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des Christentums in der Geschichte. Die GeschichtsforschungGeschichtswissenschaft, Geschichtsforschung möchte wissen, „wie es wirklich gewesen ist“ (Leopold von RankeRanke, Leopold von [1795–1886]). Im Unterschied hierzu sind die gegenwartsbezogene Disziplinen der Theologiegegenwartsbezogenen theologischen Fächer an normativen Fragen interessiert. Sie fragen nach dem wesentlich Christlichen vor dem Hintergrund der Geschichte des Christentums und der jeweiligen Gegenwart.

      Seit der europäischen Aufklärung sind die historischen und gegenwartsorientierten Disziplinen der Theologie in einen Gegensatz getreten. Die Etablierung der historisch-kritischen Methodehistorisch-kritische Methode in der protestantischen TheologieTheologieevangelische, protestantische im letzten Drittel des 18. Jahr[8]hunderts befreite die Auslegung der biblischen Schriften von den Vorgaben der DogmatikDogmatik. Die Bibel kam dadurch als ein rein religionsgeschichtliches Dokument in den Blick. Zu deren Verständnis bedarf es der Kenntnis der Sprachen, in der sie verfasst wurde, sowie eines religionskulturellen Wissens über die Religionen des alten Orients, ihrer Transformation im Zeitalter des *Hellenismus etc. Mit der Einordnung der Bibel in die Geschichte wird deren normative Geltung aufgelöst. Die biblischen Schriften sind ebensolche religionsgeschichtlichen Dokumente wie der KoranKoran oder die heiligen Texte der indischen ReligionReligionindischeen. Die Frage nach dem Wesen des ChristentumsWesen des Christentums, nach dem in unserer Zeit Verbindlichen lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mehr mit einem Verweis auf die Bibel beantworten. Es besteht eine Differenz von Geschichte und NormativitätNormativität, von Genesis und Geltung.

      Allerdings fällt der Unterschied zwischen den historischen und den gegenwartsorientierten Disziplinen der Theologie nicht einfach mit dem zwischen Geschichte und Geltung zusammen. Jedes Bild der Geschichte ist eine gegenwartsbezogene Konstruktion. Der Historiker konstruiert seine Sicht der Vergangenheit stets im Ausgang von seiner eigenen Gegenwart. Deshalb fließen in jedes Geschichtsbild Interessen, Überzeugungen und Normen ein, die nicht der Vergangenheit entnommen sind und die ihr Gemälde erst zu einem sinnvollen Zusammenhang formen. Die Konstruktion der Geschichte erfolgt selbst schon in einem gegenwartsbezogenen Interesse. Sodann entstehen alle Normen und Überzeugungen in der Geschichte. Wer heute über die Identität des Christlichen nachdenkt, der nimmt Denkweisen, Begriffe und Modelle in Anspruch, die selbst geschichtlich geworden sind. Schon die Sprache, in der das wesentlich Christliche formuliert wird, verdankt sich einer bereits vorgegebenen Kultur. Die Spannung zwischen Historie und Geltung lässt sich folglich nicht einfach auf die historischen und gegenwartsbezogenen Disziplinen der Theologie verteilen. Sie tritt in jeder von ihnen selbst noch einmal auf.

      Der angedeutete der methodische Zirkel des Verstehensmethodische ZirkelZirkel des Verstehens – jedes Bild der Vergangenheit ist eine gegenwartsbezogene Konstruktion, und zugleich ist diese selbst das Resultat der Geschichte – wird in der Systematischen Theologie zum Thema der theologischen Reflexion. Ihre Voraussetzung ist die Geschichte der Theologie, [9]wie sie von historischen Disziplinen bearbeitet wird. Das Interesse an der Geschichte ist freilich kein rein historisches. Vielmehr geht es der Systematischen Theologie um eine Bestimmung der Identität des Christentums auf der Grundlage von dessen geschichtlicher Entwicklung und in Auseinandersetzung mit ihrer jeweiligen Gegenwart. Diese Aufgabe kann sie allein in Zusammenarbeit mit den anderen theologischen Disziplinen sowie im Gespräch mit nichttheologischen Fächern erfüllen.

      Literatur

      Ingolf U. Dalferth: Evangelische TheologieTheologieevangelische, protestantische als Interpretationspraxis. Eine systematische Orientierung, Leipzig 2004.

      Hermann Deuser: Kleine Einführung in die Systematische Theologie, Stuttgart 1999, S. 177–184.

      Wilfried Härle: Dogmatik, Berlin/New York 22000, S. 3–45.

      Wolfhart Pannenberg: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a.M. 1987.

      Friedrich SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen (1811/1831), hrsg. v. Dirk Schmid, Berlin/New York 2012.

      Konrad Stock: Die Theorie der christlichen Gewißheit. Eine enzyklopädische Orientierung, Tübingen 2005.

      Aufgaben

      1 Informieren Sie sich anhand der Kleine[n] Einführung in die Systematische Theologie von Hermann Deuser über die Gliederung der Theologie und die Aufgabe einer theologischen Enzyklopädie.

      2 Lesen Sie den Abschnitt aus Wilfried Härles Dogmatik über die TheologieTheologie als Wissenschaft.

      3 Schreiben Sie einen Essay zur Stellung der Systematischen Theologie im Kontext der Theologie.

      1.4 Die Gliederung der Systematischen Theologie

      Die Systematische Theologie umfasst als akademisches Fach verschiedene Unterdisziplinen der Systematischen TheologieUnterdisziplinen, die sich im Prozess der Ausdifferenzierung der Theologie herausgebildet haben. An den protestantischen Fakultäten werden vor allem drei Einzeldisziplinen unter dem Obertitel zusammengefasst: Religionsphilosophie, Dogmatik und EthikEthik. Alle drei haben sich erst in der Neuzeit als selbständige Disziplinen im akademischen Lehrbetrieb etabliert. In der Geschichte des Fachs zählte man allerdings noch weitere Disziplinen zu ihr. So bildete sich in der ReformationszeitReformation, Reformationszeit im Zusammenhang mit der Entstehung des protestantischen Dog[10]matikunterrichts die sogenannte PolemikPolemik heraus. Sie widmete sich der Auseinandersetzung mit den von der eigenen KonfessionKonfession abweichenden Lehrauffassungen. Mit dem Nachlassen der Prägekraft von konfessionellen Differenzen in der Aufklärungszeit wurde die Polemik in die KonfessionskundeÖkumenik, Konfessionskunde beziehungsweise Ökumenik überführt. Letztere bildet auch in der Gegenwart einen Bestandteil des Studiums der Systematischen Theologie an protestantischen Fakultäten. Aus der im 19. Jahrhundert entstandenen MissionswissenschaftMissionswissenschaften wurde im 20. Jahrhundert die ReligionswissenschaftReligionswissenschaft, die sich als eigenständige Disziplin sowohl an als auch außerhalb von theologischen Fakultäten etabliert hat. Ebenfalls in der Zeit der Aufklärung entwickelte sich in Auseinandersetzung mit dem modernen Zeitgeist die sogenannte ApologetikApologetik. Ihr oblag die Verteidigung des christlichen Glaubens gegenüber der Kritik seitens der modernen NaturwissenschaftenNaturwissenschaft oder des neuzeitlichen AtheismusAtheismus. Vor allem in der römisch-katholischen Theologie formierte sich hieraus die sogenannte FundamentaltheologieFundamentaltheologie. Deren Aufgabe besteht in der Demonstration der Vernunftgemäßheit der GlaubenslehreGlaubenslehre der Kirche. Auch in der protestantischen TheologieTheologieevangelische, protestantische haben sich in den letzten Jahrzehnten die Stimmen gemehrt, so etwas wie eine evangelische Fundamentaltheologie im akademischen Lehrbetrieb zu institutionalisieren. Bislang ist in dieser Frage jedoch noch kein Konsens erreicht.

      1.4.1 ReligionsphilosophieReligionsphilosophie

      Zu den klassischen Unterdisziplinen der Systematischen Theologie im Protestantismus gehört die Religionsphilosophie. Als ein eigenständiges akademisches Fach ist diese erst in den 1790er Jahren an deutschsprachigen Universitäten entstanden. Sie setzt die Kritik an der überlieferten *Metaphysik und *theologia naturalis (natürliche TheologieTheologienatürliche) durch Immanuel KantImmanuel KantKant, Immanuel (1724–1804) voraus. In seiner 1781 erschienenen Kritik der reinen Vernunft hatte der Königsberger Philosoph den Nachweis erbracht, dass Gott von der menschlichen Vernunft nicht erkannt werden könne. Intersubjektiv geltende Erkenntnis ist aufgrund ihrer beiden Quellen Anschauung und BegriffAnschauung und Begriff nur im Bereich der Erfahrung möglich. Aus dem Umfeld möglicher Erkenntnisgegenstände schieden damit die über die Erfahrung hinausgehenden göttlichen Dinge [11]aus. Hier knüpft die Religionsphilosophie an. Sie fragt nach dem Gottesverhältnis des Menschen und nicht mehr wie die natürliche Theologie nach einem metaphysischen Gottesbegriff. In der Philosophie der Religion kommt es also zu einer Perspektivenverschiebung. Deshalb ist die Religionsphilosophie keine einfache Fortsetzung der überlieferten Metaphysik und ihres Gottesgedankens. Sie hat mit dem religiösen Bewusstsein ein eigenes Thema.

      Die die Aufgabe der ReligionsphilosophieReligionsphilosophie erkundet die Religion

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