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Strategien, dem anderen die Vorstellung nahe zu bringen?

      Konfrontationskultur heißt dabei, dass es erlaubt ist, einen anderen über seine Vorstellungen von dessen Verantwortung aufzuklären und sie einzufordern, unabhängig von Rangunterschieden. Es geht dabei um die Balance, spezifisch den eigenen Verantwortungsbereich auszugestalten und aus dieser Perspektive heraus Vorstellungen von den komplementären Verantwortlichkeiten der anderen zu entwickeln und diese zu kommunizieren. Von einer gelungenen Verantwortungskultur könnte man sprechen, wenn man differenzierte und gelebte Antworten bezogen auf ein Verantwortungssystem im formellen und informellen Bereich und ein entsprechendes Beziehungsverhalten vorfindet.

      Mitarbeiter müssen also komplementäre Verantwortlichkeiten vereinbaren und darüber in Kommunikation bleiben. Dabei müssen sie das wechselseitige Ausfüllen der Verantwortung anmahnen, ohne sich in die Verantwortung des anderen zu mischen oder diesen zu bevormunden.

      Dafür kann es hilfreich sein, zwei Dinge zu unterscheiden: verantwortlich sein für und verantwortlich sein bezogen auf.

      Verantwortlich sein für meint, sich den entscheidenden Fragen zu stellen, die an ein Ressort oder eine professionelle Rolle gestellt werden und beantwortet werden müssen. Qualifikation (ich kann), ziel- und wertorientiertes Handeln (ich will), Autorisierung (ich darf), sowie das Klären und Ausfüllen eigener Zuständigkeiten (ich muss) stimmen dabei im besten Fall überein.

      Verantwortung bezogen auf meint, die Grundfragen und Zuständigkeiten der anderen Professionen und Ressorts in einem Unternehmen zu kennen und darauf bezogen zu handeln. Um Störungen in einem System komplementärer Verantwortung zu beschreiben, schlagen wir folgende Begriffe vor:

      Verantwortungsisolation: Man fühlt sich für einen Bereich zuständig ohne auf andere Bereiche bezogen zu sein. Im Sinne von: der Zimmerservice auf der Titanic ist ohne Tadel. Oder: technische Perfektion ist Trumpf, auch wenn sie kaum jemandem wirklich dient.

      Abb. 5: Schema zur komplementären Verantwortung in Organisationen

      Verantwortungskonfusion: Man fühlt sich für die Belange anderer verantwortlich und vernachlässigt dabei die eigenen. Das ist ein häufiges Problem z.B. von Beratern. Häufig scheuen sie sich, ihren Kunden komplementäre Beiträge abzuverlangen, ohne die Organisations- und Personalentwicklung jedoch nicht erfolgreich sein kann. Gleichzeitig zeigen sie eine hohe Bereitschaft, Zuständigkeiten ersatzweise zu übernehmen. Komplementär ziehen sich Führungs- und Ergebnisverantwortliche auf die Funktion von Auftraggebern, Schirmherren, Beiräten oder Beratern zurück.

      Verantwortungserosion: Die wesentlichen Fragen einer Organisation werden nicht wirksam beantwortet. Die Logik vieler Beziehungen dient dazu zu verschleiern, dass keiner Verantwortung übernimmt. Unüberschaubarkeit, Unkenntnis, Illusionen und Täuschung verbergen den Mangel.

      Der Begriff der komplementären Verantwortung gibt also Anlass über Systemgrenzen in Verantwortungssystemen nachzudenken. Dadurch wird Verantwortung spezifisch, aber auch anschlussfähig.

       3.2 Symbiotische Beziehungen

      Die Carthexis-Schule entwickelte in ihrer Arbeit mit psychotischen Patienten eine Reihe von Therapietheorien. Eine davon ist die der Symbiosen. Demnach ist eine Symbiose eine Beziehungsform, in der eine Person durch Unverantwortlichkeit und Dysfunktionalität eine andere dazu bewegt, ersatzweise Verantwortung zu übernehmen.

      Diese Überlegungen sind auch für den nicht-therapeutischen Bereich wertvoll. Im Folgenden werden wir einen Zusammenhang zwischen symbiotischen Beziehungen und der Nicht-Übernahme von Verantwortung in Organisationen herstellen und Perspektiven für deren Lösungen aufzeigen. Dafür halten wir es allerdings für sinnvoll, den Symbiosebegriff folgendermaßen zu differenzieren:

      Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden.

      Von einem Beobachter beurteilt sind das Lebensgemeinschaften, in denen die Entwicklungshemmung größer ist als der wechselseitige Nutzen. Das Zusammenspiel zwischen den Beteiligten entwickelt sich so, dass sie sich wechselseitig nahe legen oder gewähren, nützliche Potenziale nicht einzubringen. Dabei kann es entweder sein, dass die Potenziale vorhanden sind, aber nicht genutzt werden, oder dass die Potenziale nicht vorhanden sind und entwickelt werden sollten und könnten. Die Beteiligten haben sich jedoch so miteinander arrangiert, dass sie sich die Weiterentwicklung in diesen Dimensionen wechselseitig ersparen.

      Bei dieser Definition spielt natürlich eine normative Vorstellung mit. Denn um von einer negativen oder dysfunktionalen Symbiose zu sprechen, muss ein Beobachter eine Vorstellung davon haben, welche Potenziale aktiviert oder entwickelt werden sollten.

      Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Verantwortung nicht wahrgenommen oder verschoben wird, oder in denen das daraus entstehende Unbehagen verschoben wird.

      In dieser Art symbiotischer Beziehungen interagieren die Akteure in der Weise, dass Mitarbeiter Verantwortung bekommen, die für diesen Verantwortungsbereich nicht zuständig sind, dafür nicht bezahlt werden oder nicht die Macht haben, das Entsprechende zu tun. Wenn somit Verantwortung nicht wirklich wahrgenommen wird, führt dies in der Regel bei irgendjemandem zu Unbehagen. Im günstigsten Fall überlegt dieser nun, wer die Verantwortung für die Vorgänge hat, über die das Unbehagen entsteht. Und er versucht Kommunikationsvorgänge, mit denen er die eigentlichen Verantwortungsträger in die Verantwortung nehmen kann. Dadurch schiebt er das Unbehagen auf sie zurück.

      Manchmal haben Verantwortungsverschiebungen auch die Funktion, andere Verantwortungsverschiebungen zu rechtfertigen. Da gibt es sehr komplexe Kompensationsgeschäfte. Mitarbeiter fordern beispielsweise die fachlich-programmatische Führung nicht ein, dafür ist die Führungskraft großzügig in der Beurteilung der Wirksamkeit von Arbeitsweisen und in der Bewilligung von Fortbildungswünschen.

      Für die Beteiligten kann das subjektiv angenehm sein. Das führt jedoch dazu, dass die für die Vitalität der Organisation gebrauchten Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden. Es kann sich dabei um das Potenzial handeln, aufrichtig mit Ressourcen umzugehen und zu entscheiden, ob man sie richtig verwendet oder nicht. Es kann auch das Potenzial sein, Führung ernst zu nehmen und jemand bezogen auf Führung in die Pflicht zu nehmen.

      So gesehen zeichnen sich gesunde Systeme dadurch aus, dass sie Vorstellungen davon haben, wer welche Verantwortung hat, wann sie wahrgenommen wird und wann sie nicht wahrgenommen wird. Darüber hinaus gibt es akzeptierte Mechanismen, um zu analysieren, ob entstehendes Unbehagen mit nicht-wahrgenommener Verantwortung zu tun hat. Und entweder kann derjenige, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt, erfolgreich eingeladen werden sie wahrzunehmen, oder es gibt erlaubte und wirksame Mechanismen, das Unbehagen an ihn zurück zu delegieren, so dass es dort ankommt, wo die Verhältnisse geändert werden können.

      Verrückte, ausbeuterische oder symbiotische Systeme zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass eine Verschiebung von Verantwortung folgenlos geschehen kann. Diejenigen, die Unbehagen erleiden, haben keine wirksamen Mittel es dorthin zu schieben, wo Abhilfe geschaffen werden kann.

      Jede Regelung und jede Kommunikation, die verantwortlich hilft Unbehagen dorthin zu transportieren, wo Verantwortung hingehört, ist somit ein Beitrag zur Gesundung von Organisationen. Sie werden in Organisationen allerdings oft als Verrat an den gewohnten Kompensationsgeschäften empfunden.

      3.3 Symbiotisches Verhalten

      Die Cathexis-Schule entwickelte auch eine Theorie zu den Verhaltensweisen, die in dysfunktionale Symbiosen einladen oder solche Symbiosen stabilisieren. Dabei unterschied sie vier Grundmuster von sogenannten passiven Verhaltensweisen, verstanden als Eskalationshierarchie, die sie mit einer Energietheorie verband. Sie meinte, das Problem von Schizophrenen sei, dass sie ihre Energie nicht funktional zur Bewältigung von Realität einsetzen. Stattdessen versuchen sie durch

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