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man die regionalen Gegebenheiten nicht kennt.

      Stattdessen lässt sich aus öffentlich verfügbaren Daten eine konsistent interpretierbare Maßzahl für die Marktposition berechnen: Dazu modelliert man zuerst die lokale Krankheitslast aus der Bevölkerungsdichte, den regionalen Demografiedaten und Inzidenztabellen. Dann berechnet man die Pkw-Fahrzeit aller modellierten Patient:innen zu allen passenden Versorgern. Nimmt man nun an, dass die Patient:innen mit größerer Wahrscheinlichkeit ein nahegelegenes Haus aufsuchen als ein weiter entferntes, so kann man simulieren, wie sich die Patient:innen auf die relevanten Versorger aufteilen würden, wenn die Fahrzeit das entscheidende Kriterium wäre. Daraus ergibt sich eine modellierte Patientenzahl pro Haus, die die regionale Krankheitslast sowie die Lage und Verteilung der Mitbewerber repräsentiert. Liegt nun die berichtete Fallzahl eines Hauses über seiner modellierten, so zeigt dies eine starke Marktposition an – das Haus zieht mehr Patient:innen an als erwartet. Liegt sie darunter, präferieren die Patient:innen eher weiter entfernt liegende Häuser, was eine schwächere Marktposition zeigt.

      Dieses neu berechnete Maß für die Marktposition kommt ohne die willkürliche Festlegung von Einzugsgebieten aus und ist zwischen ländlichen Regionen und Ballungsgebieten direkt vergleichbar. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Wir berechnen, dass sowohl das UKE in Hamburg als auch das Krankenhaus Damme jeweils etwa 50% mehr Fälle berichten, als wir es anhand der Modellrechnung erwarten würden. Beide Häuser spielen also eine ähnlich wichtige Rolle in der Versorgung, bezogen auf ihr jeweiliges Patientenspektrum (welches an der Uniklinik wesentlich breiter ausfällt), die regionale Bevölkerungsstruktur und die Zahl der Mitbewerber.

      2.6 Matrixanalysen liefern den strategischen Überblick

      Im nächsten Schritt kann aus der berechneten Marktposition und der Marktentwicklung (inklusive demografischer Prognose) eine umfassende Matrixanalyse erstellt werden. Sie liefert den strategischen Überblick über jedes Krankenhaus. Diese stellt zudem den Erlös pro Fachdisziplin dar, den man aus öffentlichen Daten schätzen kann. So kann man die strategische Position der einzelnen Fachbereiche ablesen und die gesamte Ausrichtung eines Hauses zuverlässig überblicken.

      Abb. 2 Matrixanalyse eines Grund- und Regelversorgers mit einer Spezialisierung in der Kardiologie. Diese Darstellung erlaubt einen guten Überblick über die strategische Position des Hauses. Ihre Einfachheit steht im Kontrast zu den komplexen Algorithmen ihrer Berechnung. Es müssen u.a. fünf der in Abbildung 1 gezeigten Datenquellen miteinander kombiniert werden, um die Marktposition zu berechnen. Dazu kommt noch die Berechnung der Demografieprognose und der Case-Mix-Punkte für das Patientenspektrum des Hauses.

      Abbildung 2 zeigt ein Beispiel einer solchen Analyse. In diesem Beispiel gelingt es dem Haus, in vielen Bereichen mehr Fälle zu versorgen, als man es angesichts der Bevölkerungsdichte und des Wettbewerbsumfeldes erwarten würde. Insbesondere bei der Kardiologie nehmen Patient:innen einen weiteren Weg in Kauf, um sich an diesem Haus behandeln zu lassen. Auch trägt die Kardiologie die meisten Case-Mix-Punkte zum Gesamtergebnis bei.

      2.7 Mit öffentlichen Daten mehr Transparenz schaffen

      Den Ministerien und Planungsbehörden der Länder stehen besondere Datenquellen zur Verfügung. Beispielsweise wurde das Gutachten „Krankenhauslandschaft Nordrhein-Westfalen“ von 2019 auf Basis der Leistungsdaten gemäß § 21 KHEntgG aller Krankenhäuser in NRW erstellt. Mittels solcher Daten können Analysen erstellt werden, die in ihrer Spezifität über das hinausgehen, was mit öffentlichen Daten erreicht werden kann.

      Problematisch wird es, wenn die Ergebnisse solcher Gutachten kommuniziert werden sollen: Da sie auf nichtöffentlichen Daten der Häuser beruhen, werden die Ergebnisse nur stark vereinfacht dargestellt. Aussagen über einzelne Häuser sind nicht möglich, und eine transparente Diskussion ist erschwert. Außerdem beschränkt sich eine solche Analyse zwangsweise auf ein Bundesland.

      Jedoch wenn man – wie in diesem Beispiel aus NRW – die Leistungsgruppensystematik auf Basis öffentlicher Daten nachvollzieht, können alle Ergebnisse kommuniziert und länderübergreifend diskutiert werden. Auf diese Weise schafft die Nutzung öffentlicher Daten mehr Transparenz in der deutschen Krankenhauslandschaft.

      2.8 Komplexe Analysen mit passenden Werkzeugen

      Die hier vorgestellten Berechnungen sind komplex, da sie die gemeinsame Analyse einer Vielzahl von Datenquellen erfordern, relativ große Datenmengen verarbeiten und fortgeschrittene Algorithmen nutzen. Aber während teures Equipment benötigt wird, um Öl zu fördern, sind alle Werkzeuge frei verfügbar, mit denen öffentliche Daten veredelt werden können (Näheres dazu in den „Anmerkungen“; s. unten). Wer sie beherrscht, schmiedet aus diesem nicht versiegenden Rohstoff erleuchtende Analysen. Mit dem neu gewonnenen Wissen können sich Krankenhäuser in der Zukunft gut aufstellen und ihre Patientenversorgung optimieren.

      2.9 Anmerkungen von Nerd zu Nerd

      Für qualitativ hochwertige Ergebnisse in der Datenanalyse sollte man sich an den Best Practices der Softwareentwicklung orientieren. Dazu gehört die Versionskontrolle aller Verarbeitungsschritte und die komplette Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit der Datenverarbeitung. Daneben sind automatische Tests unabdingbar, um Fehler zu minimieren: Tests einzelner algorithmischer Komponenten (Unit- und Integration-Tests) und Konsistenzchecks auf allen Zwischen- und Endergebnissen. Bei diesen Anforderungen stoßen gängige Tabellenkalkulationsprogramme und Business Intelligence Tools schnell an ihre Grenzen, unter anderem weil automatische Tests und Versionskontrolle nur schwer zu realisieren sind.

      Zum Glück steht aus der Open Source Community eine breite Palette exzellenter Werkzeuge zur Verfügung. Insbesondere die Programmiersprache Python mit ihrem großen Ökosystem an Paketen hat sich als De-facto-Standard für die Datenanalyse etabliert.

       3

       Die Rahmenbedingungen des Gesetzes

       Ecky Oesterhoff

      Der 29. Oktober 2020 beschreibt einen besonderen Tag für die Krankenhäuser in Deutschland und auch sogar noch über deren stationäre Grenzen hinaus. Vermutlich war auch nicht allen Entscheidungsträger:innen an diesem „Tag eins“ des Krankenhauszukunftsgesetzes klar, wie sehr die dort gelisteten Förderthemen das Geschehen in der Digitalisierung der Versorgung auf viele Jahre bestimmen werden.

      Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden ausgewiesene Expert: innen aus der Praxis auf die Chancen und Aspekte der einzelnen Fördertatbestände eingehen.

      Durch das gesamte Gesetz zieht sich ein Grundgedanke: Die Krankenhäuser sollen gestärkt werden, und zwar insbesondere in den Gebieten, die den Patient:innen und Angestellten zugutekommen. Der Vorgang der direkten Investitionsförderung durch den Bund in IT & Digitalisierung im stationären Bereich ist einmalig. Gleichzeitig wird aber auch nicht nur gefördert, sondern eben auch gefordert – und dies unabhängig davon, ob ein Haus Mittel aus dem KHZG-Topf beantragt. Die ganz wesentlichen Voraussetzungen, um überhaupt eine Bedarfsmeldung stellen zu können, ist einfach: Das Haus muss im Bettenplan des Bundeslandes (§ 8 KHG) gelistet sein, also einen stationären Versorgungsauftrag für die Patient:innen erfüllen. Dies bedeutet also, dass alle regulären Krankenhäuser generell Zugang zu den Mitteln haben. Hier sei darauf hingewiesen, dass es keinen expliziten Anspruch auf die Förderung gibt, der gesetzlich festgeschrieben ist, da letztlich das BAS (Bundesamt für Soziale Sicherung) über die Bewilligung der Mittel entscheidet. Auf der anderen Seite stehen die Mittel beispielsweise Rehakliniken, Pflegediensten,

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