen Zeit gab es immer wieder auch Jahre, in denen keine Konsuln amtierten. (Der Konsul-Titel wird von einigen Autoren als Beleg für eine Kontinuität zur Antike gewertet, jedoch zu Unrecht, denn eine solche Kontinuität müsste sich an die Verhältnisse am Ende der Spätantike anschließen; damals war das Konsulat aber bereits zum bloßen Ehrentitel ohne wirkliche Funktion herabgesunken.)

      Die Konsuln gingen nicht aus dem bischöflichen Gericht hervor (wie häufig die Stadträte nördlich der Alpen), vielmehr wurde im Laufe der Zeit der Bischof, als Inhaber der [53]Grafenrechte Träger des Blutbannes, von ihnen aus dieser Funktion verdrängt, zumal die Konsuln schon zuvor häufig als Schiedsrichter angerufen worden waren. Nach einer (von Ort zu Ort stark variierenden) Übergangsphase der gemeinsamen Rechtsprechung erschienen die Konsuln schließlich als alleinige Träger der Gerichtsbarkeit. Zwischen die Konsuln und die Versammlung aller Bürger, den Arengo, schoben sich Zwischeninstanzen, meist zwei Räte, ein kleiner von häufig vierzig Mitgliedern und ein großer, dem mehrere hundert Personen angehörten. Daneben gab es Konsuln mit Spezialaufgaben, z. B. consules mercatorum. Komplizierte Verfassungsregeln und ständige Veränderung der Bestimmungen charakterisierten die Kommunen. Die Sitzungen wurden protokolliert (reformationes, riformanze), die Beschlüsse in Statuten niedergelegt.

      Indem der Adel ins Stadtpatriziat hineinwuchs, brachte er auch die adlige Lebensweise mit in die Stadt, und zwar durchaus im negativen Sinne: Die Folge waren ständige interne Fehden verfeindeter Familien (als Begleiterscheinung erfolgte der festungsartige Ausbau der »Geschlechtertürme«) und allgemein eine steigende Gewaltbereitschaft – auch das im Gegensatz zu den Verhältnissen nördlich der Alpen, wo die Stadt gerade einen besonders befriedeten Bezirk bildete. Häufig war es deshalb nicht mehr möglich, eine anerkannte Wahl der Konsuln zustande zu bringen. Den Ausweg aus diesem Dilemma, den seit dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts fast alle Städte beschritten, bildete die Bestellung eines Podestà. Der Podestà, der zusammen mit einem Team von Richtern, Notaren, Wachmannschaften usw. von außerhalb in die Stadt

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