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      »Schsch«, machte Pfeffer. »Noch wissen wir nicht, woran er gestorben ist. Vorerst interessiert mich, warum Sie noch so spät abends hier in der Arbeit sind?«

      »Ich sollte doch diesen Stoff rot färben«, sprudelte es aus ihr heraus. »Und ich wollte ihn ursprünglich über Nacht im Färbebad lassen, aber dann habe ich mir doch Sorgen gemacht, weil ich noch nie gefärbt habe und der Stoff schon seit sechs Stunden im Bad war, und da habe ich die Kostümassistentin angerufen und die hat mir gesagt, dass das reicht und ich den Stoff sofort rausholen und aufhängen soll, und da bin ich dann hergefahren mit meinem Fahrrad, und da habe ich mich schon gewundert, dass Licht an ist, denn ich war mir sicher, dass ich das ausgemacht habe, als ich gegangen bin, und dann lag der Mann mit dem Kopf im Waschbecken, in dem ich meinen Stoff … Dass es der Herr Bloch ist, habe ich nicht gesehen. Wirklich nicht.« Sie schluckte und begann zu weinen.

      »Schon gut, Frau …«, Pfeffer wusste nicht, ob er den Namen der Blassen gehört hatte, wusste aber, dass die Kollegen die Aussage bereits protokolliert hatten. »Am besten, Sie gehen jetzt nach draußen und schnappen ein wenig frische Luft. Oder Sie gehen gleich heim.«

      Die Blasse sah Pfeffer mit großen Augen an und entfernte sich dann.

      »Schöner Chemikaliencocktail«, sagte Doktor Gerda Pettenkofer gelassen zu Max Pfeffer und deutete auf die rote Brühe, die in der einen Spülenhälfte stand. »Hier, die schreiben auf ihre Packungen, dass das Zeug ätzt. Aber hallo.« Sie hielt eine Blechdose hoch, die Färbepigmente für Stoffe enthielt. »Was genau drin ist, schreiben sie allerdings nicht. Aber so, wie der Tote aussieht, braucht man das auch nicht wissen. Kein Wunder, dass der Mann hier nicht mehr den gesündesten Teint hat.«

      »Wie war die Auffindesituation?«, fragte Pfeffer.

      »Er steckte mit dem Oberkörper in dem Färbetrog. Hier, Kopf, Schultern und Oberkörper bis fast zu den Brustwarzen waren im Farbbad. Die Arme hingen mit dem Rest des Körpers über den Rand nach außen. Der Mann muss also vornüber in den Trog gefallen sein. Ohne sich dabei mit den Händen abzufangen.« Die Rechtsmedizinerin stemmte die Arme in die Seiten. »Wenn du mich fragst, ist das schon ein wenig ungewöhnlich.«

      »Vielleicht ist ihm bei den Chemiedämpfen hier schlecht geworden, und er ist deshalb …«, überlegte Pfeffer laut.

      »Nein, Maxl, ist er nicht.« Gerda Pettenkofer schwieg einen Moment und legte den Zeigefinger auf den Mund, damit auch Pfeffer nichts sagte. »Hörst du? Der Abzug läuft.« Sie deutete zur Decke, dort hingen wie futuristische Trockenhauben zwei Plexiglasglocken an langen Metallschläuchen.

      »Eben wegen der Chemikalien muss immer der Abzug laufen, damit niemand ohnmächtig wird oder sich die Atemwege verätzt«, mischte sich da ein großer blonder Mann ein, der sich die ganze Zeit ein wenig bleich neben der Eingangstür aufgehalten hatte. »Normalerweise sind die Fenster beim Färben zusätzlich geöffnet oder wie jetzt gekippt.«

      »Danke, und Sie sind?«, fragte Pfeffer.

      »Sebastian Oßwald.« Der Mann schüttelte ihm die Hand. Er mochte Mitte dreißig sein. »Ich bin Gewandmeister hier am Resi, also am Residenztheater. Sepp, Joseph Bloch war mein Kollege. Man hat mich verständigt, dass ich kommen soll. Ich bin nun für die Herrenwerkstatt, also die Herrenkostümabteilung verantwortlich.«

      »Danke, Herr Oßwald«, sagte Pfeffer. »Das muss natürlich ein Schock für Sie sein.«

      »Ja und nein. Dass er sich irgendwann totsäuft, war uns allen klar. Und die Gefahr, dass er dabei auch noch in den Farbtopf fällt … also, ehrlich gesagt, wundert es mich, dass das nicht schon viel früher passiert ist.«

      »Wie meinen Sie das?«

      Sebastian Oßwald zögerte und sah auf die Leiche, deren Konturen sich unter der Plane abzeichneten. Dann forderte er Pfeffer auf, ihm zu folgen, und ging durch eine Verbindungstür in den Nebenraum, in dem zwei monströse Waschmaschinen und große Schränke voller Färbemittel standen. Von hier führte eine weitere Tür in den Spritzraum. Auch hier Regale voller Farben und Pigmente. Dazu Spritzpistolen und eine gewaltige Absauganlage. »Kann ich hier schon was anfassen?«, fragte Sebastian Oßwald und bückte sich neben der farbbekleckerten Werkbank, die ganz am Ende des Raums stand.

      Pfeffer nickte, die Spurensucher hatten diesen Teil des Raums bereits gecheckt.

      Der Gewandmeister öffnete eine der Schubladen unten an der Werkbank und zog sie ganz heraus. Er kniete sich auf den Boden, beugte sich vor und langte mit dem Arm hinein. Fast der ganze Arm verschwand in der Tiefe der Aussparung. Als er ihn wieder herauszog, hielt er eine große Flasche Jägermeister in der Hand. »Da ist noch eine drin«, sagt er. »Sepp hat gedacht, dass niemand sein Geheimversteck kennt. Jeder kannte es. Die verkürzte Schublade hat er sich mal von einem Spezl in der Tischlerei anfertigen lassen.« Er langte noch einmal hinein und zog die zweite Flasche Kräuterschnaps hervor.

      »Ich glaube, Sie fassen jetzt doch nichts mehr hier an«, sagte Max Pfeffer trocken. »Die Spurensicherung sollte da noch mal ran.«

      »Es ist doch ein Unfall gewesen, oder? Warum machen Sie eigentlich einen solchen Aufwand?« Die beiden Männer verließen den Spritzraum, passierten den Waschmaschinenraum und blieben im Färberaum vor den raumhohen Regalen voller Farben stehen.

      »Weil die Art, wie Ihr Kollege ums Leben gekommen ist, durchaus auch die Möglichkeit einer Fremdeinwirkung zulässt. Natürlich sieht es nach einem Unfall aus, aber er könnte in den Farbbottich gestoßen worden sein.«

      »Stimmt. Wäre nicht unwahrscheinlich.«

      »Wie darf ich das verstehen?«

      »Ach, vergessen Sie’s. Ich und mein loses Mundwerk.« Sebastian Oßwald machte eine wegwerfende Handbewegung und kratzte sich dann an der Nase. »Tut mir leid. Ich klinge für Sie total herzlos, aber ich weiß nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Er war mein Kollege seit zwei Jahren, und ich hatte kein besonders gutes Verhältnis zu ihm. Niemand hatte ein gutes Verhältnis zu ihm. Ich kann Ihnen gerne beizeiten mehr darüber erzählen.«

      »Ich bitte darum.«

      »Es ist nur so … bei mir ist noch nie jemand gestorben, den ich gut kannte oder dem ich irgendwie nahestand. Und sei es nur als Kollege. Es ist der erste Tote in meinem Umkreis. Und alles, was ich kann, ist sarkastische Bemerkungen fallen lassen.«

      »Das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte Pfeffer. »Jeder reagiert anders. Sagen Sie, diese Praktikantin, die den Toten gefunden hat, seit wann ist die bei Ihnen?«

      »Die ist gar nicht bei uns. Die ist von der Oper. Wir teilen uns hier die Räume mit der Staatsoper. Ist ja gleich nebenan.« Er deutete auf das Regal an der linken Wand. »Das sind alles Opern-Farben.« Er zeigte auf das Regal rechts. »Die dort drüben sind unsere. Darf ich nun gehen, oder brauchen Sie mich noch?«

      »Ich hätte schon noch einige Frage über Ihren Kollegen an Sie.«

      »Muss das hier sein?«

      »Nein.« Pfeffer sah den jungen Mann an. Der blickte mit seinen grünen Augen tief in Pfeffers rehbraune. Den entscheidenden Tick zu lange, wie er schnell merkte. Sebastian Oßwald senkte verlegen den Blick.

      Pfeffer schmunzelte und fuhr fort: »Nein, natürlich muss das nicht hier sein. So schnell geht das sowieso nicht. Es kann auch gut sein, dass gar keine Frage offenbleiben. Wenn zum Beispiel die Obduktion ergibt, dass keinerlei Fremdeinwirkung vorliegt.«

      »Ah so.« Sebastian Oßwald grüßte lässig. »Sie wissen im Zweifelsfall ja, wo Sie mich finden können.«

      »Warten Sie bitte«, sagte Pfeffer. »Zeigen Sie den Kollegen von der Spurensicherung noch den Arbeitsplatz Ihres Kollegen? Danke.«

      »Sahneschnitte«, sagte Annabella Scholz, als sie zu ihrem Chef trat und dem Gewandmeister hinterhersah.

      »Das kannste laut sagen«, raunte Max Pfeffer. Er fand, dass er sich gut im Griff hatte, dafür dass er bekifft war.

      »Wer war das?«

      »Der Gewandmeister.«

      »Und

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