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Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
Читать онлайн.Название Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten
Год выпуска 0
isbn 9783429060954
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия Erfurter Theologische Studien
Издательство Bookwire
1. Adelige Karriere vom kurkölnischen Juristen zum Münsterer Domherren
Der allgemeine Lebenslauf des späteren Fürstbischofs Ferdinand von Lüning für Corvey und Münster ist in den letzten Jahrzehnten relativ gut erforscht worden. Er begann für Ferdinand Hermann Maria von Lüning zu Niederpleis20 noch ganz in der Welt der Deutschen Reichskirche am 15. Februar 1755 auf der Burg Horbell, etwa 20 km von Köln entfernt in der Gemeinde Gleuel, heute ein Stadtteil der Gemeinde Hürth im Rhein-Erft-Kreis. Sein Vater war Johann Wilhelm von Lüning zu Niederpleis († Ostwig 1784) und seine Mutter Maria Odila, Geborene von Graugreben-Oberelem († Corvey 1807). Er war das dritte von wahrscheinlich sechs bis sieben Kindern und erhielt unter den damaligen Umständen eine standesgemäße und nach heutigen Maßstäben bestmögliche Erziehung, in der er zunächst das Kölner Drei-Königen-Gymnasium (Tricoronatum) absolvierte. Danach begann er keineswegs direkt mit einer geistlichen Karriere, sondern wurde Page am kurkölnischen Hof in Bonn, wohin seine Mutter gute Kontakte hatte. Nach diesem „standesgemäßem Praktikum“ studierte er Rechtswissenschaften an der 1737 gegründeten evangelischen Universität Göttingen. Anschließend erwarb er die erst juristische Praxis am Reichskammergericht in Wetzlar. Ab dem Jahre 1779 setzte der 24-jährige Jurist auf eine juristische Karriere am Hof des Kölner Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich (1784-1801). Hier avancierte er vom Regierungsrat zum Mitglied des Oberappellationsgerichtes des Kölner Kurstaates.
Welche Umstände und Motive den erfolgreichen jungen Juristen dann bewogen haben, als Kleriker in den geistlichen Stand zu treten, ist direkt nicht bekannt, doch ist ein „juristischer Karriere-Stau“ nicht auszuschließen, da es Hinweis gibt, dass sich seine Hoffnungen auf das Präsidentenamt des Oberappellationsgerichtes nicht erfüllt haben sollen. So entschloss sich der 29-jährige, im Jahre 1795 in den geistlichen Stand zu treten, aber zunächst nur in der reichskirchlichen Epoche durchaus üblichen „vorsichtigen Form“. Genauer erhielt er am 23. Juni 1785 in der Hauskapelle des Kölner Weihbischofs Karl Aloys Graf von Königsegg-Aulendorf (1770-1796) dazu nur die Tonsur und nicht einmal die vier niederen Weihen. Und dann dauerte es noch fast sechs Jahre, bis ihm der Kölner Kurfürst Maximilian Franz, der zugleich seit 1784 auch Fürstbischof von Münster war, am 23. März 1791 eine Präbende im hochadeligen Münsterer Domkapitel übertrug, was ihm ein Einkommen auf geistlicher Basis sicherte.21
Für den weiteren geistlichen Aufstieg wurde im 18. Jahrhundert von adeligen Domherren ein „Auslandsstudium“ erwartet. Ferdinand von Lüning leistete dieses akademische „Biennium“ (genauer mindestens ein Jahr und sechs Wochen) in den Jahren 1791/92 in Rom nicht nur zum Vergnügen ab, sondern er hatte als ausgebildeter Jurist von seinem Vetter, dem Corveyer Abt Theodor Freiherr von Brabeck (†1794), einen besonderen Auftrag dazu bekommen. Denn die um das Jahr 815 gegründete Benediktiner-Abtei Corvey hatte bis zur Epoche des Barocks Blüte- und Verfallszeiten erlebt. Nachdem die Reichsabtei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an Bedeutungs- und Anziehungskraft verloren hatte, drohte eine vorzeitige Säkularisation. Um als Abtei im Erzbistum Mainz nicht aufgelöst zu werden, gab es nur die Alternative, sich vom Papst in ein Fürstbistum umwandeln zu lassen. Diesen Rettungsweg hat bereits im Jahre 1752 die Abtei Fulda zu einem Fürstbistum erfolgreich eingeschlagen.22
2. Vom „Gründungsmanager“ des Fürstbistums Corvey zum designierten Bischof von Münster
Wie Georg Föllinger im Jahre 1978 in seiner Dissertation „Von der Reichsabtei zum Fürstbistum“ genauer untersucht hat, war es das entscheidende Verdienst von Ferdinand von Lüning bei diesen Verhandlungen in Rom (Juni 1791 bis April 1792), dass er sie in Umwandlungsverhandlungen erfolgreich gestalten konnte. Mit den päpstlichen Urkunden vom 23. April 1792 wurden der Abt zum Bischof, der Prior zum Domdechanten und die übrigen elf Mönche zu Domkapitularen ernannt, denen das Bischofswahlrecht zustand. Daneben sollte es zunächst auch drei Domicellare mit einer Anwartschaft auf eine frei werdende Domherrenstelle geben, die ritterbürtiger Herkunft sein und mindestens die Tonsur empfangen haben mussten. Da für ein Reichsbistum auch eine kaiserliche Konfirmation notwendig war, musste Ferdinand von Lüning nach seinem Biennium auch noch die schwierigen Verhandlungen in Wien weiterführen, die unter dem Einfluss der sich weiter ausbreitenden französischen Revolutionsheere standen. Erst im Januar 1794 war die kaiserliche Bestätigung der vom Papst ausgesprochenen Säkularisation und Erhebung der exemten reichsunmittelbaren Benediktinerabteil Corvey zum Fürstbistum erreicht worden. So konnten dann am 1. Juni 1794 der Abt Theodor von Brabeck im Alter von 59 Jahren zum ersten Corveyer Bischof geweiht und das Domkapitel eingerichtet werden, in dem Ferdinand von Lüning am 20. Februar 1794 gemäß seinem adeligen Stand und wohl auch in Anerkennung seiner Verdienste um die Bistumsgründung eine Dominicellaren-Stelle bekam.23
2.1 Zweiter Corveyer Fürstbischof 1795-1803
Aus Alters- und Gesundheits-Gründen wollte der erste Corveyer Fürstbischof Theodor von Brabeck den erfolgreichen und verwandten jungen Domicellar Ferdinand von Lüning am 16. November 1794 zu seinem Koadjutor wählen lassen. Doch als Fürstbischof Theodor von Brabeck schon am 25. Oktober 1794 verstarb, blieb dem neuen Corveyer Domkapitel vor dem Hintergrund der auf dem linken Rheinufer schon laufenden französischen Säkularisation der vormals deutschen Reichsbistümer (u. a. Köln, Lüttich, Mainz, Trier) am 16. Dezember 1794 nichts anderes übrig, als den 39-jährigen Domicellar Ferdinand von Lüning „per acclamationem“ zum zweiten Corveyer Fürstbischof zu wählen. Als Zeichen der noch bestehenden Reichskirche war bei dieser Fürstbischofswahl ein kaiserlicher Wahlkommissar anwesend gewesen, und es ist zu erinnern, dass der „Electus“ noch nicht einmal die Priesterweihe empfangen hatte. Wie es in der Reichskirche durchaus nicht unüblich gewesen war, erhielt Ferdinand von Lüning die päpstliche Bestätigung am 1. Juni 1795 von Papst Pius VI. (1775-1799), genauer mit der Auflage, die notwendigen niederen und höheren Weihen vor der Einführung nachzuholen.
Damit stand Ferdinand von Lüning im Alter von über 40 Jahren vor dem endgültigen und vollständigen Eintritt in den geistlichen Stand, ohne vorher Theologie studiert oder ein Priesterseminar besucht zu haben. Von dem benachbarten Fürstbischof von Hildesheim und Paderborn, Franz Egon von Fürstenberg († 1825)24, wurde Ferdinand von Lüning in Hildesheim binnen drei Tagen „hochgeweiht“. In diesem in der Epoche der Reichskirche durchaus auch schon vorher praktizierten Verfahren empfing Ferdinand von Lüning zunächst am 4. August 1795 die vier niederen Weihen (Ostiarier, Exorzist, Lektorat, Akolytat) und die Subdiakonatsweihe (mit der Verpflichtung der Ehelosigkeit). Am 5. August folgte die Diakonatsweihe und am 6. August wurde Ferdinand von Lüning zum Priester geweiht. Danach empfing der Priester Ferdinand von Lüning binnen Monatsfrist am 6. September 1795 im Münsterer Paulus-Dom die Bischofsweihe, die ihm gespendet wurde von seinem „ehemaligen Chef“, dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof sowie Münsterer Fürstbischof25 Maximilian Franz zusammen mit seinem späteren Nachfolger im Bistum Münster, dem dortigen Weihbischof Caspar Max Droste zu Vischering (†1846),26 der am 1. Juli 1845 sein „Goldenes Bischofsjubiläum“ feiern sollte, was zu einem Aufbruchsereignis im westfälischen Katholizismus vor der März-Revolution 1848 wurde.27
Bis zur rechtsrheinischen Säkularisation der Reichskirche durch den Reichsdeputationshauptschluss vom Jahre 1803 konnte Fürstbischof Ferdinand von Lüning als zweiter Corveyer Bischof zusammen mit seinem Generalvikar Warinus Freiherr von Schade († 1824) gut sieben Jahre das kleine Fürstbistum