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(‚Schreib-Juckreiz‘) zu zügeln“41. Nichtsdestotrotz forderte der Ordensgeneral einige Jahre später einen speziellen Zensor für Przywara, der dieser Aufgabe „eher zu streng als zu milde“42 nachzugehen hatte.

      Przywara kam mit dieser Art des Umgangs überhaupt nicht zurecht. Er sah sich „einmal zwischen zwei Stühlen: In Deutschland gelte er als ‚römisch‘, da er als einer der ersten gegen Wittig Stellung bezogen habe, in Rom sei er aber jetzt plötzlich nicht mehr orthodox“43. Da seiner Meinung nach dem Zensor jedes Verständnis für seinen Auftrag, sich auf die modernen Fragen und Strömungen zu beziehen und nicht nur einer schulmäßigen Theologie zu folgen, fehle, drohte Przywara unter diesen Bedingungen nicht mehr schreiben zu wollen. Schließlich musste aber der Ordensgeneral von seiner Absicht Abstand nehmen und den Zensor widerrufen.

      Die andere Seite der Medaille der innerkirchlichen Spannung zeigte sich in Przywaras Kontroversen um die Kierkegaard- und Newmandeutung, die zwischen den Vertretern eines traditionellen (im damaligen Sprachgebrauch eines scholastischen und jesuitischen) und eines kritischen Katholizismus ausgetragen wurde. „Ein führender Geist der ‚kritischen Katholiken‘ sagte mir“ – schreibt Przywara – „auf einer gemeinsamen Fahrt einmal offenherzig: Wir haben das gegen Sie, daß Sie die Geister, die wir gegen einen jesuitischen Katholizismus stellen möchten, Kierkegaard und Newman, ‚umjesuitieren“44.

      Schon der Novizenmeister soll Przywara vorausgesagt haben, „er werde sich noch einmal zwischen alle Stühle setzen“45. Irgendetwas von diesem Unverständnis für seinen besonderen Auftrag wird Przywara aber auch im Kontext seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, in deren Zusammenhang er auch das Jüdische behandelte, beklagen. „Auf diese Darlegungen hin verlangte der ‚Alemanne‘ von Freiburg, daß der Verf.[asser] in ein Konzentrationslager käme, – während zur selben Zeit katholische Kreise desselben Freiburg die Mär ausstreuten, der Verf.[asser] sei Nationalsozialist geworden“46.

      Tatsache ist, dass Przywaras Ausführungen nicht selten zweideutig und übertrieben gewagt sind, womit sie extreme Reaktionen hervorrufen können. Der Wille, den Mittelweg zu gehen und zwischen den Fronten zu stehen, hat auch seine Schattenseiten. Das Jesuiten-Ethos erreicht bei Przywara die Züge einer fragwürdigen Stilisierung. Er sei zum „ritterlich heiligen Narr“47 bestimmt. Nach seiner Begegnung mit Przywara notierte Karl Barth einen Ausspruch seines Gesprächspartners: „Jesuit kann man nur auf der Todeslinie sein!“48. Przywara scheut nicht, sich auf das katholisches Denken Herausfordernde als erster einzulassen, denkerisch zu riskieren und neue Wege vorzutasten. Aber gleichzeitig macht er immer Front, braucht einen Gegner, muss kämpfen und wird darin unersättlich. In seinem Denken baut sich eine Dynamik auf, die eine berechtigte Form der Begegnung des Verhältnisses nur noch parabolisch im Kampf sieht.

      Dieser Eigenart ist wahrscheinlich Przywaras Wirkung zu verdanken. Für die beiden theologischen Koryphäen des 20. Jahrhunderts – Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar –, ist Przywara derjenige gewesen, der aus der starr scholastischen Atmosphäre des philosophisch-theologischen Studiums ausbrach, Brücken zwischen der theologischen Tradition und dem ‚heutigen‘ Denken baute und die Bezogenheit der Kirche auf die Welt theologischprogrammatisch vollzog49. Für Rahner gehörte Przywara, und das „in erster Reihe“, zu der „Generation des Aufbruchs der Kirche in die Periode, die durch das Zweite Vatikanum amtlich“50 wurde. Im Hinblick auf die allgemeine Lage der deutschen Jesuiten in der Weimarer Republik würdigt der Ordenshistoriker K. Schatz die vielen neuen Denkansätze. Über Przywara schreibt er: „Eigentlich theologisch innovativ und inspirierend hat jedoch ein Jesuit gewirkt, der nie einen theologischen Lehrstuhl innehatte, von seinem Charakter her auch nicht hätte versehen können, dessen Fernwirkungen jedoch schwer abzuschätzen sind“51. In diesem Licht muss alles gelesen werden, was Przywara über das christlich-jüdische Verhältnis geschrieben hat.

      „Der beruhigte harmonische Mensch des neunzehnten Jahrhunderts starb in den Nächten der Weltkriegszeit. Er ist nur noch der Mensch Aug in Aug zu den Abgründen“52. Diese Worte Przywaras charakterisieren den dritten Ort, der symbolisch für seine Welt steht. Es handelt sich hierbei um eine existenzielle Verortung, die für sein ganzes, das einfache Glück entbehrende, Leben prägend war53, um im Laufe der Jahre jedoch immer beherrschender zu werden. Es ist dabei bezeichnend, in welch enger Verschlingung mit den Ereignissen seiner Epoche sich Przywaras Werdegang vollzieht. Hat sein vielfältiges Wirken in den 20er Jahren auf den hoffnungsvollen Wellen der katholischen Wende etwas vom „meteorischen Aufleuchten“, so markiert das politische Zäsur-Jahr 1933 den Beginn von Przywaras unaufhaltsamen „Absinken in die Einsamkeit des Krank- und Verlassenseins“54. Nach seinem am 29. September 1972 erfolgten Tod schrieb H. Fries: „Die jüngere Generation – auch die theologische – kennt vermutlich nicht einmal mehr den Namen, viele Ältere haben bei der Nachricht von seinem Tod vermutlich gedacht: Wir meinten, er sei schon längst gestorben. So ist das heute“55.

      Im besagten berüchtigten Jahr 1933 geht die Zahl der Vortragseinladungen rapide auf ein Viertel des vorausgehenden Jahres zurück, um 1939 ganz aufzuhören. Was Przywara aber viel härter traf, war der Einspruch des Verlegers der „Stimmen der Zeit“, dass aufgrund ihrer Schwierigkeit seine Artikel „dem erstrebten Leserkreis nicht angepasst“ seien, – „so daß Przywaras Beiträge von 29 im Jahr 1932 auf 6 im Jahre 1933 zurückgingen und er zunehmend auf Rezensionstätigkeit in der eigenen Zeitschrift verwiesen blieb“56.

      In derselben Periode machte sich bei Przywara, der von den Mitbrüdern schon ohnehin für einen „Mann ohne Nerven“57 gehalten wurde, sein psychisches Leiden immer bemerkbarer, um inmitten des Krieges mit voller Wucht auszubrechen. Auch hier verwob sich der äußere mit dem inneren Einschnitt. 1941 wird das Haus der „Stimmen der Zeit“ von der Gestapo aufgelöst, und dieser Ort seines Wirkens ging für Przywara für immer verloren – er hat seitdem nie wieder auf Dauer in einer Jesuitengemeinschaft gewohnt. Fast gleichzeitig erlitt Przywara einen schweren Nervenzusammenbruch und wurde in eine der Münchner Kliniken eingeliefert58. Nach der Überwindung dieser akuten Krise fand er verschiedene Unterkünfte bei Privatpersonen und wirkte bis zum Ende des Krieges als Akademikerseelsorger in München und Wien, indem er in zerbombten Kirchen und brennenden Städten Predigten und Vorträge hielt. Den Zusammenbruch seiner Gesundheit und die Katastrophe des II. Weltkriegs hat Przywara innerlich wohl nie überwunden. Ein neues, abgeschiedenes Zuhause fand er in der tiefen bayerischen Peripherie, im Dorf Hagen bei Murnau, wo er außerhalb der Ordensgemeinschaft und ohne die früher so selbstverständliche rege Teilnahme am Geistes- und Kulturleben lebte und als theologischer Schriftsteller wirkte59.

      Wie B. Gertz, der Przywara in Hagen in den 60er Jahren besuchte, schreibt, musste „seit dem Krieg – mit glücklichen Unterbrechungen – jede Arbeit überhaupt schwerster Krankheit abgerungen werden“60. Das Bild von Przywaras Erkrankung bleibt unscharf. Wie M. Lochbrunner anhand von Przywaras Beziehungsgeschichte zu H.U. von Balthasar zeigte, fühlte er sich von den Mitbrüdern und anderen Menschen aus seiner Umgebung nicht verstanden oder sogar verfolgt, ja von „dunklen Mächten“ bedroht61. „Jedenfalls scheinen Ängste und Verfolgungsvorstellungen zu den massiven Symptomen seiner Krankheit gehört zu haben“62.

      Der Umstand der Krankheit ist insofern von Bedeutung, als er manches in Przywaras Werk, vor allem im Hinblick auf seine Vision des Verhältnisses zum Anderen, im Zwielicht erscheinen lässt und eine eindeutige Interpretation erschwert. Es ist vor allem von Balthasar, der meinte, „dass die ‚normale‘ Phase bei Przywara etwa mit ‚Analogia Entis I‘ (1932) zu Ende sei, danach sei eine krankhafte Übersteigerung zum Durchbruch gekommen“63. Gleichzeitig gibt von Balthasar noch 1980 zu, den „Punkt der Aberration […], an dem er [Przywara] die Analogia Entis liegen lässt“ 64 und zu einer Widerspruchsdialektik übergeht, nicht festlegen zu können. Dass die psychischen Beschwerden an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, ist jedoch nicht dazu gedacht, Przywaras Werk zu diskreditieren. Es war ausgerechnet von Balthasar, der sich, trotz aller Vorbehalte, dafür einsetzte, dass Przywaras Ideen Beachtung finden65. Genauso wenig soll hier das Krankhafte

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