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selber darauf die Antwort geliefert. Beim Zen Buddhismus gehe es nicht um ein Gottesbild, sondern um Meditation. „Ich habe eine Religion und ich suche keine andere. Ich bin ein Jude.“ Als jüdisch-buddhistischer Mönch trug er den Namen Jikan: „Der Raum zwischen den Stillen“.

      Bei all den religiösen Bezügen in seiner Musik findet sich in „Suzanne“, einem seiner früheren Werke, wohl eine der schrägsten Zeilen. Jesus ist ein Segler, sieht, dass nur die Ertrinkenden ihn sehen, und macht alle Menschen zu Seeleuten. Warum? Das hat zu tun mit seiner Heimatstadt Montreal, einer Fast-Affäre mit einer verheirateten Frau und Orangentee.

      Das Lied erzählt von seinem Verhältnis zu Suzanne Vaillancourt, der Ehefrau eines Bekannten, die in einem Haus direkt am Hafen von Montreal wohnte. Cohen und Suzanne fühlten sich unwiderstehlich zueinander hingezogen, respektierten aber die Ehe von Suzanne und haben deshalb nie mehr getan als geredet. Bei diesen langen, intensiven Gesprächen gab es immer Orangentee, der auch in den Zeilen des Liedes verewigt ist. Eine Teemischung, aus China importiert, mit kleinen Stückchen Orangenrinde eingestreut. („She feeds me tea and oranges, that come all the way from China“). Soweit der offensichtliche Inhalt des Liedes. Bevor er aber selbst wusste, dass es in dem Lied um Suzanne gehen würde, hatte er die Melodie im Kopf, und das Bild des Hafens von Montreal. Dort in diesem Hafen befindet sich eine Kirche für die Seeleute, die in der Stadt anlegen. Notre Dame de Bon Secour, auf dem Dach der Kirche steht eine große Marienstatue, Our Lady of the Harbour, die ihre Arme gen Wasser ausbreitet, die Segler, die Ertrinkenden, willkommen heißt. Für Cohen war dies immer ein Ort der besonderen Anziehungskraft, deshalb hat er die Kirche, die Segler und die Statue in diesem Lied verewigt.

      Interessanterweise stellt Cohen die Beziehung zu Suzanne und die zu Gott bzw. Jesus in diesem Text auf die gleiche Ebene. Zumindest wenn es darum geht, was sie mit ihm als Menschen anrichten. Im ersten Refrain heißt es „Du willst ihren Weg mitgehen, blind, und du weißt sie vertraut dir, weil du ihren perfekten Körper mit deinem Geist berührst“. Nach der Strophe über Jesus und die Seemänner bezieht er diese Worte aber auf Christus: „Verlassen, fast menschlich, willst du seinen Weg gehen, blind, du willst ihm vertrauen, weil er dich mit seinem Geist berührt hat.“

      Und was wurde aus Suzanne? Nachdem sie als Tänzerin in den 70ern die halbe Welt bereiste, erlitt sie eine Rückenverletzung und lebte später in einem umgebauten Campingwagen in der Nähe von Los Angeles. Cohen hatte sie nach der Veröffentlichung des Liedes nur noch einmal getroffen, kurz nach einem seiner Konzerte. Er gab ihr die Hand und bedankte sich mit den Worten: „Du hast mir ein wunderschönes Lied geschenkt.“

      Ein Liebeslied für Vietnam

      TITEL:I say a little Prayer – Dionne Warwick

      ALBUM:The Windows of the World (1967)

      Man stelle sich das mal vor: Mädchen ist in Jungen verliebt. So sehr, dass sie für ihn betet. Konstant. Morgens beim Aufstehen, noch bevor sie ihr Make up auflegt, während sie überlegt, welches Kleid sie anziehen soll, auf dem Weg zur Arbeit und in jeder Kaffeepause: Immer spricht sie ein kleines Gebet. „I say a little Prayer“ wurde 1967 zu einem der ersten großen Hits für die Soul-Diva Dionne Warwick. Die Version, die die meisten im Kopf haben, stammt allerdings von Aretha Franklin und wurde ein Jahr später, 1968, aufgenommen. Beide verbindet diese ungewöhnliche Liebesgeschichte. Eine Geschichte, die noch nicht mal von erwiderter Liebe erzählt. „Warum erhörst du meine Gebete nicht?“ Fragen beide in den letzten Zeilen des Liedes. Wer steckt hinter dem Song? Einer der einflussreichsten Komponisten und Produzenten überhaupt, der maßgeblich für die Musik des 20. Jahrhunderts mit verantwortlich war. Burt Bacharach. Geboren 1928 wurden seine Songs von über 1.000 Künstlern aufgenommen, über 50 Nummer-Eins-Hits kann sein Gesamtwerk aufweisen. Heute würden wir seine Musik wohl am ehesten als „easy listening“ bezeichnen, mit vielen sanften Trompeten, beschwingten Melodien und Anleihen aus der Jazz-Musik. Am ehesten wird das deutlich bei Liedern wie „That’s what Friends are for“ oder „Raindrops keep falling on my head“. Hört man sich das Original von „I say a little Prayer“ an, Dionne Warwicks Version, wird seine musikalische Handschrift auch einiges deutlicher, als bei Aretha Franklins Version, die doch mehr in Richtung Motown geht. Dionne Warwick kann man durchaus als die große Muse für Bacharach bezeichnen, als die beiden einmal begonnen hatten zusammenzuarbeiten, schrieb er seine Lieder in erster Linie nur noch für sie. Die Idee zu „I say a little Prayer“ hatte er gemeinsam mit Texter Hal David. Ein Liebeslied mit solch einem starken Glaubensbezug war auch in den 60ern durchaus unüblich (man denke daran, dass die Beatles erst zwei Jahre vorher gesagt haben, sie und die Popkultur der Jugend, seien populärer als Jesus, siehe dazu das Kapitel zu „Imagine“). Allerdings ist das Gebet im Zentrum des Liedes nicht das einzige, was dieses Lied ungewöhnlich macht: Es geht um eine unerwiderte Liebe. Warum? Warum betet die Sängerin für den jungen Mann Tag für Tag? Weil er im Moment im Krieg ist, in Vietnam genauer gesagt. Das Lied wurde fast zur Hymne für die Frauen und Freundinnen der US-Soldaten, die in dieser Zeit gegen den Vietcong kämpften. In so einer Situation reicht es nicht einfach zu hoffen und zu wünschen, dass der Partner gesund zurück kommt, in dieser Lage spielt auch das Gebet eine große Rolle. Ein Fakt, der sowohl Bacharach beim Schreiben, als auch Warwick beim Singen mehr als bewusst war. Hört man sich das Lied nun unter diesem Aspekt an, und bedenkt man, dass die Dame vielleicht so oft für den Geliebten betet, weil er in einem fernen Land um sein Leben kämpfen muss, dann bekommt das Gebet beim Aufstehen, auf dem Weg zur Arbeit, in der Kaffeepause, und wo es in dem Lied sonst noch besungen wird, noch mal eine viel tiefere Dimension. Das gleiche bei der Frage: „Why won’t you answer my prayer?“ Warum erhörst du meine Gebete nicht.

      Noch ein ganz persönlicher Tipp: Die Coverversion der Country-Western Band „The BossHoss“ aus dem Jahr 2006. Ich glaube, die Version ist nicht so ganz ernst gemeint, aber man hat was im Leben verpasst, wenn man nicht mindestens einmal einen Dionne-Warwick-Hit mit Wüstenklängen, Country-Instrumenten und der Zeile „The Moment I wake up, before I pull my jeans up“ gehört hat!

      Mit dem Teufel muss man Mitleid haben

      TITEL:Sympathy for the Devil – Rolling Stones

      ALBUM:Baggers Banquet (1968)

      Wenn es ein einziges Lied gibt, das verantwortlich ist für das Klischee, Rockstars würden den Teufel anbeten und Musik aus der Hölle machen, dann ist es wahrscheinlich dieses. Jahrzehnte später scheint das etwas skurril, da das Lied musikalisch und größtenteils auch textlich eher brav daherkommt. 1968 war die Aufregung aber groß. Dank „Sympathy for the Devil“ waren die Rolling Stones auf einmal die ersten „Bad Boys“ der Popmusik, was ganz anderes als die braven Beatles mit ihren Pilzkopf-Frisuren.

      Musikalisch versetzen sich die Stones hier in die Person des Teufels, der nicht irgendwo in der Hölle sitzt, sondern mitten unter uns ist. Verantwortlich für all das, was in der Geschichte schiefgelaufen ist. Angefangen hat es mit Jesus, dem er die Zweifel und den Schmerz ins Ohr geflüstert hat. Pontius Pilatus hat er angeraten seine Hände in Unschuld zu waschen. Später begibt er sich nach Russland und bringt den Zar zu Fall – und setzt damit die kommunistische Revolution in Gang. Aufgrund dieser Zeilen wurde das Lied in Hippie-Kreisen übrigens als heimliche Hymne der Konservativen betrachtet, weil der Teufel mit dem Kommunismus gleichgesetzt wird. Später geht der Teufel nach Amerika, bringt Präsident Kennedy und seinen Bruder Robert um. Der Holocaust, der Hundertjährige Krieg und politische Unruhen in Indien. Überall war der besungene Teufel mit im Spiel.

      Man könnte das ja ganz einfach abtun als Faszination des Bösen, der Hölle und des Teufels, was alles jeher in Kunst und Kultur eine große Rolle gespielt hat. Denken wir nur an die Höllenvisionen des Hieronymus Bosch. In Wahrheit haben sich Mick Jagger und Keith Richards aber tatsächlich einiges an Gedanken gemacht. Keith hat mal in einem Interview gesagt, man müsse dem Teufel ins Gesicht schauen, auch wenn man das Böse in der Welt nur zu gerne ignorieren würde. Das Lied ist während des Vietnam-Krieges entstanden. Das erste Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die Jugend das Gefühl, dass die Zukunft eben nicht nur aus Wohlstand, Fortschritt und Frieden bestehen könnte. Und dafür muss jemand verantwortlich gemacht werden. „Die Menschen versuchen das Böse zu verdrängen und hoffen, dass sich das Thema von alleine erledigt. Dass es seine ekelige Fratze nicht zeigen wird. An so Momenten wie dem 11.

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