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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_b70009f7-8a47-50b7-a372-029fa4828f63">3 vgl. Berthold, H. (2005): Seneca. Mensch und Werk. In: Seneca. Handbuch des glücklichen Lebens. Köln (Anaconda)

      2. Gefühlswelten

       Alles, was von den Menschen getan und erdacht wird, gilt der Befriedigung gefühlter Bedürfnisse sowie der Stillung von Schmerzen.

       Dies muss man sich immer vor Augen halten, wenn man geistige Bewegungen und ihre Entwicklung verstehen will.

       Denn Fühlen und Sehnen sind der Motor alles menschlichen Strebens und Erzeugens, mag sich uns Letzteres auch noch so erhaben darstellen.

       Albert Einstein (Mein Weltbild)1

      Häufig benennen wir Gefühle als Ursache bzw. Gründe für unser Handeln. So werden Angst, Wut oder Lust als Motive bezeichnet, wenn wir z. B. sagen: »das habe ich aus Angst getan« oder »ich habe es getan, weil ich wütend war« oder »ich hatte einfach Lust, das zu tun« usw. Mit solchen Aussagen benennen wir Gefühle als die Verursacher unserer Handlungen. Doch das sind Kurzschlüsse – Gefühle sind nicht die Ursache und nicht die Motive für Handlungen – sie sind die Auslöser für unser Tun bzw. Nichttun. Gefühle sind das Kommunikations- und Signalsystem des Organismus im Dienste der Bedürfnisse.

      Das Gebiet der Emotionsforschung ist riesig und vielfältig. Je nach Wissenschaftsgebiet werden verschiedene Perspektiven eingenommen und unterschiedliche Teilbereiche angeschaut. Abgesehen von philosophischen Betrachtungen einzelner Emotionen (wie z. B. Sloterdijks Werk Zorn und Zeit, das sich ganz dem Gefühl des Zorns in all seinen Facetten widmet), gibt es im Groben fünf Denkrichtungen: Die physiologische Theorie, die kognitivistische Theorie, die kulturrelativistische Theorie, die evolutionspsychologische Theorie und die soziologische Sichtweise.

      Die physiologische Theorie besagt, dass Emotionen aufgrund körperlicher Vorgänge entstehen. Während wir üblicherweise meinen, dass das Gefühl der Angst einen flacheren Atem oder Zittern auslöst, fanden die Vertreter der physiologischen Theorie heraus, dass wir deshalb Angst spüren, weil unser Atem flach ist oder weil wir zittern. Unser Organismus sorgt in Bruchteilen von Sekunden für die körperlichen Reaktionen, die in Bedrohungssituationen notwendig sind für Flucht oder Kampf. Das geschieht, noch bevor das dazugehörige Gefühl der Angst in unser Bewusstsein kommt. Dabei wird zwischen Empfindungen und Emotionen unterschieden. Als Empfindung wird die Wahrnehmung der körperlichen Befindlichkeit bezeichnet, aus der wiederum eine Emotion, ein Gefühl entstehen kann.

      Die Vertreter der kognitivistischen Theorie sind der Meinung, dass es nicht die Ereignisse sind, auf welche die Menschen mit Gefühlen reagieren, sondern ihre Vorstellungen über diese Ereignisse. Sie interessieren sich vor allem für die Denkvorgänge und haben herausgefunden, dass wir bewusst oder unbewusst ständig an alles, was wir wahrnehmen, ein Bewertungsraster anlegen und unsere Emotionen dann durch diese Bewertungen ausgelöst werden. So lässt z. B. eine Mischung der Bewertungen unerfreulich + unvorhergesehen + fremdverursacht ein Gefühl des Zorns entstehen.

      Die langjährige Vormachtstellung der kulturrelativistischen Theorie ist inzwischen durch viele Forschungen der letzten Jahrzehnte massiv in Frage gestellt worden. Wie das Beispiel der Inuit zeigt, liegen die kulturellen Unterschiede nicht darin, dass die Menschen in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Gefühle hätten, sondern dass in verschiedenen Kulturen die Emotionen je nach ihren gesellschaftlichen Bedürfnissen unterschiedlich bewertet und dementsprechend ihre Wahrnehmung und ihr Ausdruck unterschiedlich sozialisiert werden. So ist z. B. das Gefühl des Ekels universal – wovor sich Menschen in unterschiedlichen Kulturen und Epochen ekeln, ist jedoch sozialisiert. Genauso ist auch das Gefühl der Angst universal – wovor sich Menschen ängstigen ist jedoch kulturell und zeitgeistig unterschiedlich.

      In der evolutions-psychologischen Theorie wird der Standpunkt vertreten, dass wir Emotionen verspüren, weil sie unserem Überleben dienen. Die Vertreter dieser Position sind überzeugt, dass Emotionen sich im Laufe der menschlichen Entwicklungsgeschichte durch viele Selektionen herausgebildet haben und zu unserem genetischen Erbe gehören. Darwin hielt sechs Emotionen für universal: Freude, Überraschung, Traurigkeit, Angst, Ekel und Zorn. Dafür spricht, dass sich emotionale Reaktionen wie Erschrecken (als eine Form von Überraschung), Freude, Angst, Ekel und Zorn beim Menschen schon im frühesten Säuglingsalter zeigen – eine Tatsache, die der Theorie, dass Gefühle nur aus Denkprozessen entstehen, entgegensteht.

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