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Verantwortung zu übernehmen oder das sich aus der Passivität ergebende Unbehagen zu tragen.

      Die im Folgenden vorgestellten vier Formen von Verantwortungsvermeidung bzw. Verantwortungsverschiebung sind der Schiff’schen Theorie entlehnt. Dabei meinen wir jedoch, dass die Auswahl dieser vier Arten symbiotischer Einladungen beliebig ist und durchaus noch weitere Arten beschreibbar wären.

      3.3.1 Nichtstun

      In einem Verantwortungsbereich, in dem aus der Sicht eines Beobachters etwas getan werden müsste, wird nichts getan. Bezogen auf ein Verantwortungsfeld wird keine Energie freigesetzt und keine Aktivität gerichtet. Für professionelles Handeln kann bei dieser Diagnose, die natürlich mit Kulturvorstellungen zu tun hat, die Frage interessant sein, wie jemand durch Nichtstun andere in symbiotische Beziehungen einlädt. Oder umgekehrt: wie lassen sich andere durch das Nichtstun derer, die etwas tun sollten, dazu bringen, symbiotisches Verhalten zu zeigen und aktiv Verantwortung zu übernehmen, die nicht die ihre ist. Ein Tun in der einen Richtung, nämlich in einer Verantwortung, die einem nicht gehört, kann durchaus eine Form von passivem Verhalten sein, bezogen auf eine andere Richtung, in der Verantwortung wahrgenommen werden sollte. Somit gibt es sehr emsige Formen von passivem Verhalten. Eine davon ist die Überanpassung.

      3.3.2 Überanpassung

      Überanpassung wird aufgrund einer Konfusion, eines Missverständnisses von angemessener Verantwortung gezeigt. Überanpassung ist dann gegeben, wenn jemand empfindet, dass er etwas tun sollte. Aber anstatt realistisch zu prüfen, was die Anforderungen an seine Verantwortung sind, macht er sich Phantasien, was andere von ihm erwarten könnten und passt sich daran an: Jemand sieht bei anderen einen Bedarf. Er reagiert darauf, indem er etwas gibt, jedoch ohne zu klären, was der relevante Bedarf ist. Dadurch lädt er andere ein, etwas als Gabe zu akzeptieren, was sie u.U. gar nicht wollen, und ihn aus der relevanten Verantwortung zu entlassen. Dabei ist es nicht einfach, jemandem zu sagen: Schön, dass Sie mir Blumen bringen, aber eigentlich war der Abschlussbericht vereinbart.

      Ein Beispiel:

      Ein Mitarbeiter tut lange Zeit nichts. Dann sagt der Chef: »Morgen früh ist der Bericht da oder sie fliegen!« Ohne zu klären, was der Bericht beinhalten soll, arbeitet der Mitarbeiter nun über Nacht Dinge in Einzelheiten aus, die niemand von ihm erwartet und legt sie am nächsten Morgen dem Chef auf den Tisch. Der muss damit eine Viertelstunde später auf eine Sitzung und kann dort aufgrund der Menge an Informationen nichts damit anfangen.

      Zu einer wirksamen Einladung in eine symbiotische Beziehung wird sein Verhalten dann, wenn sich der Chef nun fünf Minuten vor der Sitzung selbst die Gedanken macht, die sich der Mitarbeiter nicht gemacht hat. Damit übernimmt er die Verantwortung des anderen, sinnvolle Beiträge zu liefern. Wenn sich dieses Verhalten zwischen den beiden einspielt, wird der Mitarbeiter auch auf Dauer dieses Potenzial nicht aktualisieren, aktivieren oder entwickeln. Dabei kann das Verhalten des Chefs durchaus verständlich sein, weil es für ihn kurzfristig gesehen anstrengender ist, den anderen zu konfrontieren, als die Aufgabe selbst zu erledigen.

      Psychologisch betrachtet im Sinn der Theorie J. Schiffs, wäre für jemanden, der zur Überanpassung neigt, stressmindernd zu erfahren, was genau von ihm erwartet wird. Denn solch ein Mensch möchte sich anpassen. Er hat aber kein geordnetes System, aufgrund dessen er weiß, woran er sich anpassen kann. Deshalb ist es für ihn wichtig, Vorgaben zu bekommen und vom Chef zu hören: »Wenn du meine Erwartungen erfüllen willst, dann ist es dies und jenes, was du tun solltest und dann ist es gut.«

      3.3.3 Agitation

      Agitation ist ebenfalls eine emsige Form passiven Verhaltens. Es ist ein emsiges Tun, das keine Konsistenz hat und nicht gerichtet ist. Unter dem Gesichtspunkt von Verantwortungsübernahme kann man sagen, dass in jemandem ein Impuls erwacht ist, etwas zu tun. Er tut aber nicht das Relevante, sondern tut irgendetwas, was aus Beobachtersicht bezogen auf die Übernahme von Verantwortung kein geordnetes und wesentliches Tun ist. Das Gefühl, dass man durch Agitation in Verantwortung gezwängt und ausgebeutet wird, ist richtig. Schwierig ist es, den Betreffenden zu einer gerichteten Handlung zu bringen.

      Auch dazu ein Beispiel:

      Ein Chef sagt zu einem Mitarbeiter: »Im Projekt brennt es. Bitte sorgen Sie dafür, dass das klar geht!« Er selbst macht sich dabei weder Gedanken darüber, was das ›Brennen‹ ist, noch was das ›Sorgen‹ wäre. Stattdessen regt er sich auf und macht mit dieser Aufregung einem anderen Druck. Der soll jetzt, obwohl er keine Information hat, was mit ›Brennen‹ gemeint ist, schnell etwas tun. Wenn nun Rückfragen noch als unziemlich behandelt werden, ist das eine ideale Startsituation für eine symbiotische Beziehung. Eine Möglichkeit, dieser symbiotischen Einladung angemessen zu begegnen, wäre, den Vorgesetzten darin zu fordern, die Aufgabe genau zu definieren.

      So gesehen kann man auch jede Menge operative Hektik als Agitation betrachten. Eine Aktivität kann bezogen auf die Abwicklung operativer Dinge eine verantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben sein und sie kann gleichzeitig die Funktion haben, strategische Verantwortung nicht zu übernehmen. Bezogen auf strategische Verantwortung kann selbst gutes operatives Geschäft Agitation sein.

      3.3.4 Selbstentmachtung bzw. Notstand erzeugen

      Während bei den bisher beschriebenen Formen von passivem Verhalten ein Notstand die Folge sein kann, werden bei dieser Kategorie Notstände direkt herbeigeführt. Beispielsweise gibt es Chefs, die einen Notstand erzeugen, indem sie lange Zeit keine Führung übernehmen und dann plötzlich gewalttätig herumschreien. Sie tun es dann so heftig, dass andere ersatzweise deren Funktion übernehmen, weil sie fürchten, dass sonst zuviel Schaden entsteht.

      Bei der Selbstentmachtung richtet sich die Gewalt nicht gegen andere, sondern gegen sich selbst.

       Ein Beispiel:

      Ein Mitarbeiter eines Automobilzulieferbetriebes arbeitete an der Entwicklung eines neuen Bustürensystems. Das Projekt war seiner Meinung nach mit zuwenig Mitarbeitern ausgestattet, so dass das System in unverantwortlicher Weise ungetestet auf den Markt gebracht werden müsste. Anstatt die Führungsverantwortlichen in angemessener Weise auf diesen Mangel aufmerksam zu machen, versuchte der Mitarbeiter zunächst durch unzählige Überstunden diesen Mangel auszugleichen. Als immer deutlicher wurde, dass er dadurch den Mangel nicht kompensieren konnte, ließ er sich mit einem Nervenzusammenbruch aufgrund eines Überarbeitungssyndroms in eine psychiatrische Klinik einweisen. Durch diesen Notstand wurde nun die Linie auf den Personalbestand und dessen Folgen im Projekt aufmerksam.

      Diese Beispiele zeigen Haltungen und Verhaltensweisen, mit denen andere in symbiotische Beziehungen eingeladen werden. Sie werden ebenso aktiviert, wenn jemand eine symbiotische Beziehung verlassen möchte. Dabei handelt es sich nicht um böswilliges, absichtliches Verhalten. Es sind Mechanismen, die Menschen, aus welchen Gründen auch immer, mobilisieren, um sich einer tatsächlichen oder vermeintlichen Verantwortung zu entziehen – auch irrtümlicherweise. Dabei treten Menschen häufig in solche Beziehungslogiken ein, obwohl sie selbst unter dem Aktualisierungs- oder Entwicklungsmangel leiden.

      In der Psychologie naher Beziehungen stellt man sich vor, dass die Angehörigen aus Liebe, Loyalität oder Abhängigkeit von einer Schicksalsgemeinschaft in die Ersatzverantwortung treten. Sie haben nicht so leicht die Wahl, es einfach zu lassen und den anderen die Folgen des eigenen Handelns tragen zu lassen.

      Im Gegensatz zu Familienbeziehungen können außerfamiliäre Beziehungen jedoch aufgelöst werden. Im Arbeitsleben gibt es letztendlich immer die Möglichkeit, Beziehungen durch Kündigung von Verträgen zu beenden. Dies hat allerdings einen Preis und es ist günstig, wenn man schon bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet hat, dass man diesen Preis bezahlen kann.

      3.4 Bedeutung für die Beratungspraxis

      Bei allem Leid, das durch symbiotisches Verhalten entsteht und allem Mitleid, das man dabei empfindet, sollte man die Funktion dieses Verhaltens nicht verkennen. Es geht immer darum, eigene Verantwortung nicht zu tragen und stattdessen

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