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Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz
Читать онлайн.Название Die wilde Reise des unfreien Hans S.
Год выпуска 0
isbn 9783940839541
Автор произведения Martin Arz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Und weiter?«, fragte Hans gespannt. »Wie geht die Sache aus?«
»Das hängt ganz von deinem Herrn ab!«, sagte der Bote und leerte den letzten Tropfen Wein. »Momentan sieht es so aus: Die Weißen Hammel unter Uthman belagern wieder die Stadt Sebast. Die Stadt will sich nicht ergeben. Mir Ahmad von Amasya wünscht sich, dass Sultan Bayezid eingreift. Und darum reite ich hier kreuz und quer durch Anatolien und lass mich wie ein Depp von einem Ort zum anderen schicken. Wenn ich den Sultan eingeholt habe, mein Lieber, dann kannst du dich schon mal darauf einstellen, dass ihr Bursa nicht so schnell wiedersehen werdet. Dann sehen wir uns vor Sebast wieder. So, ich muss dann weiter. Ich möchte aber kurz noch mein Pferd abkühlen.«
»Außerhalb der Stadt ist ein Bach«, erklärte Hans und führte ihn vor das Tor. »Richtung Westen kommst du bald an eine kleine Baumgruppe. Kastanien. Da noch ein Stückchen weiter nordwärts hat der Bach eine Furt. Die haben auch unsere Reiter als Rossschwemme genutzt.«
»Ach, Mann«, stöhnte Yorick abends. »Schon wieder irgendwo irgendwen verjagen, damit irgendwer anderes auf den Thron kann.«
»Soldatenschicksal«, antwortete Hans.
»Ich will zurück nach Bursa, verdammt noch mal. Hoffentlich kommen wir nach Sebast zurück nach Bursa! Hörst du, Gott? Tu mal was. Bursa ist wenigstens kein solches Nest wie das da hier.«
Sie hocken auf der Erde vor ihrem Zelt und tranken Minztee. Max kehrte eben von seinem Wachdienst im Palast zurück. Wortlos hockte er sich zu seinen Freunden. Hans reicht ihm einen Tee. Max schlürfte Tee und starrte vor sich hin. Dann streckte er unvermittelt den Zeigefinger der rechten Hand aus und begann, in den Sand am Boden Linien zu ziehen.
»Was macht unser Untoter denn jetzt?«, fragte Yorick und holte sich einen Ellenbogenhieb von Hans dafür ein.
Max zeichnete Rechtecke, die miteinander verbunden waren. Daneben setzte er noch einmal eine fast identische Zeichnung. Schließlich beendete er sein Werk, indem er ein Rechteck mit einem Kreuz in der Mitte füllte. Er wischte sich den Finger an der Hose ab und schlürfte Tee. Yorick und Hans studierten die Zeichnung.
»Was will er uns damit sagen?« Yorick neigte den Kopf zu Seite.
Hans begriff. »Das ist ein Plan, ein Grundriss. Zwei Stockwerke. Die Zitadelle hat Erdgeschoss und darauf ein weiteres Geschoss.« Er strahlte Max an und gab ihm spontan einen Kuss auf die Wange. »Danke, Max, du bist der Beste! Begreifst du nicht, Yorick? Das ist der Palast. Die Anordnung der Räume – und wo das Kreuz ist, befinden sich die Konkubinen.«
»Meinst du? Na, vielleicht. Palast! Pfhhh«, Yorick blies die Wangen auf. »Ist doch grad mal eine kleine Zitadelle. Siehst ja, so viele Räume gibt es gar nicht.«
»Umso einfacher für mich«, sagte Hans strahlend. Er holte sein Heft und zeichnete die Grundrisse nach. »Falls ihr mich heute Nacht vermissen solltet, dann wisst ihr, wo ich sein werde.«
»Na gut«, meinte Yorick. »Ich komme mit.«
»Dazu brauche ich dich nun wirklich nicht.«
»Keine Angst. Ich komme dir bei deinen plumpen Annäherungsversuchen an das arme Mädchen sicher nicht in die Quere. Aber es kann ja sein, dass du Unterstützung brauchst, wenn die Eunuchen wach werden. Oder der Wesir. Oder die Janitscharen. Oder die Sklavinnen. Oder, oder, oder. Vor allem aber ist es immer gut, wenn jemand nicht völlig Beklopptes bei so einer Sache dabei ist. Einer muss klar denken können.«
»Hilf mir mal mit dem Felsen«, stöhnte Hans und versuchte, den schweren Stein zu bewegen.
»Da drüben liegt einer«, antwortete Yorick und deutete in die Nacht hinein.
»Was? Wo?« Sie verließen den Kastanienhain. Tatsächlich lag in einiger Entfernung am Bach ein regungsloser Mann. Sie sprachen den Mann an, nichts. Sie traten vorsichtig in seine Seite, nichts.
»Scheiße«, entfuhr es Hans, als sie ihn umgedreht hatten und er ihn im fahlen Licht erkannte. »Das ist der Bote, von dem ich dir erzählt habe.«
»Siehst du irgendwo einen Pfeil oder sonst eine Wunde?«
Sie untersuchten die Leiche und fanden zunächst nichts. Erst als sie sein Hemd öffneten, entdeckten sie eine Verletzung im Bauchbereich.
»Offenbar eine ältere Wunde, die aufgeplatzt ist«, vermutete Yorick. »Der arme Kerl ist hier zusammengebrochen und gestorben.«
Hans richtete sich auf und sah sich um. »Kein Pferd weit und breit.«
»Bestimmt abgehauen. Oder es hat einen neuen Besitzer gefunden.«
»Und jetzt?«, fragte Hans.
»Wie und jetzt? Wir haben was vor, oder?«
»Sollen wir ihn so liegen lassen?«
»Wir können ihn ja morgen früh finden, nicht wahr?« Yorick dachte wieder sehr praktisch. Hans nickte überzeugt.
»Moment noch.« Hans durchsuchte den Toten und fand das Siegel des Mir Ahmad von Amasya sowie einen Beutel voller Dinare. Das Geld ließ er liegen. Das Siegel nahm er mit.
Zu zweit schafften sie es schnell, den Felsen vom Einstiegsloch des Tunnels zu bewegen. Sie stiegen hinab und schoben den Felsen zurück. Sie standen in völliger Finsternis. Über ihnen der Fels und die Kastanien. Der Geheimtunnel, aus dem die Stadtdelegation bei der Belagerung von Konya gestiegen war, sollte Hans direkt in den Palast bringen. Hoffte er zumindest. Er tastete nach Schwefelholz und Zunder und entzündete damit die mitgebrachten Öllampen.
»Wahnsinn«, sagte Yorick, der in dem Tunnel kaum aufrecht stehen konnte. »Hoffentlich gibt es keine Fledermäuse hier. Und jetzt?«
»Jetzt gehen wir den Tunnel entlang zum Palast. Ich habe es dir doch erklärt.«
»Und wieso denkst du, dass der Tunnel in den Palast führt?«
»Weil das ein Geheimtunnel ist. Wer den angelegt hat, wollte nicht, dass alle ihn kennen. Und wer legt einen solchen Tunnel an? Sicher nicht der Abfallgrubenreiniger! Menschen, die heimlich rein und raus wollen. Wichtige Menschen. Herrscher, Stadtbeauftragte und so. Also wird der Tunnel zu einem wichtigen Gebäude in der Stadt führen. Und das wichtigste Gebäude in der Stadt ist der Herrschersitz. Logisch, oder? Der alte Ölmez hat mir gesagt, dass kaum jemand von dem Tunnel weiß und dass es dabei bleiben soll.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, seufzte Yorick. »Und wenn der Ausstieg im Palast bewacht ist?«
»Geheimtunnel haben die Eigenschaft, geheim zu sein. Wie oft soll ich dir das noch sagen. Die alten Herrscher sind nicht mehr hier. Die neuen wissen davon nichts.«
»Du vergisst die Stadtabgeordneten.«
»Die leben nicht im Palast.«
»Hans, ich finde das hier immer noch Wahnsinn, aber lass uns gehen, bevor ich es mir anders überlege.«
Im schwachen Schein der Öllampen liefen sie schweigend den langen Gang entlang. Es ging leicht bergauf, das merkten sie. Langsam wurde es wärmer. Es gab keine Fledermäuse, nur ein paar Ratten, die erschrocken zur Seite sprangen. Schließlich kamen sie an eine Treppe, die steil hinaufführte. Die Wände waren nun gemauert. Offenbar bewegten sie sich innerhalb der Zitadelle. Dass die Stufen aufwärts führten, wertete Hans als gutes Zeichen. Die Räume der Konkubinen befanden sich laut Max’ Plan im Obergeschoss. Die Treppen endeten abrupt an einer schwarz gestrichenen Wand.
»Und jetzt?«, flüsterte Yorick. »Wie geht das hier auf?«
Hans untersuchte die Wand mit den Fingerspitzen und leuchtete in alle Ritzen.
»Gibt es da einen Mechanismus?«, fragte Yorick. »Oder ein Schloss?«
»Ich finde nichts«, antwortete Hans. Er drückte vorsichtig an verschiedenen Stellen. Nichts tat sich. Er fingerte in einem kleinen Spalt herum, ob sich da ein Hebel