ТОП просматриваемых книг сайта:
Sperare Contra Spem. Susanne Hegger
Читать онлайн.Название Sperare Contra Spem
Год выпуска 0
isbn 9783429060572
Автор произведения Susanne Hegger
Жанр Документальная литература
Серия Bonner dogmatische Studien
Издательство Bookwire
Eine derartige Abwertung des Ästhetischen liegt nun nach Balthasar in der Konsequenz neuzeitlicher Seinsvergessenheit. In einseitig rationaler Betrachtung des Seienden wird das Schöne aus seinen „unlösbaren Verschlingung mit den beiden metaphysischen Schwestern“, dem Wahren und dem Guten herausgelöst. „Und dieses Verlassen des Hintergrundes ist schon die Gefahr und die beginnende ‚Verästhetisierung‘ des Schönen.“385 Schönheit in einem aus jedem Seinszusammenhang gelösten und damit veräußerlichten Sinn kann nur vom Göttlichen ablenken. „Diese Isolierung des Ästhetischen … muss immer im Auge behalten werden, wenn man seinem Bann aus dem Feld der Theologie durch Kierkegaard … gerecht werden will.“386 Unter dieser Voraussetzung nämlich ist die Ablehnung nachvollziehbar und auch im Sinne Balthasars durchaus gerechtfertigt. Die Grundanliegen beider Denker decken sich also durchaus. „Kierkegaard sichtet in seinem Werk auf diesem Wege, was sich bei Balthasar in seiner Unterscheidung von ästhetischer Theologie und Theologischer Ästhetik findet.“387
Dennoch kann und muss nach Balthasar eine rein ablehnende Haltung der Ästhetik gegenüber durch ein völlig anderes, nämlich metaphysisches Verständnis von weltlicher Schönheit und göttlicher Herrlichkeit überwunden werden. Darin nämlich erscheint das Schöne in gegenseitiger Durchdringung mit dem Wahren und Guten als transzendentale Eigenschaft des Seins. In der Betrachtung des Schönen ist der Mensch dann keinesfalls mehr dem Seienden verhaftet, sondern begegnet im Umgang mit dem Schönen dem Sein an sich. Ästhetik steht dann der Begegnung mit Gott nicht im Wege, sondern wird vielmehr zur unverzichtbaren Brücke zwischen Gott und Mensch.
Die Aufgabe theologischer Ästhetik, so hat sich gezeigt, „besteht im Einstimmen des subjektiven Elements auf das objektive, genauer: im Herstellen von Voraussetzungen, damit die objektive Evidenz ungehindert aufscheinen kann.“388 Was dann zutage tritt, ist das Wesen Gottes als absolute Liebe. Angesichts dieser Liebe kann der Mensch nun aber unmöglich unbeteiligter Beobachter bleiben. „Das ‚Erblicken‘ dieses göttlich Selbstevidenten ist kein unbeteiligtes ästhetisches Zuschauen, sondern das Innewerden des Schonbeteiligt-Seins.“389 Das hat sich bereits mit Blick auf den Erkenntnisvorgang gezeigt, ist doch schon das Erblicken Gottes nicht anders zu denken, denn als dynamisches Hineingenommenwerden in das göttliche Liebesgeschehen. „Gott will ja von uns nicht nur angesehen und wahrgenommen werden …, sondern er hat es von vorneherein auf das Zusammenspiel abgesehen.“390 Selbstoffenbarung Gottes ist in diesem Sinne in erster Linie Handeln Gottes in und an der Geschichte. Indem er sich zu erkennen gibt, stellt Gott den Menschen zugleich in die antwortende Entscheidung.
Hier nun liegt das Herzstück balthasarscher Theologie. Was es seiner Ansicht nach theologisch primär zur Sprache zu bringen gilt, ist „die Geschichte eines Einsatzes Gottes für seine Welt, eines Ringens zwischen Gott und Geschöpf um dessen Sinn und Heil“391. Die theologische Ästhetik gilt von Balthasar daher auch nur „als das erste Blatt eines Triptychons … und nur als dieses hat sie im Haushalt einer christlichen Theologie ihre Berechtigung.“392 Im Mittepunkt des theologischen Interesses steht dagegen die in der Selbstmitteilung Gottes eröffnete Situation des Aufeinandertreffens von unendlicher und endlicher Freiheit und die sich daraus entwickelnde Dramatik. Theoästehetik dient Balthasar wesentlich der Hinführung zur „Theodramatik“, die im Zentrum der Trilogie steht.
Die „Einsicht in die dramatische Verfasstheit der Offenbarungswirklichkeit darf man mit einigem Recht als Balthasars ursprüngliche theologische Grundeinsicht ansehen, die seinem gesamten Theologie-Vollzug, in Ansatz und Methodenwahl, in Inhalt und Gestalt den wohl wichtigsten Impuls gegeben hat.“393 Seiner Überzeugung nach ist nämlich die traditionelle Schultheologie mit ihrem ‚Bewältigungsdenken‘, i. e. in ihrem Bemühen um überschaubare theoretische Systeme in keiner Weise geeignet, die Lebendigkeit und Fülle aber auch den absoluten Ernst dieses Geschehens zwischen Gott und Mensch adäquat zur Sprache zu bringen394, und so strebt er „ihre Neustrukturierung unter dem Prinzip des Dramatischen“395 an. Auf der Suche nach geeigneten Motiven liegt es für den Germanisten Balthasar nun nahe, sich seinerseits der Kategorien des Dramas und des Theaters zu bedienen.396 Dabei ist er sich durchaus bewusst, „daß hier vom Christen und Theologen etwas vorläufig Ungewohntes verlangt wird, daß der so lange an ‚epische Theologie‘ Gewöhnte sich erst einmal der neuen Sehweise … anpassen muss.“397 Andererseits muss aber diese Sehweise auch ihrem Gegenstand angepasst werden. „Das Theater verdichtet, es steigert, es konzentriert den Raum und die Zeit.“398 Es kann also nicht darum gehen, die Theaterparabel unmittelbar auf das Geschehen zwischen Gott und Mensch anzuwenden; vielmehr ist sie als Form analoger Redeweise zu verstehen, und so betont Balthasar denn auch, dass er der Welt des Theaters lediglich das dramatische Instrumentar entlehnen kann und will, „das später, im Theologischen, nur in gründlicher Transposition verwendbar sein wird.“399
In diesem Sinne ist es zunächst einmal ganz allgemein das Baugesetz des Dramas, das Balthasar grundsätzlich geeignet scheint, theologische Grundaussagen sachgerecht zur Sprache zu bringen. Ausgangspunkt ist immer ein Konflikt, der auf dem Höhepunkt der Handlung in sein Gegenteil umschlägt. Einen solchen Konflikt kann es nur dann geben, wenn unterschiedliche Positionen in Freiheit aufeinander treffen. Damit rückt nach Balthasar eine ganz wesentliche Dimension der gott-menschlichen Beziehung in ganz neuer Weise in den Blick. „‚Freiheit‘ wird jetzt das entscheidende Wort, um das Geheimnis des Zusammenspiels von Gott und Mensch, von Schöpfer und Geschöpf zu verstehen.“400 Im Widerstand der menschlichen Freiheit gegen die göttliche spitzt sich das Drama immer mehr zu, bis es in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi seinen Wendepunkt erreicht.
Ein wesentlicher Impuls zur weiteren inhaltlichen Ausgestaltung und Durchformung dieser Grundstruktur ist Balthasar die Idee des Welttheaters, wie sie, nach seiner Einschätzung in gelungenster dramatischer Umsetzung, bei Pedro Calderon de la Barca (1600–1681) begegnet.401 Calderon wie auch Balthasar sehen „die Dramatik weniger im horizontalen Ablauf der menschlichen Handlung als in ihrer vertikalen Tiefenstruktur“402. Der trinitarische Gott selbst ist es, der das gesamte Spiel erdacht und die Bühne bereitet hat, der die Rollen verteilt und der schlussendlich auch für das Gelingen des Spiels einsteht. „Seine Verantwortung für das Ganze … läßt eine bloße Zuschauerhaltung nicht zu. Er ist im Spiel mitengagiert“403. Der Vater ist der Autor, der Sohn Protagonist, der Geist ist Regisseur. Die ganze Welt ist einbezogen; sie „ist die aufgeschlagene Bühne, auf der sich die Begegnung des ganzen Gottes mit dem ganzen Menschen vollziehen wird“404. Zuschauer gibt es nicht, denn jeder Mensch spielt eine ihm zugedachte Rolle.
Diese Idee wird Balthasar zur Grundmetapher, die er nun seinerseits theologisch ausgestaltet. Es lässt sich an dieser Stelle bereits erahnen, welch breites Spektrum möglicher Perspektiven sich aus diesem Ansatz eröffnet. Alle in das Spiel involvierten Personen in ihren unterschiedlichen Rollen und damit Relationen können in den Blick genommen werden. Die Dynamik der Handlung tritt klar hervor.
In deutlicher Anlehnung an Calderon