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Fazit und Konsequenzen

      Das also sind wesentliche Kennzeichen der veränderten sozioreligiösen Situation und der Religiosität Jugendlicher am Beginn des 21. Jahrhunderts: Zusehends schwindet die Gruppe derer, die an einen personalen Gott glauben; im Zuge dessen wächst gerade unter jungen Menschen eine größere religiöse Heterogenität, die bei vielen zu einer Unsicherheit in Fragen des Glaubens führt. Parallel dazu ist bei einem Großteil der Jugendlichen eine Distanz zur Kirche zu verzeichnen; weite Teile werden durch sie gar nicht mehr erreicht; trotz Sakramentenempfang fühlen sich nur wenige der Kirche persönlich verbunden. Diese Kirchendistanz geht einher mit einer Distanz zur dort gesprochenen Sprache; Jugendliche sind keineswegs sprachlos, wenn es um Religiosität geht, jedoch sprechen sie eine andere – eher eine religiöse „Suchsprache“ als eine „Besitzsprache“53 – und lehnen die im kirchlichen Bereich gesprochene Sprache oftmals ab, da sie ihnen unverständlich und erfahrungsfern ist.

      Worauf wird es also ankommen, wenn es darum geht, junge Menschen, ihren Glauben und ihre Einstellungen ernst zu nehmen? Wie kann der mit der Jugendsynode angestrebte Dialog zwischen Papst Franziskus und den Jugendlichen gelingen? Im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen scheinen dabei drei Aspekte zentral, die abschließend ausgeführt werden:

       a) Ernstnehmen der religiösen Heterogenität

      Die genannten Studien zeigen: Getauft zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, mit dem kirchlich verfassten Glauben vertraut zu sein und ein christliches Gottesbild zu haben. Zunächst einmal wird es also darauf angekommen, die religiöse Heterogenität zu berücksichtigen.

      Der Fragebogen lässt durchaus Ansätze einer Wahrnehmung dieser Heterogenität erkennen: So bietet etwa die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft („Gehörst Du einer Religionsgemeinschaft an?“) nicht nur die Antwortmöglichkeiten „Ja, der katholischen Kirche“, „Ja, einer anderen christlichen Konfession“, „Ja, einer nicht-christlichen monotheistischen Religionsgemeinschaft“, „Ja, einer anderen Religionsgemeinschaft“54, sondern zur Auswahl stehen auch folgende Items: „Ja, ich fühle mich als Christ, aber ohne mich auf eine Religionsgemeinschaft festzulegen“, „Ja, ich glaube an eine höheres Wesen, aber ohne Bezug zu irgendeiner Religionsgemeinschaft“, „Nein und ich glaube auch an nichts Religiöses“, „Ich glaube, dass man sich über Religion nicht äußern kann.“ Auch die Frage nach Gott ist recht offen gehalten: „Wenn Du an Gott glaubst, welche der folgenden Begriffe verbindest Du mit ihm?“. Zur Auswahl hierfür stehen folgende Möglichkeiten: „Wahrheit“, „Zweifel“, „Vater“, „Pflicht“, „Nutzlosigkeit“, „Mutter“, „Heil/Rettung/Erlösung“, „Zärtlichkeit“, „Freiheit“, „Leben“, „Geheimnis“, „Glück“, „Liebe“, „Sünde“, „Angst“. Damit verbindet sich die Chance, sowohl den Glauben an einen personalen Gott zu artikulieren als auch eher apersonalen Gottesvorstellungen Ausdruck zu verleihen. Freilich bleiben mögliche Ergebnisse sehr vage und assoziativ. Sie bieten erst einzelne Ansatzpunkte, um die Gottesbilder von Jugendlichen näher zu erfassen. Konkreter dagegen ist die Frage nach der Bedeutung Jesu formuliert: „Wer ist Jesus für Dich?“ Auch hier bieten die verschiedenen Antwortvorschläge die Chance, individuelle Beziehungsmöglichkeiten zu Jesus auszudrücken: „Ein Revolutionär“, „Ein Vorbild“, „Jemand, der es gut mit mir meint“, „Eine Erfindung“, „Die Hauptfigur eines Buches“, „Niemand, er ist mir gleichgültig“, „Ein Meister des Lebens“, „Ein Wegbegleiter“, „Ein Orientierungspunkt“, „Der Retter“, „Der Sohn Gottes“, „Ein Weiser aus vergangenen Zeiten“, „Ein Gegner, den es zu bekämpfen gilt“, „Ein treuer Freund“, „Ein Prophet“, „Sonstiges: …“.

      Fraglich ist, ob die religiöse Heterogenität Jugendlicher nicht noch weit größer ist, als innerhalb der Fragen und vorgeschlagenen Antwortmöglichkeiten berücksichtigt wird. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass in den Fragen eine Bereitschaft erkennbar ist, dem individualisierten Glauben der Jugendlichen überhaupt auf die Spur zu kommen.

       b) Berücksichtigung der schwindenden Beheimatung in der Kirche

      Das zentrale Problem im Verhältnis von Jugend und Kirche hat Papst Franziskus selbst in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ aus dem Jahr 2013 bereits benannt: „Die Jugendlichen finden in den üblichen Strukturen [der Jugendpastoral; EW] oft keine Antworten auf ihre Sorgen, Nöte, Probleme und Verletzungen“55 – eine Einschätzung, die sich mit den Ergebnissen der Shell- und Sinus-Studien deckt. Zugleich mahnt der Papst an, dass die Kirche es wagen müsse „die Initiative zu ergreifen“56 und „auf dem Weg einer pastoralen und missionarischen Neuausrichtung voranzuschreiten, der die Dinge nicht so belassen darf wie sie sind“57.

      Im Hinblick auf die bevorstehende Jugendsynode wird entscheidend sein, welcher Gestalt diese Neuausrichtung sein soll. Zweifelsohne verbindet sich mit ihr eine Gratwanderung: Auf der einen Seite gilt es, die Jugendlichen ernst zu nehmen und zu bestärken, die in der Kirche beheimatet sind, kirchliche Angebote nutzen, sich in ihrer Gemeinde engagieren und dadurch der Kirche ein Gesicht geben. Auf der anderen Seite ist nach Wegen zu suchen, auch solche Jugendliche anzusprechen, die sich von der Kirche entfremdet haben, ihr gleichgültig gegenüberstehen oder sich bewusst von ihr distanzieren.

       c) Überwindung von Sprachbarrieren

      Eine gemeinsame Sprache zu finden, mit deren Hilfe eine Verständigung auf Augenhöhe nötig ist – eine Sprache, die sich nicht einfach nur anbiedert, zugleich aber von den Jugendlichen verstanden wird – das ist vielleicht die größte Herausforderung, vor der die Jugendsynode steht.

      Ein erster wichtiger Schritt zu einem ernsthaften Dialog zwischen Kirche und Jugend wurde bereits unternommen: Papst Franziskus zeigt Interesse, die Jugendlichen zunächst selbst zu Wort kommen zu lassen. Einerseits bleibt er dabei sowohl in dem an die Jugendlichen gerichteten Brief wie auch in einzelnen Formulierungen des Fragebogens der von Feifel monierten ‚Kirchensprache‘ sehr eng verhaftet58; andererseits wird erkennbar, dass er die ebenfalls beklagte ‚dozierende Selbstgefälligkeit‘ ablegt: nicht als ‚Lehrer‘, sondern eher als ‚Vater‘59 will er sich verstanden wissen. Ob er im bislang lediglich eröffneten Dialog mit den Jugendlichen tatsächlich den richtigen Ton trifft und die passenden Worte finden wird, bleibt abzuwarten.

      1 Franziskus, Schreiben des Heiligen Vaters an die Jugendlichen zur Vorstellung des Vorbereitungsdokuments der XV. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, abrufbar unter: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/letters/2017/documents/papa-francesco_20170113_lettera-giovani-doc-sinodo.pdf [Zugriff am 15. August 2017].

      2 So die einleitenden Worte zum im Vorfeld der Synode entwickelten Fragebogen „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung“, abrufbar unter: https://survey-synod2018.glauco.it/limesurvey/index.php/147718 [Zugriff am 15. August 2017].

      3 Weiß, Katharina, Generation Geil. Jugend im Selbstporträt, Berlin 2010.

      4 Ziebertz, Hans-Georg, Warum die religiöse Dimension der Wirklichkeit erschließen, in: Ders./ Hilger, Georg / Leimgruber, Stephan (Hgg.), Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf. Neuausgabe, München 62010, 123-141, hier 124.

      5 Ebd. Dass sich nicht alle Religionspädagogen dem anschließen, zeigt: Porzelt, Burkard, Grundlegung religiöses Lernen. Ein problemorientierte Einführung in die Religionspädagogik (12009), Bad Heilbrunn 22013, 148.

      6 Ziebertz, Hans-Georg, Gesellschaftliche und jugendsoziologische Herausforderungen für die Religionsdidaktik, in: Ders. / Hilger Georg / Leimgruber, Stephan (Hgg.), Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf. Neuausgabe, München 62010, 76-105, hier 81.

      7 Ebd., 82.

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