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musterte sie nachdenklich, stellte aber keine weitere Frage. Stattdessen sagte er: »Ich habe mein Moped bei den Arkaden geparkt und dich zum Wasser staksen gesehen. Du warst unsicher auf den Beinen.«

      »Ich habe mir vorhin den Knöchel angeknackst. Darum hinke ich.«

      »Zuerst wollte ich dich in Ruhe lassen, aber dann habe ich noch schnell eine geraucht, und du bist auf einmal eingesunken, als wäre dir übel geworden.«

      »Nein, nein, das hat nur so ausgesehen. Unkraut verdirbt nicht«, sagte Emma mit wenig Überzeugung.

      Eric konnte endlich wieder gerade stehen. Noch immer aber hatte er die Schultern leicht hochgezogen und sah verkrampft aus.

      »Geht es wieder?«, erkundigte sich Emma.

      »Wahrscheinlich bin ich dort unten blau.«

      »Eric, es tut mir wirklich…«

      »Wenn du mich schon brutal niederschlägst, dann spendierst du mir jetzt wenigstens einen Drink.«

      »Gut. Einverstanden.«

      »Wir nehmen mein Moped und fahren zum Fitzherbert.«

      Das Fitzherbert war eine Bar in der Fußgängerzone, nicht weit vom Theater und vom Brighton Dome entfernt, wo Emma eine Ausstellung angesehen hatte. Der Eintritt war frei gewesen, und aus Langeweile war sie hineingegangen. Die Bilder waren alle wilde Farbklecksereien, nicht uninteressant, aber trotzdem hatte sie die Kunst darin nicht ganz sehen können. Das lag aber vielleicht auch an ihr.

      »Hast du einen zweiten Helm für mich?«

      »Du nimmst meinen. Ich riskiere mein Leben.«

      »Das kann ich nicht verantworten.«

      »Aber mich krankenhausreif zu prügeln schon?«

      »Ich habe im Haus einen Helm. Den hat einer von Nells Gästen einmal vergessen und nie abgeholt. Ich gehe zu Fuß, und du holst mich ab. New Steine. Das Cherry Tree.«

      4

      Im Fitzherbert waren nur noch zwei Gäste. Burschen, die an einem der kleinen Tische saßen, schon ein paar Drinks gehabt hatten, lachten und sich gegenseitig auf den Rücken schlugen. Die Frau hinter der Theke war wenig erfreut, als Eric und Emma eintraten. Sie hätte wohl lieber schon bald geschlossen.

      Die Tür war hinter ihnen noch nicht zugefallen, da kam noch ein Gast.

      »Eric, Bier für dich?«, fragte Emma.

      »Ein großes, ja. Ich sitze hinten in der Nische. Muss nur kurz…« Er hielt sein Handy hoch.

      »Alles klar.« Emma fragte sich im Stillen, was Eric am Handy machen musste. Nachrichten beantworten? Von wem konnten sie sein?

      »Das geht dich gar nichts an«, ermahnte sie sich und bestellte ein großes und ein kleines Bier.

      Der Mann, der nach ihnen eingetreten war, stellte sich rechts neben sie.

      »Gleich noch ein großes, bitte, wenn Sie schon dabei sind.«

      Die Laune der Frau verbesserte das nicht. Sie ließ das Bier aus dem Hahn in ein hohes Glas rinnen, stellte es weg, zapfte das nächste, während der Schaum im ersten zurückging, stellte es weg und nahm ein kleineres Glas für Emma. Ihre Bewegungen waren sehr geübt und sicher.

      Emma spürte einen Blick auf sich gerichtet. Sie spähte aus den Augenwinkeln zu dem Mann, der nur einen Schritt entfernt stand. Ihn umwehte der Duft eines Herrenparfüms, eine Mischung aus Leder, Holz und orientalischen Gewürzen.

      Jetzt nur nicht zu ihm drehen, ermahnte sie sich. Wahrscheinlich starrte er auf den kleinen Leberfleck über ihrem rechten Mundwinkel. Er war zu klein, um als Schönheitsfleck zu gelten, und zu groß für eine dunkle Sommersprosse.

      Neulich hatte Emma ein Mann in ihrem Alter angesehen. Sie hatten beide am Holzgeländer der Brüstung oben an der Marine Parade gestanden. Es war genau wie jetzt gewesen. Der Mann hatte sie prüfend betrachtet, und schließlich hatte sich Emma zu ihm gedreht.

      Sein Gesicht war ernst, seine Brille hatte etwas zu dicke Rahmen, er trug ein weißes Hemd und dunkel Hosen und war damit besser gekleidet als die meisten Männer in Brighton.

      Emma fand den Mann irgendwie interessant, und weil sie in letzter Zeit nicht viele Männer angesehen hatten, lächelte sie ihm zu. Er kam die zwei Schritte näher, die sie voneinander entfernt standen.

      »Hallo«, sagte sie.

      Er nickte kurz und räusperte sich. »Ich habe einen Tick«, waren seine ersten Worte. Emmas kurzer Moment, in dem sie sich wieder wie eine begehrenswerte Frau vorgekommen war, endete damit schlagartig. Am liebsten hätte sie sich einfach weggedreht und wäre gegangen.

      Es war jedoch zu spät und kam noch schlimmer. »Ich habe einen Tick. Ich halte es nicht aus, wenn Leute Toastkrümel im Gesicht kleben haben. Sie haben hier einen.« Er deutete an die Stelle, wo sich Emmas Leberfleck befand. Sie starrte ihn ausdruckslos aus und antwortete dann: »Danke. Danke für den Hinweis.«

      Auf so einen Hinweis hatte sie jetzt keine Lust. Jetzt nicht und in Zukunft nicht. Daher ignorierte sie den Blick, obwohl der Duft des Parfüms wirklich anziehend auf sie wirkte.

      »Das macht fünf Pfund.« Die Kellnerin stellte das große und das etwas kleinere Bierglas vor sie auf eine blaue Frotteematte mit dem Logo des Fußballclubs Chelsea. Sie hatte die Gläser gut gefüllt und seitlich rannen Schaum und Bier herab. Emma kramte eine zerdrückte 5-Pfund-Note heraus und reichte sie der Frau. Sie nahm die Gläser und wollte sich nach rechts drehen, wo Eric an einem schmalen Tisch in einer Nische saß.

      »Verzeihung«, sagte der Mann, der sie angestarrt hatte.

      Nein, keine Bemerkung über Krümel von verbranntem Toast in meinem Gesicht, dachte Emma und beschleunigte die Drehung. Sie machte einen Schritt…

      …das heißt, sie wollte einen Schritt machen. Aber etwas hielt ihren rechten Fuß zurück. Emma stolperte nach vorne, versuchte sich zu fangen, stolperte dabei aber weiter und ihre Hände mit den vollen Gläsern schnellten in die Höhe. Sie schaffte es die rutschigen Gläser festzuhalten, das Bier aber schwappte heraus. Der Mann war auf sie zugesprungen und hielt sie gerade noch fest, bevor sie stürzte.

      Die Gläser waren halbleer, das Bier auf dem Boden.

      Wie konnte man nur so ungeschickt sein?

      »Brauchen Sie was zum Abwischen?«, fragte die Kellnerin. Sie klang noch mürrischer als zuvor.

      »Nein, danke«, sagte Emma.

      »Nicht Sie. Er!«

      Erst jetzt bemerkte Emma, dass sie den Großteil des Biers über den Mann geschüttet hatte. Sein roter Strickpullover hatte auf der Brust einen großen nassen Fleck. Das Bier hatte seine Spur aber auch vorne auf der Jeans hinterlassen, was peinlich aussah.

      »Es tut mir so leid. Entschuldigung.« Emma nahm die kleine Frotteematte vom Tresen und wollte den Fleck am Pulli trocknen. Der Mann ließ es sich gefallen.

      »Ihr Schnürsenkel ist offen. Ich wollte Sie aufmerksam machen«, sagte er.

      Emma blickte auf und in ein frisches, leicht gebräuntes Gesicht. Sie sah einen Anflug von Bartstoppeln, buschige Augenbrauen und ein Lächeln, das echt und freundlich schien. Sein Haar war kurz geschnitten und recht präzise frisiert.

      Als sie da so mit dem nassen, nach Bier stinkenden Frotteetuch an seinem Pullover fummelte, kam sich Emma wieder einmal unendlich lächerlich vor.

      »Lassen Sie mich.« Die Kellnerin war hinter dem Tresen vorgetreten und schob Emma zur Seite. Sie hatte ein frisches Geschirrtuch gebracht und tunkte das Bier vom Pullover mit schnellen Griffen auf. Danach zeigte sie auf die Flecken am Hosenstall und meinte: »Das tun Sie besser selbst.« Der Mann lachte kurz auf und nahm ihr das Tuch ab. Als er fertig war – mit nicht so viel Erfolg wie am Pullover – nahm sie ihm das Tuch wieder ab, warf es auf den Boden und bewegte es mit der Schuhspitze über die Bierpfütze.

      »Tut

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