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von DiH vorzugreifen und ein mögliches „Abgleiten in den religiösen Indifferentismus“340 zu vermeiden, was von einzelnen Konzilsvätern bis zuletzt befürchtet worden war und deren ablehnende Haltung gegenüber der Erklärung evozierte.341 DiH betont, dass Gott in Jesus Christus einen Weg zum Heil eröffnet hat, und zwar in der einzig wahren Religion („unicam veram Religionem“, DiH 1,2), die in der katholischen und apostolischen Kirche verwirklicht ist („subsistere […] in catholica et apostolica Ecclesia“, DiH 1,2).

      Die Rede von der „catholica et apostolica Ecclesia“ könnte für sich genommen – wären „catholica“ und „apostolica“ zusätzlich groß geschrieben – die „Catholica“ des Glaubensbekenntnisses bezeichnen, der sich Gott bedient, um sein in Christus begonnenes Heilswerk auf Erden fortzuführen. Der im „subsistit in“ jedoch deutlich werdende terminologische Rückgriff auf LG 8 lässt darauf schließen, dass die Adjektive im Sinne der notae ecclesiae zu lesen sind und somit die konkrete Existenzform der Catholica in der (römisch-)katholischen Kirche ausgesagt werden soll. Offensichtlich wählten die Konzilsväter ganz bewusst diese beiden der vier notae aus, um den inneren Grund herauszustellen, der die besondere „Nähe“ der (römisch-)katholischen Kirche zur Kirche Jesu Christi begründet bzw. sie als deren vollkommenste Existenzform qualifiziert. Das „catholica“ wäre dann nicht gewählt worden, um auf die allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zukommende Katholizität anzuspielen, sondern einzig, um die Catholica als in der (römisch-)katholischen Kirche „am meisten“ verwirklicht auszusagen. Hätte man sich ausschließlich für ein „catholica“ ohne „apostolica“ entschieden, wäre der Bezug zu den notae ecclesiae und die innere Aussageabsicht weniger augenfällig, hätte das „catholica“ schließlich als reine Denominationsbezeichnung „katholisch“ gelesen werden können, wie es etwa in DiH 14 geschieht, wobei hier – wie schon in anderen Papieren – das „catholica“ im „weiteren“ konfessionellen Sinne zu lesen ist, weil das „katholisch“ auch jene Kirchen des Ostens mit einschließt, die mit Rom uniert sind. Die Ergänzung des „catholica“ um das „apostolica“ lässt jedoch den Eindruck gewinnen, man habe hier mit Nachdruck die Exklusivität der (römisch-)katholischen Kirche betonen wollen.342 Dieser Eindruck verhärtet sich, zieht man die Textgenese von DiH in Betracht: Es fällt nämlich auf, dass erst mit dem fünften Textentwurf, dem „Textus recognitus“ vom 25.10.1965343, besagter Passus zum Wahrheitsanspruch der Kirche eingeschoben wurde, wahrscheinlich als Reaktion auf die Minorität von Konzilsvätern, die die Gefahr eines religiösen Indifferentismus und Pluralismus in der mehrheitlichen Haltung der Konzilsväter zur Frage der religiösen Freiheit gegeben sahen:

      „Primum itaque profitetur et asserverat Sacra Synodus Deum Ipsum vias generi humano notas fecisse per quas, Ipsi inserviendo, homines in Christo salvi et beati fieri possint. Hanc unicam veram Religionem subsistere credimus in catholica et apostolica Ecclesia, cui Dominus Iesus munus concredidit eam ad universos homines diffundendi, dicens Apostolis: ‘Euntes ergo docete omnes gentes baptizantes eos in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, docentes eos servare omnia quaecumque mandavi vobis’ (Mt. 28,19–20).”344

      Der „Textus denuo recognitus“ verändert diesen Passus noch einmal dahingehend, dass das „asserverat“ ausgelassen wird und der Plural „Wege“ („vias“) zum Heil, die („quas“) Gott den Menschen offenbar gemacht habe, um in Christus das Heil zu finden, in den Singular gesetzt wird. Fortan ist also nur noch von einem Weg („viam“) zum Heil die Rede, was mit der „einzigen wahren Religion“ („unicam veram Religionem“) korrespondiert, die das Konzil in der (römisch-)katholischen Kirche verwirklicht sieht und an dieser Stelle deutlich hervorhebt.

      Damit verstärkt sich die Annahme, dass mit dem „catholica“ im Sinne der dritten nota die (römisch-)katholische Kirche explizit ausgesagt wird, um deren einzigartige Qualität im Sinne von Glaubensfülle und -wahrheit zu unterstreichen (qualitative Katholizität), verwirklicht sie doch als „einzige wahre Religion“ die Catholica des Glaubensbekenntnisses in vollkommener Weise. Diese Interpretation ist gestützt durch die Tatsache, dass die Aufnahme des Passus nur aus dem Grund erfolgte, um eine dem Papier inhärente Beliebigkeit auszuschließen. Damit aber muss diese Passage inhaltlich als Rückschritt hinter das weiter gefasste Verständnis des „subsistere“ in LG 8 gewertet werden, wo ja das frühere exklusive Selbstverständnis der katholischen Kirche („est“) in ein bewusst „weiteres“ („subsistit in“) geändert wurde. Auch steht die exklusive Verwendung des „catholica“ in DiH 1 in einem gewissen Widerspruch zu der sonst in den Konzilstexten herauszulesenden „weiteren“ Verwendung, wo in inkludierender Weise auf die in ihrer Katholizität gründende Fülle und Weite der (römisch-)katholischen Kirche abgezielt wird, die – nach (römisch-)katholischem Verständnis zwar in graduell verschiedener Weise – allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen zukommt.

      Die weiteren Belegstellen sprechen allesamt in konfessioneller Lesart entweder von der „katholischen Lehre“ („doctrina catholica“ in DiH 1,3 und DiH 10), von der „katholischen Kirche“ („Ecclesia catholica“ in DiH 14,1.3) oder von den „Katholiken“ („Catholici“ in DiH 15,3).

       1.12Die Verwendung in AD

      Am 7.12.1965 erfolgte ebenfalls die Abstimmung über das Dekret „Ad gentes“, das mit nur fünf Neinstimmen die größte Zustimmung unter allen Konzilsdokumenten erzielte.345 Im Dekret lassen sich 19 Belegstellen für das Adjektiv „catholica“ bzw. die Substantive „catholici“ und „catholicitas“ finden (AG 1,1; AG 4 inklusive Fußnote 21; AG 6,2.6; 7,1; 15,3.7 sowie Fußnote 23 zu AG 15,3; AG 17,3; 20,7; 22,2; 36,2; 38,3; 39,2; 40,1; 41,2 sowie in der Fußnote 46 in AG 8).

      AG 1 spricht unter Rückbezug auf die Kirchenkonstitution Lumen gentium vom Wesen der Kirche als allumfassendem Sakrament des Heils (vgl. LG 48) und stellt die Sendung der Kirche heraus, allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden. Diese Sendung sieht das Missionsdekret in der ihr eigenen Katholizität („catholicitas“, AG 1,1) sowie im Missionsbefehl Christi (vgl. Mk 16,15) begründet.346 Hier wird deutlich, dass die extensive Katholizität der Kirche (ihre Weite und Offenheit gegenüber denen, die noch nicht zum Glauben gefunden haben) notwendig rückgebunden ist an ihre intensive Katholizität (ihre sakramentale Fülle, die ihr in und durch Christus geschenkt ist) bzw. dass die extensive Katholizität der Kirche innere Konsequenz ihrer intensiven Katholizität ist. Das, was gültig und wahr zu sein beansprucht, weil es die ganze Fülle Christi auf sakramentale Weise in sich trägt, hat universale Heilsbedeutung für alle Menschen und ist für alle bestimmt. Die qualitative Fülle und Ganzheit von Kirche (intensive Katholizität) drängt auf ihre quantitative Weite und Ganzheit (extensive Katholizität).347

      In AG 4 wird – nachdem AG 3 das Heilswirken Gottes in der Welt in Jesus Christus entfaltet hat – Gottes Wirken in der Welt durch die Kraft des Heiligen Geist thematisiert. Den Konzilsvätern ist bewusst, dass der Heilige Geist bereits vor der Menschwerdung Jesu von Beginn der Welt an (vgl. Gen 1) in dieser wirkte; sie betonen aber, dass mit der Geistsendung am Pfingsttag dieses Wirken des Heiligen Geistes in der Welt in qualitativer Weise eine Steigerung erfuhr, als er von Gott auf die Apostel und somit auf die werdende Kirche herab gesandt wurde, um diese zu befähigen und zu beauftragen, an der Sendung Christi teilzuhaben und am Auferbau des Reiches Gottes und der Kirche mitzuwirken. Das Missionsdekret bezeugt den Heiligen Geist als „inneren Motor“ der Sendung der Kirche, welcher die Ausbreitung der Kirche voranbringt (vgl. AG 4); darin erweist sich der Heilige Geist als inneres Konstitutivum der Kirche und ihrer Katholizität. Im Fortgang spricht AG von der geistgewirkten „Katholizität des Glaubens“ („fidei catholicitas“, vgl. AG 4) – hier im quantitativen Sinne von „Weite“ und „Offenheit“ gedacht – die sich darin erweise, dass durch die Aufnahme der Heiden in die junge Gemeinschaft der Kirche die von Gott immer schon gewollte Einheit aller Menschen vorausgebildet und anfanghaft konkretisiert worden sei. Es ist die „alle Differenzen und Abgrenzungen überspannende Weite des Geistes“, die dies bewirkt und die sich zeigen soll „in der Offenheit der Kirche auf alle Sprachen und das liebende Verstehen aller Sprachen und Kulturen“348. Hier äußert sich

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