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Vier Pilger - ein Ziel. Christian Rutishauser
Читать онлайн.Название Vier Pilger - ein Ziel
Год выпуска 0
isbn 9783429062170
Автор произведения Christian Rutishauser
Жанр Религия: прочее
Издательство Bookwire
Benedicziun – Segen
An vielen Häusern im Unterengadin gibt es Aufschriften (Sgraffiti) der Besitzer.
Am Ausgang des Dorfes Bos-cha fand ich auf einer Hauswand den Spruch auf Romanisch: Dieu benedescha vos ir e vos gnir (deutsch: Gott segne euch, wenn ihr geht und wenn ihr kommt). Es ist eine schöne Ermutigung auf dem Weg, dem langen, den wir noch vor uns haben und der uns auch wieder in die Schweiz zurückbringen soll. Jemand spricht uns mit den Worten des Wallfahrtspsalms 121,8 Segen zu. (fm)
Das Pilgerband
Abschied nehmen, das wollen auch meine Freundinnen aus dem Zisterzienserkloster in Eschenbach. Sr. Ruth überreicht mir ein ganz besonderes Geschenk. Es ist ein langes weißes Band aus Leinen genäht. Sie hat in ihrer Handschrift unser Pilgermotto daraufgeschrieben: „Wir nehmen den Landweg, aber es ist ein Gang über das Wasser.“ Eingebettet ist das Motto in das immerwährende Gebet, das Herzensgebet: „Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich unser.“ Die Schrift von Sr. Ruth bedeckt die eine Seite des Pilgerbandes vollständig mit diesem Satz. Das Band hat außerdem etwa dreißig eingenähte Fächer. Die Idee wäre, dass ich Gedichte, die auf dem Weg entstehen, in diese Fächer legen könnte. Es kommt aber anders. Als sich die erste Gruppe, die uns auf dem Weg durch die Schweiz begleitet hat, verabschiedet, laden wir ein, persönliche Fürbitten zu schreiben und diese in die Fächer des Bandes zu legen. Das Band ist im Nu gefüllt. Wir versprechen, für jedes Anliegen einen Tag zu pilgern.
Das Pilgerband, die Erfindung von Sr. Ruth, wird zum Symbol unseres Weges. Wir legen es jeden Tag, wenn wir uns Zeit für eine gemeinsame Gebetszeit nehmen, auf den Flecken Erde, wo wir gerade sind. Wir nehmen Bitten heraus und legen neue dazu von Menschen, denen wir unterwegs begegnen. Feiern wir Eucharistie, dient es als Stola. Das Pilgerband verbindet alles: die Menschen zuhause, die Menschen in allen Ländern unterwegs, uns Pilger. In Syrien ist das Band schwarz geworden, weil mein Rucksack durchnässt war. Die schreckliche Kriegsgeschichte, die bereits spürbar über dem Land hängt, hat mit seiner Dunkelheit unser Pilgerband gezeichnet. In Jerusalem erfährt die Geschichte mit dem Pilgerband ihren Höhepunkt. (ha)
Heimweh oder Fernweh
Pfingsten, Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes, Geburtsstunde der Kirche in Jerusalem. Der Gottesdienst in der karolingischen Klosterkirche von Müstair war tatsächlich freudig geistbewegt und die Stimmung erinnerte an das himmlische Jerusalem. Die Mühen des Weges sind vergessen, die Tränen getrocknet und in aller Verschiedenheit stehen wir geeint vor Gott. Damit ist die Ouvertüre unseres Pilgerwegs mit der Gruppe zu einem Ende gekommen, durch ein eindrückliches Finale. Die Mitpilger und Freunde, die für diesen Pfingstgottesdienst nach Müstair aus dem Unterland angereist sind, sind nach dem Mittagessen im Klosterhof wieder nach Hause gefahren.
Für uns vier Jerusalempilger werden sich die einzelnen Melodien in den kommenden Tagen entfalten. Ja, auch wenn zuerst nun ein Ruhetag angesagt ist, so zieht es mich innerlich nach vorn, wie von einem Fernweh getragen. Vor über 35 Jahren war ich als kleiner Bube hier in Müstair in meinem ersten Jungwachtlager und hatte Heimweh. Einst die Sehnsucht nach Mama und Papa, heute die Sehnsucht nach Jerusalem. Ist es dieselbe Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat? Vielleicht dieselbe Sehnsucht, doch ein anderes Ziel! (chr)
Unsere Rollen
Esther stellt zu Beginn des Pilgerns zu viert ab und zu die Frage: Welchen Platz habe ich in unserer Gruppe? Wie gehöre ich dazu? Was bringe ich mit ein? Ihre Rolle ist am wenigsten greifbar und darunter leidet sie. Wir Frauen sprechen hin und wieder über ihre Frage und daraus entwickelt sich ein Versuch, für die Rolle aller vier Pilger Worte zu finden. Mein Antwortversuch fällt so aus:
Christian ist unser Visionär. Er hat Überblick, Einsichten in die großen Zusammenhänge und damit verbunden Tiefgang. Er ist der Initiant unseres konkret gewordenen Projektes. Er steht in Beziehungen mit zahlreichen Menschen und Institutionen, die das Unternehmen immer wieder unterstützen. Davon dürfen wir profitieren.
Franz ist unser „Stern von Bethlehem“. Er hat eine unglaublich wertvolle Vorarbeit geleistet, sodass wir jetzt getrost ihm folgend und gehorchend auch manchmal eigenartige Wanderwege beschreiten. Er und sein GPS führen uns mit einer Präzision, die auf uns beruhigend und Vertrauen stiftend wirken. Wir haben uns auf den 4300 km gerade zweimal etwas verlaufen. Beim ersten Mal landen wir in Südtirol in einem Blumenkohlfeld und beim zweiten Mal hindert uns in der Südtürkei ein sumpfiger Kanal am Weiterkommen. Ich sage von Anfang an: Franz ist unser Stern von Bethlehem. Er führt uns mit Sorgfalt. Er nimmt uns alle Entscheidungen bezüglich des Weges ab. Dank seiner Vorarbeit verhindert er kräfteraubende Diskussionen, die bezüglich des Weges aufkommen könnten. Das ist eine enorme Entlastung. Er legt Tag für Tag ein tragendes Fundament, so dass es eines Tages möglich wird, in Jerusalem anzukommen.
Ich selber habe schon vor dem Aufbruch in der Schweiz formuliert, dass ich für die Beziehungen der vier untereinander zuständig sei. Die Vierergruppe ist aus meinem Beziehungsnetz entstanden. Mir stehen die Einzelnen am nächsten. Ich rege alle paar Tage an, beim oder nach dem Essen ins persönliche Erzählen zu kommen und voreinander auszusprechen, wie es insgesamt geht – innerlich und äußerlich. Ich spreche die andern unterwegs auch im Zweiergespräch auf ihr Befinden hin an. Bei mir laufen die Fäden des Beziehungsgeflechts immer wieder zusammen und damit bin ich gegen Ende des Pilgerns auch überfordert, weil es unauflösbare Spannungen unter uns gibt. Darüber berichte ich später.
Für Esther ist die Frage ihrer Rolle die offenste gewesen und während einiger Wochen auch geblieben. Es hat aber im Laufe der Zeit Antwortspuren gegeben. Eine davon lautet: Esther ist für uns „Engel, Kind und Hund“. Dieses Wortspiel ist eine Anlehnung an die biblische Geschichte im Buch Tobit. Der junge Mann Tobit bricht von zuhause auf eine große Reise auf. Er hat als Begleitung einen Engel an seiner Seite und ein Hund springt ihm hinten nach. Zugleich ist „der Engel, das Kind und der Hund“ der Titel eines wunderbaren Buches von Christian Bobin. Esther bringt Humor im richtigen Moment ein. Sie spricht unverstellt aus, was sich in ihr regt. Sie zeigt Freude. Sie lacht und weint. Sie staunt über das, was sie entdeckt. Sie pflückt Himbeeren und Kirschen, saugt an einem Grashalm. Sie stopft dauernd ihre Socken und wird immer wieder angeheuert. Man wollte sie uns schon wegnehmen, damit sie beim Heuet, bei der Heuernte, helfe. Sie sei eine Schneidige, hieß es. Ihr werden beim Abschied die Hände getätschelt. Wir und sie selber verstehen nicht ganz, was da geht. Müssen wir aber auch nicht, weil eben – sie ist für uns „Engel, Kind und Hund“. (ha)
DRITTES KAPITEL:
Erfahrungen mit dem GPS
Verantwortung für die Strecke
Mit wenig Routine und ohne Erfahrung habe ich zuhause viele Abende und Wochenenden damit zugebracht, die Route zu planen. Bis Bulgarien