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Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz
Читать онлайн.Название Die wilde Reise des unfreien Hans S.
Год выпуска 0
isbn 9783940839541
Автор произведения Martin Arz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Gruselig«, kommentierte Hans.
»Nicht wahr?«
»Oder aber deine Oma hatte einen Galan …«
»Untersteh dich!«
»Entschuldige, Yorick.«
Mit dem ersten Hahnenschrei gab Alaeddin Ali von Karaman den Angriffsbefehl. Das Heer Sultan Bayezids stand ebenfalls kampfbereit. Oberbefehlshaber Lala Nedim Pascha ließ seine Truppen aber abwarten. Als Alaeddin Ali begriff, dass er in der Nacht umzingelt worden war, sah er nur noch eine Möglichkeit. Er befahl, die Tore der Stadt zu öffnen und zog sich mit seinen Mannen hinter die Mauern von Konya zurück.
Bayezid ließ seine Zelte direkt vor der Stadt aufschlagen, und die Belagerung begann. Anders als vor Nikopolis gestaltete sich die elf Tage dauernde Einkessellung nicht als fröhliches Fress- und Saufgelage voll Hurerei. Die Köche und Suppenmacher bestanden auf Disziplin. Lala Nedim Pascha kontrollierte auf seinem täglichen Rundgang alles. Er wusste sich hervorragend zu inszenieren. Stets prächtigst gekleidet flößte der Prackl allein durch sein Erscheinungsbild größte Ehrfurcht ein. Dazu kam seine vierköpfige Leibgarde aus auffallend großen jungen Männern, die allesamt blaue Augen hatten, und – sofern man ihren Bärten glauben konnte – allesamt hellblond waren. Lala ließ sie mit kostbaren, goldbestickten Mänteln ausstatten. Exzentrisch, fast schon frech, doch Lala Nedim Pascha war nicht nur auf dem Feld ein kluger Stratege. Er achtete sorgsam darauf, dass weder er noch seine Männer den Sultan und dessen Garde an Pracht in den Schatten stellten.
Die Tage zogen sich öde dahin, Wachdienste und Kampftraining waren die einzige Abwechslung. Um die Stärke der Truppe zu demonstrieren, mussten die Janitscharen ihre Kampftechniken so üben, dass man sie von den Mauern der Stadt bestens beobachten konnte.
»Madonna, bei Nikopolis war es lustiger«, motzte Don Juan, als sie eines Nachmittags zwischen den Zelten patrouillierten. Ausgerechnet Don Juan hatte man mit Hans Schiltberger zur Wache eingeteilt. Doch seit er in Bursa zum Küchenarrest verurteilt worden war, hielt sich Don Juan mit Stänkereien und Pöbeleien zurück. »Wenn man wenigstens zu den Weibern dürfte.«
»Die Marketender hier haben keine Weiber dabei«, antwortete Hans. »Und selbst wenn, dürften wir ja nicht.«
»Davon soll mich mal einer abhalten«, sagte Don Juan und griff sich mit einem blöden Lachen demonstrativ in den Schritt. »Dafür nehme ich zwei Monate Küchenarrest in Kauf. Und außerdem haben die hier schon Weiber, du armer Ahnungsloser. Nur halt nicht für uns. Die noblen Herren haben sich ihre Mädels mitgebracht. Oder habt ihr euch nie gefragt, was in den verhangenen Wagen transportiert wird, die gleich hinter dem Sultan fahren? Weiber! Bei der Heiligen Jungfrau Maria, ich habe sie gesehen.«
»Du fantasierst, Spanier«, sagte Hans, kam aber ins Grübeln. Doch keine Chimäre neulich nachts? Könnte es möglich sein?
»Wetten?«
»Worum?«
»Um den nächsten Dinar, den uns der Sultan zukommen lässt.«
»Gut.« Hans schlug ein.
»Dann komm mal mit.«
»Wohin?«
»Na, zu den Weibern, du Blitzmerker!«
Hans passte das nicht, denn sie mussten durch ein bestimmtes Areal zwischen den Zelten patrouillieren, das sie nicht verlassen durften.
»Was soll denn schon passieren?«, lachte Don Juan. »Wir sind in zehn Minuten wieder da. Und die meisten machen jetzt Siesta.«
»Hä?«
»Siesta. Mittagsschlaf.«
Sie verließen ihr Wachgebiet, beachteten aber, dass sie keinen anderen Wachen in die Arme liefen. Sie schlichen zwischen den einfachen Mannschaftszelten zu einer kleinen Baumgruppe aus uralten, exotischen Bäumen, in deren Schatten prächtigere Zelte standen. Bäume wie diese hatte Hans noch nie gesehen. Sie hatten große Blätter, die wie Finger an der Hand zusammenstanden und üppige weiße Blütendolden, die nach oben standen. Auf dem Boden lagen ein paar Früchte der Bäume. Hans hob eine auf, dunkelbraun und glatt, wie ein Kieselstein. Auf seinen Reisen sollte Hans später noch öfter diesen exotischen Bäumen begegnen und lernen, dass man sie Rosskastanien nannte.
Don Juan legte überflüssigerweise seinen Zeigefinger auf die Lippen, Hans hätte auch so gewusst, dass sie leise sein mussten. Der Kastilier schlich voran. Sie tauchten unter Stoffbahnen hindurch, die als Abschirmung gespannt waren. Don Juan bedeutete Hans, sich auf den Boden zu legen. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er unter einer roten Stoffbahn hindurch. Nun sah Hans, dass Don Juan recht hatte. Frauen schlenderten zwischen Zelten umher. Edel gekleidet, in duftende Parfumwolken gehüllt.
Don Juan wies mit dem Kopf nach hinten. Rückzug. Sie krabbelten zurück. Hinter der Barriere aus Stoffbahnen klopften sie sich den Staub aus der Kleidung, als eine Stimme barsch fragte: »Was machen wir denn da?«
Erwischt worden! Hans sah erschrocken zu Don Juan. Dessen Gesichtsausdruck wechselte schnell von erschrocken zu einem breiten Grinsen, dann zu grotesk überzogen gespieltem Schreck.
Zwei Janitscharen-Wachen bauten sich vor ihnen auf. Hans erkannte den Ungarn Hodor und den Spanier Felipe, zwei von Don Juans Kumpanen. Zwei, die Don Juan von Anfang an schon im Turm von Gallipoli speichelleckerisch bei seinen Fiesheiten assistieren hatten.
»Da wird aber einer gewaltigen Ärger bekommen«, knurrte Hodor, Felipe lachte blöde, und Hans begriff langsam. Denn die beiden Wachen richteten ihre Waffen nur auf ihn. Don Juan tänzelte langsam rückwärts, winkte fröhlich mit der rechten Hand und grinste gemein. »Was? Nein, Herr, ich weiß auch nicht, was mit Hans los ist«, plapperte er. »Nein, Herr, er hat gesagt, er müsse mal austreten. Ich bin auf dem Posten geblieben, Herr. Das schwöre ich bei der Heiligen Jungfrau Maria.« Er verbeugte sich affektiert und verschwand hinter der nächsten Zeltwand. Die Falle war zugeschnappt, und Hans hätte sich selbst ohrfeigen können. Wie konnte er nur so dumm sein. Der Kastilier hatte alles geschickt eingefädelt.
Jetzt das Schwert ziehen, würde nicht viel bringen. Hans zuckte mit den Schultern und ergab sich. Hodor und Felipe ließen die Schwerter sinken, genau wie Hans gehofft hatte. Er schlug Hodor in die Magengrube und trat Felipe in die Eier. Das doppelte Zusammensacken nutzte er, um schnell hinter der ersten Stoffbahn abzutauchen. Hans hetzte in Richtung der größten Kastanie, sprang über die gespannten Zeltschnüre wie ein Hase und merkte doch, dass ihm die Verfolger im Nacken saßen. Seine Chancen schwanden. Er schlug Haken, strauchelte, rappelte sich auf und rannte weiter. Da teilten sich die Vorhänge des Prunkzelts rechts von ihm, ein gewaltiger schwarzer Dämon schob sich ins Freie und starrte ihn mit riesigen Augen an. Der Dämon, den er neulich Nacht gesehen hatte. Hans stolperte über eine Schnur und blieb für eine Schrecksekunde starr liegen. Da öffnete der Dämon seinen Mund, die großen Zähne blitzten, und er entließ einen hohen quietschenden Schrei. Hans war sich sicher, dass sich gleich die Pforten der Hölle öffnen würden. Darum hatte er neulich nachts gedacht, dass der Dämon kein Gesicht hatte. Es war vor Schwärze mit der Nacht verschmolzen.
Hodor und Felipe schlossen auf und stoppten abrupt. Zu Hans’ Verwunderung ließen sie sich vor dem Dämon auf die Knie fallen. Hans sprang auf und hechtete hinter die große Kastanie zwischen die Felsen. Unter ihm begann der Boden zu beben.
»Was geht hier vor?«, kreischte der Dämon mit schriller Stimme.
»Verzeiht, Herr«, antwortete Hodor unterwürfig. »Wir haben einen Burschen erwischt, der sich den Damen nähern wollte.«
»Und?«,