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order«, rief die Kellnerin und läutete die Schiffsglocke an der Wand neben dem Tresen.

      »Ein Glas Chardonnay«, bestellte der Mann.

      Die Tür des Pubs wurde aufgestoßen, und eine dunkelhaarige Frau schlüpfte herein. Sie hatte diese Art sich zu bewegen, um die sie Emma sofort beneidete: sicher, elegant, sehr damenhaft. Die Frau winkte dem Mann, kam auf ihn zu und betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Was ist dir denn passiert?«

      »Kleiner Unfall mit zwei Biergläsern. Muss nur trocknen.«

      Emma war erleichtert, dass er sie aus dem Spiel ließ. »Wieso warst du nicht in der Vorstellung?«, hörte sie die Frau vorwurfsvoll fragen. Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter Richtung Stadttheater, das schräg gegenüber vom Fitzherbert lag.

      »Weil ich viel zu spät war, verzeih mir. Ich war unten am Strand beim Pier. Jamie hat schon sehr auf seinen Abendspaziergang gewartet, denn ich war heute lange in der Kanzlei und musste noch so viel vorbereiten für die Verhandlung morgen.«

      »Du kennst nur deine Arbeit.«

      »Ich muss es morgen schaffen, für meinen Klienten 500.000 Pfund zu retten, weil er sonst pleite geht. Aber ich komme am Dienstag in die Vorstellung. Versprochen.«

      Die Kellnerin schob das Glas mit dem Weißwein zu den beiden.

      Emma fragte kläglich, ob sie bitte noch einmal ein Pint und ein halbes Pint haben könnte. Wortlos machte sich die Kellnerin ans Zapfen. Eric tauchte neben Emma auf. »Ich übernehme das.«

      »Nein, ich.«

      »Du bindest deinen Schnürsenkel.«

      Gehorsam bückte sich Emma nach unten. Sie kam sich vor wie ein dummes, kleines Schulmädchen.

      Eric bezahlte und trug die Gläser in die Nische. Er holte auch noch zwei Säckchen Chips, riss beide auf und drehte sie Emma hin.

      »Danke, nein.« Sie klopfte auf ihren Bauch.

      »Bist du schwanger? Von wem?«, fragte Eric grinsend.

      Emma nahm das Glas und drohte scherzhaft, es ihm über den Kopf zu leeren.

      Sie prosteten sich zu und nahmen beide einen Schluck. Das Bier war genau richtig gekühlt und schmeckte.

      »Was ist los? Hast du geweint am Strand oder nicht?« Eric sah sie auf eine Art an, als wollte er ausdrücken, dass es für Emma kein Entkommen gab. Sie musste ihm jetzt die Wahrheit sagen.

      

Lieber Wer-immer-du-bist,

      37 Minuten nach Mitternacht. Könntest du Eric sein? Wäre das möglich? Können diese Briefe wirklich so schnell wirken, und habe ich meinen zukünftigen Mann schon angezogen? Habe ich vorhin einen Fehler gemacht, als mich Eric vor der Haustür abgesetzt hat? Hätte ich dich hereinbitten sollen auf einen »letzten Drink«, der natürlich direkt ins Bett geführt hätte?

      Eric, ich hätte dich so gerne hier behalten, ich gebe es zu, wenn du derjenige bist, an den ich diese Briefe schreibe. Ich hätte dich gerne an mich gezogen und dich geküsst. Du hast dich so angenehm angefühlt, als ich hinter dir auf deinem Moped gesessen und mich an dir festgehalten habe.

      Gehst du viel ins Fitnessstudio? Trainierst du? Deine Bauchmuskeln sind stark, und Schwimmreifen scheinst du keinen zu haben. Jedenfalls konnte ich keinen durch deine Lederjacke spüren.

      Ich sitze hier und schreibe dir, weil ich einfach loswerden muss, wie unendlich blöd ich mich fühle. Wenn du wirklich derjenige bist, der in mein Leben soll (ich kann mir das vorstellen), dann habe ich unser erstes Date total verhaut. Nicht wegen des Tritts in deine Mitte. Das war irrtümliche Notwehr. Nein. Aber ich habe auf jede deiner Fragen eine falsche Antwort gegeben. Mit falsch meine ich, eine erfundene Antwort, eine Lüge.

      Langsam finde ich diese Briefe, die ich hier schreibe, gut, weil ich dir etwas sagen kann, was ich dir gegenüber nicht auszusprechen wagen würde.

      Du hast mich gefragt, ob ich am Strand geweint habe. Meine Antwort: Ich habe eine Atemmeditation gemacht, mit stoßweisem Ausatmen. Nell tut das regelmäßig, und ich habe sie dabei beobachtet, am Tag bevor sie abgereist ist.

      Die Wahrheit ist: Ich habe geweint, weil es der einzige Weg ist, diesen schrecklichen Knoten in meinem Hals und meiner Brust loszuwerden, der dort sitzt und wehtut.

      Eric, wie soll ich dir jemals sagen, wer ich wirklich bin? Du würdest sicher allen Respekt vor mir verlieren. Es kann nicht anders sein, denn ich habe selbst vor mir keinen Respekt mehr.

      Wenn du wüsstest, was ich alles getan habe in den vergangenen Jahren und welche Folgen es für die Menschen rund um mich hatte, und für mich natürlich auch.

      Deshalb lüge ich. Deshalb rede ich von stoßweiser Atmung und Meditation. Deshalb habe ich dir auch im Lucky Beach, als du mich auf den Mojito eingeladen hast, erzählt, ich wäre Journalistin und würde eine große Geschichte über die kleinen Hotels und B&Bs in Brighton recherchieren. Deshalb hätte ich das Hotel von Nell für einige Monate übernommen.

      Du hast es geglaubt und mich bewundert, weil ich für ein Magazin schreibe.

      Aber es war alles nur gelogen.

      Manchmal bekomme ich in letzter Zeit Angst, dass ich mir die Lügen nicht merke, die ich Leuten erzähle. Ich versuche wenigstens, ziemlich die gleichen Geschichten zu verwenden, um nicht völlig durcheinander zu geraten.

      Aber bestimmt würdest du dich nicht mehr über den Tisch beugen und »Echt?« sagen, wenn ich dir reinen Wein einschenke. Dabei mag ich diese Momente mit dir so besonders. Weil ich dann deine dunklen Augen aus der Nähe sehe und die kleine Narbe über der Augenbraue, die vom Biss deiner Zwillingsschwester stammt.

      Heute habe ich mich so zurückhalten müssen, dir nicht mit den Fingern durch deine Haare zu fahren. Ich hätte nie gedacht, dass ich rote Haare anziehend finde, aber deine schon.

      »Ginger« nennt ihr die Farbe hier. Wieso eigentlich Ingwer? Ingwer ist doch nicht orange oder rot, sondern eher gelb.

      Es tut so gut, mit dir zu reden. Danke, dass du mich vor drei Wochen auf den Mojito eingeladen hast, als ich im Lucky Beach gesessen habe. Ich hätte mir den Drink nie leisten können, dabei ist Mojito ganz oben auf meiner Hitliste.

      Der Grund, wieso ich trotz des Regens in ein Strandcafé gekommen bin, war die Hoffnung auf eine frühe Happy Hour. Wenig Gäste, mehr Großzügigkeit, habe ich gedacht. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass du mich einlädst.

      Weiß das dein Chef? Hat er eine Ahnung, dass sein Caféleiter/Kellner Frauen auf Drinks einlädt?

      Er ahnt es, wie alle Lokalbesitzer ahnen, dass ihre Mitarbeiter sich bedienen. Es war bei uns auch so, daher kenne ich mich aus. Aber daher weiß ich auch von »frühen« Happy Hours, von verbilligten Drinks, damit die wenigen Gäste zu trinken anfangen, auf den Geschmack kommen und weitertrinken. An schwachen Tagen kann man so gutes Geschäft machen.

      Wie du hörst, bin ich Expertin.

      Oder ich war Expertin. Mich lässt niemand mehr in ein Lokal, um es zu leiten, wenn er oder sie erfährt, was geschehen ist.

      Vielleicht deshalb eine Warnung: Bleib besser weg von mir. Ich bringe kein Glück.

      Jetzt bin ich beruhigt, dass ich dich nicht ins Haus eingeladen habe. Es ist gut, dass nichts weiter geschehen ist. Für einen One Night Stand bist du einfach zu freundlich.

      Habe gerade gelesen, was ich alles geschrieben habe. Ich muss verrückt sein. Dieses Briefeschreiben muss aufhören. Ich werde den Brief zerreißen und wegwerfen.

      Wieso schreibe ich das auf? Wieso schreibe ich meine Frage auf, wieso ich das aufschreibe?

      Emma, du hast sie nicht mehr alle.

      Mit einem tiefen Seufzer richtete sich Emma auf. Es war genug. Wenn sie mit Eric flirten wollte, dann musste sie nur ins Lucky Beach gehen und sich an einen Tisch setzen. War wenig Betrieb, hatte er Zeit.

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