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versus Gorilla oder Mensch – Gorilla versus Schimpanse) geben. Interessanterweise finden wir die nächsten Verwandten einiger menschlicher Gene in Gorillas und nicht in Schimpansen. Diese Unterschiede zwischen der Phylogenese der Arten – also [Gorilla × (Schimpanse – Mensch)] – und der Phylogenese einiger Gene – oft [Schimpanse × (Gorilla – Mensch)] oder [Mensch × (Gorilla – Schimpanse)] – lassen sich durch die sogenannte unvollständige Trennung der Linien erklären. Wenn in der Mutterart mehrere Allele desselben Gens (z.B. A und B) existieren, kann man annehmen, dass dieser Polymorphismus auch die Speziation überlebt und beide Tochterarten ihn vererben. Genauso kann ein angestammter Polymorphismus mehrere nacheinander folgende Artbildungen überdauern (z.B. die Speziation Gorilla × Schimpanse – Mensch und auch die folgende Speziation Schimpanse × Mensch), und erst in den einzelnen Tochterarten kommt es zu einer mehrmaligen parallelen Reduktion dieses Polymorphismus. Es kann passieren, dass bei Gorillas ein Allel (z.B. A) fixiert wird, während es bei Menschen und Schimpansen ein zweites Allel (B) sein wird, sodass die Evolution dieses Gens der Evolution der Arten entsprechen wird. Aber so muss es nicht sein. Falls zufälligerweise das gleiche Allel (z.B. A) im Genom der Menschen und der Gorillas fixiert wird, während sich ein anderes Allel (B) im Genom der Schimpansen durchsetzt, wird dieses Gen offensichtlich eine „trügerische“ Evolution liefern (Abb. 2.1). Als ein bekanntes (obwohl erst unlängst voll verstandenes) Beispiel kann das System der Blutgruppen dienen: Der Mensch hat die Allele A und B, Schimpansen tragen A, Gorillas B, Orang-Utans A und B, Gibbons A und B oder B. Diesen Polymorphismus haben sie wirklich von ihren mehrere Zehnmillionen Jahre alten Vorfahren geerbt. Die unvollständige Linientrennung, verbunden mit der Vererbung des angestammten Polymorphismus führt dann zu den gleichen Ergebnissen wie die Hybridisierung.

      Abb. 2.1: Kladogramm der Homininae mit der Darstellung der möglichen Trennung von zwei hypothetischen Allelen, A und B, eines Gens. Im Fall (a) ist das Gen mit beiden Allelen unverändert in alle Linien übergangen und liefert damit selbst keine phylogenetische Information. Im Fall (b) wurde in der Linie Hominini nur das Allel B, in der Linie Gorillini das Allel A fixiert. In diesem Fall spiegelt die Evolution des gegebenen Gens die tatsächliche Phylogenese. Im Fall (c) wurde allerdings in der Gorilla- und Mensch-Linie zufälligerweise das Allel A, in der Schimpansen-Linie das Allel B fixiert, und die nur anhand der Evolution dieses Gens abgeleitete Phylogenese wäre falsch.

      2.1.2 Basale Vormenschen

      Der Anfang der phylogenetischen Linie zum Menschen, also der Zeitpunkt der Abspaltung von der Schwesterlinie zu den Schimpansen, wird auf die Zeit 6–8 mya datiert (Abb. 1.6 und 2.2). Wir können ohne jeden Zweifel annehmen, dass dieses Ereignis in Afrika stattgefunden hat, aber unsere Vorstellung von der geografischen und ökologischen Logik dieses Ereignisses hat sich in den letzten Jahren verändert. Die gemeinsamen Vorfahren der Menschen- und Schimpansenlinie lebten wahrscheinlich in Wäldern und nicht, wie früher angenommen, in Savannen (zugegeben – die Aufteilung unserer Ahnen in Waldschimpansen und Savannenmenschen war schön, elegant und einleuchtend). Der etwa zu gleicher Zeit entstandene Große Afrikanische Grabenbruch (Great Rift Valley) war offenbar doch nicht die Ursache der allopatrischen Speziation der Vorfahren von Schimpanse (westlich des Grabenbruchs) und Mensch (östlich davon). Heutige Schimpansen und Menschen unterscheiden sich deutlich. Daraus darf man indes nicht schließen, dass die zu dieser Divergenz führenden Schritte zielgerichtet waren, dass also die ersten Vorfahren des Menschen schon ein bisschen aufgerichteter, großköpfiger, religiöser, künstlerischer usw. waren, und auch nicht, dass sie in einer waldfreien, lichteren Landschaft lebten. Die Individuen der beiden frisch voneinander abgespaltenen Linien waren sicher kaum voneinander zu unterscheiden.

      Abb. 2.2: Aufspaltung der Stammlinien zwischen afrikanischen Menschenaffen und Menschen. Rechts die Stammlinie, die zur Gattung Homo führt. Auf den kreuzenden Linien sind Vorläufer oder Vertreter von Nebenästen nach dem vermuteten Alter angeordnet. Links, im braunen Feld, das Jahr der Entdeckung ihrer Fossilien bzw. der Beschreibung der jeweiligen Vormenschengattungen bzw. (Unter-)Arten. (mya = million years ago).

      Die paläontologischen Belege über die Anfänge der menschlichen Linie sind sehr fragmentarisch (siehe auch Box 2.2 und 2.3, Tab. 2.1, Abb. 2.2 bis 2.4). Sie werden durch zwei basale miozäne Formen repräsentiert: Sahelanthropus tchadensis (bekannt als „Toumaï“, Tschad, ca. 7 mya) und Orrorin tugenensis (Kenia, 6 mya).

      Abb. 2.3: Fundorte der fossilen afrikanischen Hominiden. Die horizontalen Balken in der rechten Hälfte der Tabelle stellen das Alter der Fossilien in mya (1–7) dar. Fossilien von basalen Vormenschen, Australopithecinen, Angehörigen der Gattung Paranthropus, basalen Homo-Arten und von H.ergaster sind mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet.

      Abb. 2.4: Übersicht über die bekannten Vor- und Urmenschenarten. Die horizontalen Balken stellen für jede Art die Zeitspanne ihrer Existenz dar (in Bezug auf die Zeitskala).

      Box 2.2

      Chronologie der paläoanthropologischen Entdeckungen

      Oft wird behauptet, Darwin habe gesagt, der Mensch stamme vom Affen ab. Doch die Aussage stimmt so nicht: Er postulierte vielmehr, dass der Mensch und die heute lebenden Menschenaffen einen gemeinsamen Vorfahren hätten. Dieses Missverständnis war – und ist es auch noch heute – ein Grund, weshalb manchen Leuten Darwins Evolutionstheorie missfällt. Charles Darwin formulierte 1871 die Ansicht, die afrikanischen Menschenaffen stünden dem Menschen verwandtschaftlich am nächsten und die Wiege der Menschheit liege in Afrika. Zu seiner Zeit waren allerdings noch keine Fossilien von Urmenschen aus Afrika bekannt. Als erster fossiler Urmensch wurde der Neandertaler (Homo neanderthalensis) im Neandertal bei Düsseldorf gefunden und als solcher erkannt (1856). Ernst Haeckel brachte 1868 den hypothetischen Vormenschen Pithecantropus („Affenmensch“) in die Diskussion, der auch das fehlende Übergangsglied („missing link“) zum modernen Menschen darstellen sollte. Der erste Pithecanthropus wurde 1891 auf Java entdeckt und später dem Homo erectus zugeordnet. Erst 1924 fand man erste Überreste von Vormenschen (Australopithecus africanus) in Südafrika. Fortan galt Südafrika als Wiege der Menschheit, bis die Leakeys (siehe Box 2.3) 1959 in Ostafrika Fossilien eines Vormenschen entdeckten, der später als Homo habilis bekannt wurde.

      Die meisten spektakulären paläoanthropologischen Funde stammen aus Ostafrika (Tansania, Kenia, Äthiopien), wobei viele erst in der letzten Dekade (ab 1999) beschrieben worden sind. Unerwartete paläoanthropologische Entdeckungen machte man während der letzten Jahre aber auch in Malawi, im Tschad sowie außerhalb Afrikas – in Spanien, Georgien und auf der Insel Flores in Südostasien (Abb. 1.10). Allerdings wurden bislang keine vormenschlichen Fossilien (Australopithecus etc.) außerhalb Afrikas entdeckt. Die ältesten Urmenschfossilien (Gattung Homo) stammen aus Afrika, manche sind auf Afrika beschränkt. Auch molekularbiologische Befunde unterstützen den afrikanischen Ursprung der Menschen.

      Box 2.3

      Paläanthropologie und ihre Vertreter

      Paläoanthropologie ist ein Teilgebiet der Anthropologie und der Paläontologie und befasst sich mit der Suche nach und der Untersuchung von fossilen Hominiden und der Rekonstruktion ihrer Stammgeschichte, Evolution und Lebensweise anhand von Fossilien. In letzter Zeit werden die klassischen paläontologischen Methoden und Befunde durch paläogenetische Ansätze bedeutend ergänzt (Box 3.3).

      Zu den weltweit bekanntesten Paläoanthropologen zählt zweifellos die Familie Leakey.

      Louis Seymour Bazett Leakey (1903–1972), kenianischer Paläontologe, Paläohistoriker, Archäologe, Naturschützer britischer Herkunft, spielte zusammen mit seinen Angehörigen, vor allem mit seiner Frau Mary, seinem Sohn Richard und seiner Schwiegertochter Meave, die zentrale Rolle bei der Durchsetzung der Theorie der afrikanischen (insbesondere ostafrikanischen) Herkunft der Menschheit. Auf das Konto der Familie Leakey gehen viele wichtige Entdeckungen (Ausgrabungen und Erstbeschreibungen) von fossilen

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