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Mutter schreibt er, dass ihm erst der Hinduismus gelehrt hat, das Herz Jesu wirklich zu verehren. In einem späteren Interview sagt er, dass er eine enge, persönliche Beziehung zu Jesus Christus lebt, unabhängig von Religion und Bekenntnis.

      Hymne für den Weltfrieden oder kommunistisches Manifest?

      TITEL:Imagine – John Lennon

      ALBUM:Imagine (1971)

      Vergangenes Jahr habe ich mir einen Wunsch erfüllt. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York City. Ein überwältigendes Erlebnis. Die Wolkenkratzer, der Trubel der Weltmetropole, aber auch die Geschichten der 9/11-Überlebenden. Die Reise hatte viele bewegende Momente. Einer bleibt mir aber ganz besonders in Erinnerung. Auf der westlichen Seite des Central Parks, zwischen den Joggern und Sonnenanbetern sitzen im Schatten mehrerer Bäume verteilt einige junge Männer mit Akustik-Gitarren. Jeder für sich spielt ein paar Lieder. Einige lauter, einige leiser, einige virtuoser, andere auch bemüht. In der Mitte der Gruppe ist eine ca. 2 Meter große, mit Mustern verzierte Plakette in den Boden eingelassen. Darauf nur ein Wort: Imagine.

      Dieser Ort ist unter Beatles-Fans bekannt als die „Strawberry Fields“, ein Teil des Parks, der dem Gedenken an John Lennon gewidmet wurde. Es war genau 22:50 Uhr am 8. Dezember 1980, als Lennon auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Mark Eric Chapman angesprochen wurde. Der Beatles-Fan ließ sich ein Album signieren. Als sich Lennon umdrehte, schoss ihm Chapman vier Mal in den Rücken. Nur zehn Minuten später wurde er im nahen Krankenhaus für tot erklärt. In einem Statement am Folgetag schreibt seine Frau Yoko Ono: „Es wird kein Begräbnis für John geben. Er hat die Menschheit geliebt und für sie gebetet. Bitte tut dasselbe für ihn.“ Seine Asche wurde daraufhin im Central Park an der Stelle verstreut, zu der selbst Jahrzehnte später noch Tag für Tag Menschen pilgern – den Strawberry Fields. Die Anziehungskraft des ehemaligen Beatles-Sängers ging weit über seine Musik hinaus. Er ging in die Geschichte ein als Ikone für den Frieden, aber auch für den Atheismus. Und viel davon hat mit diesem einen Lied aus dem Jahr 1971 zu tun.

      Ein paar Wochen nach meiner Reise hat die Nachricht des Attentats auf dem Berliner Weihnachtsmarkt Deutschland und die Welt erschüttert. Bei uns am Kölner Dom wurde am Abend danach zur Schweigeminute auf dem Weihnachtsmarkt aufgerufen. Hunderte Menschen haben sich mit Kerzen hier im Schatten des Doms versammelt, gebetet, geschwiegen und dieses eine Lied von John Lennon gesungen. „Imagine, there’s no heaven, it’s easy if you try …“

      Zwei Erlebnisse, verbunden durch ein Lied. „Imagine“ ist in den vergangenen Jahrzehnten zum Symbol geworden. Ein Symbol, das der Trauer der Menschen Worte gibt, aber auch ein Symbol der Hoffnung, des Wir-lassen-uns-nicht-unterkriegens. Neil Young hat den Song im September 2001 beim Tribute-Konzert für die 9/11-Opfer gespielt. Am Tag nach den Anschlägen von Paris im November 2015 ist der deutsch-italienische Straßenmusiker Davide Martello mit seinem Klavier vor die Türen des Bataclan-Konzertsaals gezogen und hat ebenso dieses Lied von John Lennon gespielt. Danach ist er mit dem Klavier zu den anderen Tatorten der vorigen Nacht gezogen und hat an jedem Ort „Imagine“ gespielt. Das Video davon ist im Internet zu einem viralen Hit geworden.

      Ich muss aber eingestehen, so bewegend „Imagine“ auch ist, mir läuft immer ein unangenehmer Schauer über den Rücken, wenn ich die Zeilen „Imagine there’s no heaven … and no religion too“ singe. Und vielen anderen Christen geht es ähnlich. Man muss sich nur mal die Diskussionen auf Facebook oder YouTube anschauen, wann immer das Lied irgendwo gepostet wird.

      Wie geht das zusammen? Ein Lied, das scheinbar alle Menschen auf der ganzen Welt im Frieden vereinen will, auf der anderen Seite aber sagt „Ihr, die ihr an Gott glaubt, euch wollen wir nicht“? Man könnte ja denken, dass ein naiver John Lennon einfach überschätzt hat, welchen Einfluss das Lied und insbesondere diese eine Zeile zur Religion haben wird.

      Dem Rolling Stone Magazin hat er 1980, kurz vor seinem Tod, etwas eingestanden: „Im Grunde genommen ist „Imagine“ das kommunistische Manifest. Ich bin kein Kommunist oder gehöre einer anderen Bewegung an, aber das steckt definitiv drin“. „Imagine no posessions…“ Stell dir eine Welt ohne Besitz vor, ohne Gier oder Hunger, wo jeder alles teilt.“ Die Idee mit dem Kommunismus ist definitiv nicht von der Hand zu weisen. Dabei sagt Lennon aber auch, dass er damit nicht den russischen Sozialismus oder Kommunismus meint, das was er sich vorstellt ist eher ein Ideal, das mit der heutigen Welt nichts zu tun hat. „You may say, I’m a dreamer…“

      Ob man es nun Kommunismus nennt oder Utopie, Lennon wollte immer ein richtiges politisches Kampflied schreiben. Im Gegensatz zu Songs wie „Working Class Hero“ oder dem Folk-Klassiker „This Land is your Land“ von Woody Guthrie, wird die Botschaft in „Imagine“ aber mit einer eingängigen Melodie und süßlichen Piano-Klängen verziert. Auf diese Weise wird die Botschaft dahinter ein wenig versteckt oder verschleiert. So kommt es dazu, dass dieses „politische Kampflied“ immer wieder bei Hochzeiten oder anderen feierlichen Anlassen von Leuten gesungen wird, die sich über den Text gar nicht so wirklich im Klaren sind. In gewissem Sinne also noch einiges subtiler, als die anderen „Kampflieder“.

      Aber versuchen wir mal die Welt nicht ganz so schwarz und weiß zu sehen. Wie sieht es aus mit John Lennon und seiner Spiritualität? „Ich bin Jesus’ größter Fan“, ist ein Satz, den man von John Lennon vielleicht nicht erwarten würde, aber diese Worte hat er tatsächlich mal in einem kanadischen Radiointerview gesagt, Ende der 60er. Angefangen hat alles ähnlich wie bei seinen Beatles-Kollegen. Religiöses Elternhaus, dann die Entfremdung von der Kirche im Teenager-Alter. Lennon wurde mal aus der Kirche rausgeschmissen, weil er während der Messe gekichert hat. Von dem Zeitpunkt an stand er in gewissem Sinne auf Kriegsfuß mit der Idee der organisierten Religion. Einer der größten Konflikte für ihn war, dass er Yoko Ono nicht in der Kirche heiraten konnte, weil er schon vorher verheiratet und geschieden wurde. Die Kirche hat er daraufhin als „spießig“ bezeichnet. Natürlich muss hier auch sein Interview von 1966 erwähnt sein, in dem er die Beatles als ‚populärer als Jesus’ bezeichnet hat. Später hat er die Worte gleichzeitig verteidigt und relativiert. „Ich habe nie gesagt, dass das was Gutes ist, aber ich glaube, dass die Beatles auf die Jugend einen größeren Einfluss haben als Christus.“ Die Beatles, fügt er hinzu, haben immer auf der Seite Jesu gestanden, wenn auch nicht auf der Seite der Religion. Wenn das mehr Leuten bewusst wäre, sagt er, würden zwar die Kirchen nicht voller, aber in den Diskotheken würden viel mehr Menschen tanzen, die sich als Christen bezeichnen. Eine unerwartete Wendung hat ihm 1977 der Fernsehfilm „Jesus von Nazareth“ beschert. Anscheinend hat ihn der Film so bewegt, dass er sich danach als „bekehrten Christen“ bezeichnet hat. Mit Frau Yoko und Sohn Sean wurde er kurz danach auch in der Messe zum Ostersonntag gesehen, mit feinem Anzug und allem. Wie überzeugt er von diesem Wandel war, oder ob es nur die fixe Idee eines exzentrischen Künstlers war, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall hat ihn seine Frau nach diesem überraschenden Wandel doch relativ schnell wieder davon überzeugen können, dass er doch viel mehr in den fernöstlichen und meditativen Religionen und Weltanschauungen zuhause ist. Das Thema des bekehrten John Lennon hatte sich damit erledigt.

      Und was ist mit „Imagine“? Steckt trotz „and no religion, too“ ein Glaube, eine Weltanschauung drin? Entstanden ist das Lied einerseits durch die Inspiration verschiedener Gedichte von Yoko Ono, aber auch durch ein christliches Gebetbuch, das ihm der schwarze Bürgerrechtler Dick Gregory geschenkt hatte. Lennon sagt, in diesem Buch hat er die Inspiration gefunden aus „Imagine“ ein Gebet zu machen. Als „positives Gebet“ bezeichnet er das. Wenn man sich eine Welt ohne Grenzen, ohne Krieg und ohne Religion vorstelle, dann habe dieses ‚Gebet’ auch die Kraft, das zu vollbringen. Interessanterweise fügt er direkt hinzu, dass keine Religion für ihn definitiv nicht das gleiche heißt wie kein Gott. Es heißt nur keine „Mein-Gott-ist-besser-als-deiner“-Religion, die seiner Meinung nach das ganze Leid und die Spaltung in die Welt bringt. „Ich wurde mal von einer christlichen Gemeinschaft gefragt, ob ich den Text zu ‚and one religion, too’ ändern kann, diese Leute haben es nicht verstanden und nur auf sich bezogen.“

      Ist also „Imagine“ dann doch kein kommunistisches Manifest gegen den Glauben und will nur, dass die Menschen alle in Frieden mit ihrem eigenen Gott leben? Das wäre wieder zu schwarz-weiß. Yoko Ono hat vor ein paar Jahren im

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