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mit Kindern und Jugendlichen. Oaklander legt bereits in The therapeutic process with children and adolescents2 einen ersten Entwurf vor. Ich werde mich im weiteren Verlauf auf diese Arbeiten beziehen und sie in Bezug zu eigenen Gedanken und Beobachtungen setzen. Der wichtigste Wirkfaktor in der Kindertherapie ist die Qualität der therapeutischen Beziehung.

      »Nichts ist in einer Therapie möglich, wenn nicht zumindest im Ansatz eine Beziehung zwischen Therapeut und Klient besteht. Eine Beziehung ist sehr empfindlich und muss sorgsam gepflegt werden. Sie ist die Grundlage des Therapieprozesses und kann schon an und für sich eine starke therapeutische Wirkung haben.« (Oaklander 2009, 31)

      Arbeit am Kontakt ist erst möglich, wenn dieses Mindestmaß an Beziehung hergestellt ist. An mehreren Stellen wird die Beziehung von Kind und TherapeutIn mit einem Tanz verglichen (vgl. dies., 40; Mortola 2011, 44; 76). Es ist ein beständiges Wechselspiel von langsamer Annäherung und Entfernung, von Führen und Geführt werden. Oaklander ist davon überzeugt, dass die gelungenen Kontakterfahrungen und Beziehungserfahrungen im therapeutischen Prozess heilend wirken. Die Selbstregulationskräfte des Kindes werden wieder hergestellt, das Selbst des Kindes wird gestärkt (vgl. Oaklander 2009, 40).

      Erst wenn diese grundlegenden Prozesse in Gang kommen, ist es möglich, dass sich Kinder öffnen und sich schwierigeren Themen zuwenden. Es kommt dann zu Momenten im Therapieverlauf, da geht etwas existenziell Wichtiges im Kind vor, das Kind sagt etwa beiläufig einen Satz, der uns in seiner Aufrichtigkeit und Unmittelbarkeit tief berühren kann. Ein Achtjähriger, der bislang kaum etwas über sich erzählt hatte, sagte während eines einfachen Kartenspiels völlig unvermutet: »Weißt eh, mein Papa ist weg und ich bin traurig.« Unsere Antworten auf solche Sätze sollten wohldosiert sein. Es geht darum, dem Kind dabei zu helfen, sich selbst zu definieren (Wer bin ich und wer bin ich nicht?). Das Kind lernt, Vorlieben auszudrücken (Was mag ich?), auch Abneigungen (Was mag ich nicht?) oder im kurzen Satz des Achtjährigen: Wer fehlt mir? Wir begleiten als KinderpsychotherapeutInnen diese Differenzierungsarbeit. Kinder aus einem schwierigen Umweltfeld sind oft durch die Umstände gezwungen, zu schnell Aufgaben zu übernehmen, die nicht altersgemäß sind. Altersadäquate Aufgaben sind aber wichtig. Gutes Meistern kann nur erfolgen, wenn Eltern nicht zu rigide, nicht zu gewährend und nicht zu frustrierend sind in den Aufgabenstellungen. Auch ist es nicht sinnvoll, in den Zuschreibungen zu verallgemeinern oder zu stark zu übertreiben, betont Oaklander (2009, 44). Ich will dies mit dem kleinen Beispiel einer eigenen Beobachtung veranschaulichen:

      Eine Mutter sitzt mit ihrer 5-jährigen Tochter in der Garderobe eines Wiener Kindergartens, es ist kurz vor Kindergartenbeginn. Das Kind sitzt und bindet sich die Straßenschuhe auf. Die Mutter beugt sich mit ihrer großen Körperfülle über das Mädchen und redet lautstark auf sie ein. Es geht darum, ob sie nächste Woche im Kindergarten mit den Vorschulkindern übernachten will, oder nicht. »Willst Du mit den Vorschulkindern nächste Woche hier übernachten?«, fragt die Mutter mit lauter Stimme. Das Mädchen antwortet leise. »Ja.« Die Mutter hebt die Arme und ruft: »Du bist ein Engel!« Diese Antwort der Mutter verwirrt mich, vermutlich auch das Kind. Das Mädchen sagt »Ja« zur Übernachtung, meistert diese Situation auf ihre Art. Statt sie adäquat zu loben für diesen Entwicklungsschritt, lobt die Mutter sie im wahrsten Sinne des Wortes in den Himmel.

      Wichtig für Oaklander ist auch das Setzen klarer Grenzen: Rechtzeitiges Beginnen und Beendigen der Therapiestunde, unbedingte und ungeteilte Aufmerksamkeit (kein Telefonieren während der Stunde) und das gemeinsame Aufräumen des Zimmers am Ende der Stunde erwähnt sie als Beispiele. Auch das Deutlichmachen eigener Grenzen der Therapeutin hilft dem Kind, seine eigenen Grenzen zu spüren.

      »Gleichzeitig bleibe ich mir selbst treu. Ich habe keine Angst vor meinen eigenen Gefühlen und Reaktionen, und ich kenne meine Grenzen.« (Oaklander 2009, 32)

      Eine Grenze, die Oaklander nicht erwähnt, die ich aber für sehr wichtig halte, ist unsere körperliche Unversehrtheit. Kinder müssen diese Grenze respektieren, sie dürfen uns nicht absichtlich verletzen. Wenn diese Grenze nicht gewährleistet ist, muss das Spiel oder die entsprechende Aktivität sofort unterbrochen werden, bis diese Sicherheit wieder hergestellt ist. Ebenso dürfen die Gegenstände im Therapiezimmer vom Kind nicht absichtlich zerstört werden. Diese Grenzen von Raum, Zeit und körperlicher Unversehrtheit müssen zu Beginn der Therapie formuliert werden und manche Kinder müssen immer wieder daran erinnert werden. Wie ein Kind mit diesen Grenzen umgeht, ist ein Gradmesser für Fortschritte im therapeutischen Prozess.

      Spielen, Fantasie und Humor sind natürliche Ressourcen des Kindes. Bei traumatisierten Kindern sind sie oftmals verschüttet. Spielen, das Freude macht und lustvoll ist, absichtsloses Spielen, dieses Wiedergewinnen der Natürlichkeit im Spiel ist Aufgabe der Kindertherapie und auch der Arbeit mit den Angehörigen im Umweltfeld. Wieder Spielen zu lernen ist ein Therapieziel. KinderpsychotherapeutInnen sind darin auch ein Modell für Eltern, die oft mals selbst verlernt haben zu spielen. Sie werden von uns ermutigt, dass sie wieder mit ihren Kindern spielen. Das Kind wird angeregt, aktiv die Therapiestunde mit zu gestalten, Einfluss zu nehmen, auszuwählen, Kraft und Ausdauer im Ausprobieren zu entwickeln. Kinder werden auch aufgefordert im Sinne Oaklanders, aggressive Impulse zu zeigen. Im Laufe der kindlichen Entwicklung kommt es häufig zu negativer Sanktionierung von aggressiven Handlungen und infolge zu Beschämung. Die Annahme der Aggression als einer treibenden Kraft, um Ziele zu erreichen, macht sie aber erst nutzbar für heilsame Prozesse. So weit zu einigen Ausführungen von Oaklander und Mortola über den therapeutischen Prozess in der Gestaltkindertherapie. Abschließend sei angemerkt, dass Mortola Oaklanders Interventionen in einem 4-Stufen-Modell der therapeutischen Erfahrungen zusammenfasst, die weitere Ausführung dieses Modells würde an dieser Stelle zu weit führen (vgl. Mortola 2011, 78 ff.; 108).

      In der psychotherapeutischen Praxis haben wir es mit Kindern und deren Angehörigen zu tun, die mit komplexen Problemkonstellationen zu uns kommen und unsere Antworten müssen dieser Komplexität Rechnung tragen. Kinder mit Migrationshintergrund, traumatisierte Kinder, Kinder, die ohne Vater aufwachsen, Kinder inmitten von Wohlstandsverwahrlosung, Kinder psychisch kranker Eltern, Kinder mit Behinderung oder chronischer Erkrankung oder Kinder mit suchtkranken Eltern, wie es in der nachfolgenden Fallgeschichte von Anatol zur Sprache kommen wird. All diese Kinder brauchen unterschiedliche Unterstützung von uns und doch ist allen gleich: Sie sind Kinder und versuchen innerhalb eines geschützten Therapieraums, innerhalb einer tragfähigen dialogischen Beziehung mit uns Antworten zu finden auf ihr Dasein in der Welt.

      Fallgeschichte: Die Geschichte von Anatol, dem Jungen, der nicht wusste, warum er immer so viel weinen muss3

      Anatols Mutter rief mich in meiner psychotherapeutischen Praxis an und bat um ein Erstgespräch, eine Psychologin habe ihr nach einer klinischen Testung dringend geraten, für sich und ihren Sohn Anatol psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie wolle alleine zu diesem Gespräch kommen.

      Anatol war zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt, er lebte als Einzelkind mit seiner Mutter, einer moldawischen Altenpflegerin und mit seinem Vater, einem selbstständigen Handwerker. Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme hatte der Vater wieder zu trinken begonnen, nachdem er über ein Jahr abstinent gewesen war.

      Als mir Anatols Mutter das erste Mal gegenübersaß, sagte sie: »Anatol ist komisch, aber die Situation zuhause ist komisch.« Was meine sie damit, fragte ich nach. »Mein Mann trinkt, wir streiten uns sehr viel und Anatol hat Angst, sehr viel Angst. Er muss viel weinen, wissen Sie.« Sie selbst habe als Kind auch viel Angst gehabt, auch ihr Vater war Alkoholiker, für ihren Sohn Anatol wünsche sie sich etwas anderes, er solle nicht so viel Angst haben.

      Wie äußere sich die Angst, fragte ich weiter. Anatol habe vor allem Angst davor, alleine zu bleiben, auch vor Geräuschen fürchte er sich und vor Spinnen. Er beginne in letzter Zeit immer öfter grundlos zu weinen, was sie nicht verstehen könne, weil er doch ansonsten so ein fröhlicher Bub sei.

      Außerdem leide er immer wieder an heftigen Kopfschmerzen und Bauchschmerzen. In der Kinderklinik hätten sie keine organischen Ursachen finden können, vermutlich seien die Beschwerden psychosomatischen Ursprungs. Die Mutter hat ein testpsychologisches Gutachten mitgebracht, in dem die Angststörung und die psychosomatische Reaktionsbildung Anatols

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