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nackt.

      Kardinal König war beeindruckt. Er bestätigte Baresch seinen päpstlichen Auftrag, als Vermittler zwischen den aus seiner Sicht sinnlos verfeindeten Welten zu fungieren. Das Ketzerische, das die offizielle Kirche in der Freimaurerei sah, hielten der Papst ebenso wie der Kardinal für unbegründet, und das Bestreben des Kardinals trug Früchte. Es mündete in einer Art Friedensvertrag, der Lichtenauer Erklärung, 1970 zu Papier gebracht. Die Übereinkunft bestand in klaren Regeln: Beide Gruppen sollten einander mit Respekt begegnen, so der Tenor. Die Erklärung wurde damit ganz im Sinne Königs dem Geist der Moderne, der Verständnis für andere Vorstellungen zeigt, gerecht.

      Auf Papst Paul VI. folgte als übernächster Papst Johannes Paul II. Seine Wahl war ein diplomatischer Akt mit einem Hintergrund, der sich wie eine Verschwörungstheorie liest und dennoch real ist, wie ich aus eigener Beobachtung bestätigen kann.

      Der amerikanische Präsident Ronald Reagan gab dem Erzbischof von Chicago vor dessen Reise zur Papstwahl in den Vatikan eine mündliche Botschaft an das Konklave mit. Sie lautete, die Kardinäle mögen doch einen Papst aus einem europäischen, kommunistischen Land wählen.

      Reagan, der ehemalige B-Movie-Darsteller, verfolgte dabei keineswegs religiöse Ambitionen. Vielmehr ging es ihm darum, einen Vorteil im damals noch unentschiedenen Kampf der Systeme, des Kapitalismus und des Kommunismus, zu erzielen. Reagan hoffte, ein Papst aus einem kommunistischen Land wäre so eine Art trojanisches Pferd mit Scheitelkäppchen, wie die päpstliche Kopfbedeckung heißt. Er würde den Kommunismus aufweichen, so sein Kalkül.

      Der Erzbischof von Chicago und Kardinal König taten sich in diesem Sinne zusammen. Sie kamen zu dem Schluss, dass der fitteste und jüngste Kandidat ein Pole war. Karol Wojtyła, so sein Name. Für diesen Polen betrieben nun der Wiener und der Chicagoer Kardinal nächtens im Konklave Lobbying, gleichsam als Strippenzieher im Auftrag des Herrn mit einer Agenda Reagans.

      Tatsächlich war es am Ende Wojtyła, der sich den weißen Pileolus, das Scheitelkäppchen, als Nächster aufsetzen durfte. Das Erste, was er als frisch gebackener Papst unternahm, war eine große Reise nach Polen, wo er die berühmten Worte sprach: »Macht auf die Tür für Jesus Christus.«

      Reagan durfte stolz auf sich sein. Denn in Wahrheit war das natürlich eine Chiffre für den Westen. Der amerikanische Präsident hatte nun einen mächtigen Verbündeten im Herzen des Feindeslandes und zur Sicherheit schob er noch sehr viele Dollars nach Polen. Bekannt ist diese Geschichte kaum, dafür umso mehr, wie sie ausging. Der Kommunismus ging in die Knie, die USA griffen nach den Sternen. Eine phänomenale weltpolitische Idee war aufgegangen.

      Kardinal König hatte weniger Grund zur Freude. Denn der neue Papst erwies sich als nicht gerade dankbar gegenüber dem Wiener für dessen Rolle bei seiner Bestellung. Vielmehr enthob er ihn eines seiner wichtigsten Ämter und stellte sich ihm schließlich auch beim Friedensprozess mit den Freimaurern in den Weg. Und zwar auf eine recht unschöne Art.

      Ohne es König zu sagen, erteilte er 1983 Kardinal Ratzinger den Auftrag, im L’Osservatore Romano, der Tageszeitung des Vatikan-Staates, einen Brief zu veröffentlichen.24 Mit dem Inhalt, dass es »nicht die Aufgabe von Ortsbischöfen ist, mit den Freimaurern Gespräche zu führen«. Eine Schmach für Kardinal König, dem nicht als Einzigen klar war, dass mit dem für ihn despektierlichen Wort »Ortsbischof« nur er gemeint sein konnte. Die zu diesem Zeitpunkt bereits weit gediehenen Gespräche mit den Freimaurern fanden damit ein abruptes Ende.

      Doch die Geschichte schlägt immer wieder neue Kapitel auf, und Dinge, die Sinn machen, lassen sich selten für immer verhindern. Heute, bald zwanzig Jahre nach dem Tod von Papst Johannes Paul II., kommt der von Kardinal König angedachte Schulterschluss wieder in Schwung. Unter den Monsignori im Vatikan gibt es einen Freimaurer in der Administration.

       Die Leiter der Sphäre

      Diese zeitgeschichtlich so faszinierenden Vorgänge um die Freimaurer könnten fast davon ablenken, was der Kern der Freimaurerei ist und wie er jedem von uns, in dem der »Boden« dafür bereitet ist, dabei helfen kann, zu werden, was er sein kann. Wie lässt sich die ebenso uralte wie mystische Botschaft der spirituellen freimaurerischen Tradition mit unserer modernen Sprache noch in Worte fassen?

      Einen bemerkenswerten Versuch dazu wagte der bereits genannte Philologe und Autor Lobkowicz, der vor allem mit seinen Erzählungen, die häufig freimaurerische Themen behandelten, bekannt wurde. In seinem Werk Die Legende der Freimaurer25 schreibt er unter der Überschrift »Das große Geheimnis« Folgendes:

      Der Freimaurer, der um das große Geheimnis weiß, besitzt den Hang nach Verbindung mit dem Göttlichen und Unsterblichen, jenes höhere Streben, auch wenn es mit Unterliegen endet, die eigenen Hindernisse und die Knechtschaft der Sinne und Leidenschaften zu überwinden. Die Seele, wenn sie sich befreit hat aus den sie verunstaltenden und entstellenden Auswüchsen, will er wieder ihrer wahren Natur und Gestalt zuführen und schrittweise die mystische Leiter der Sphäre ersteigen lassen, hin zu ihrem Ursprungsort.

      Das richtige Maß ist in diesem Sinne der entscheidende Dreh auf dem Weg nach oben zu Gott. Es ist in der Freimaurerei keine Empfehlung. Es zu finden und zu wahren ist eine zwingende Voraussetzung für das Ersteigen jener sphärischen Leiter.

Von Platon bis Thomas von Aquin

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