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als seien es Bausteine, aus denen sich das Leben beliebig kombinieren ließe. Man dachte sich den menschlichen Körper aus vielen Organen zusammengesetzt, die aus vielen Zellen bestehen. Diese teilte man später in ihre kleinen Elemente bis in abgeteilte Gene als Bausteine der Erbinformation, mit denen schließlich heute biotechnologische Genmanipulation betrieben wird. In der weiteren Entwicklung verlor man das Miteinander bei Einzeller und Mensch völlig aus dem Blick. Man dachte, der Mensch könne nur überleben, wenn er sich vor Bakterien schützt. Diese Vorstellung ging mit einer allgemeinen Entfremdung vom Zusammenleben mit der Natur einher, die der schleichende Verlust bäuerlicher Landwirtschaft und die fortschreitende Industrialisierung mit sich brachten. Gespeist wurde dies wie gesagt aus einem Geist der Trennung, untermalt von der Idee des Kampfs aller Teile um ein Überleben ihrer selbst.

      Dieses Denkmodell und Menschenbild ist noch immer weit verbreitet, obwohl es längst überholt ist. Gute Hygiene, so folgte aus dieser Idee, besteht in weitgehender Befreiung des Lebens von Bakterien. Daraufhin setzte sich der Glaubenssatz »Steril ist gesund« in den Köpfen und Handlungen der allermeisten Menschen fest.

      Dieses im 19. Jahrhundert entstandene Lebensbild von Bakterien ist ein mit großer Tragweite für die Weltgesundheit entstandener Irrtum mit unerfassbaren Folgen für das Leben und die Zukunft der gesamten Erde.

      Antibiotische Mittel: Ein Missverständnis

      Nachdem Bakterien zu Krankheits»erregern« von Infektionskrankheiten erklärt worden waren, die nicht nur Wundheilungsstörungen verursachten, wie man bereits länger glaubte, sondern auch Erkrankungen innerer Organe, suchte man nach Wegen, um sie im Körper zu beseitigen. 1877 hatte man die bakterientötende Wirkung von UV-Strahlen und 1892 die von elektrischem Licht entdeckt. Man unternahm mit Körperteilen Versuche zur Bakterienvernichtung durch Röntgenstrahlen und Uran, mit Radium und spezifischen Wellenspektren, mit α- und γ-radioaktiven Strahlen, mit Kurzwellen, Hochfrequenzströmen und mit elektrischem Gleichstrom.31 Sie alle scheiterten daran, dass der Mensch dabei zu große Schäden litt, bis die Bakterien wie gewünscht beseitigt waren.

      Gleichzeitig suchte man nach bakterientötenden chemischen Stoffen. Der Erste, der ein chemisches Mittel gegen körperinnere Lebewesen entwickelte, war der Pathologe Albert Adamkiewicz (1850–1921). Er ging davon aus, dass Krebs von einem Parasiten namens Coccidium sarcolytus hervorgerufen werde, und entwickelte dagegen im Jahr 1890 aus Leichengift das »Cankroin«.32 Sein Werk wurde allerdings kaum gewürdigt.

      In einem Arzneimittelbuch von 191633 werden noch vier Wege aufgezählt, Infektionskrankheiten zu behandeln: die vorsorgliche »Abhaltung der Organismen vom Körper«, die »Zustandsverbesserung der befallenen Organe«, eine »Bindung der produzierten Toxine« oder eine »unmittelbare Wirkung auf die Mikroben«. Vier Wege also, Heilung zu bewirken. Im Text behandelt wird jedoch nur der letzte. Dafür unterschied man »Antiseptika«, die bakterielles Leben hemmen, von den »Desinficientia«, die Bakterien töten. Zur Entfernung der »Fäulniserreger« aus dem Darm werden kräftige Abführmittel empfohlen.34 Die anderen drei Heilungsansätze werden nirgends weiter ausgeführt. Damit beschränkte sich die Arzneimittellehre auf die Beseitigung der Bakterien.

      Die große Schwierigkeit dabei bereitete die generelle Wirkung der dazu eingesetzten Desinfektionsmittel, die nicht bloß die Einzeller, sondern zugleich auch Körperzellen schädigten. Man überlegte sogar, verschiedene Antiseptika gemischt anzuwenden, die alle zusammenauf Bakterien wirken, aber dabei verschiedene Körperorgane je nur ein bisschen schädigen. Darauf, eine Mischung verschiedener Einzeller als Heilmittel einzusetzen (siehe Seite 242ff.), wäre man im damaligen Denken im Traum nicht gekommen.

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