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Leistungs- und Lernpotenziale von Mitarbeitern zu erkennen, zu gestalten und in Abstimmung mit dem gegenwärtigen und zukünftigen Organisationsbedarf verwendungs- und entwicklungsbezogen zu definieren. Im Gegensatz zu operativen Handlungen lösen strategische Entscheidungen langfristige und ganzheitliche Probleme und orientieren sich nicht am Tagesgeschäft. Der Begriff der Strategie bezieht sich in Bezug auf Personalentwicklung auf die bewusste und langfristig angelegte Gestaltung des Spannungsfeldes zwischen Dienstleistung für den Arbeitgeber und Dienstleistung für den einzelnen Mitarbeiter. Strategische Personalentwicklung unterstützt den Prozess einer lernenden Organisation, da bewusst sowohl Wissensvermittlung als auch die Vermittlung von Selbstlernkompetenzen angestrebt ist. Die Strategie jeder Personalentwicklung ist ausgerichtet an den expliziten und impliziten Zielen einer Organisation.

      Im Folgenden werden wesentliche Entwicklungsschritte im Verständnis von Personalentwicklung skizziert, Ziele und Methoden strategischer Personalentwicklung aufgezeigt. Ein kritischer Zwischenruf soll personalentwicklerischen Allmachtsphantasien Einhalt gebieten. Am Ende dieses Kapitels wird die Bedeutung der organisationsspezifischen Rahmenbedingungen als Teil von Personalentwicklung thematisiert.

       3.1 Zur Geschichte der Personalentwicklung: Idealtypische Phasen der Entwicklung des Personalwesens im 20. Jahrhundert

      Personalentwicklung als Denk- und Handlungshorizont meint mehr als die alten betriebspädagogischen Ansätze, die zum Ziel hatten, Mitarbeiter zum Lernen für die Organisation zu motivieren. Auch die täglichen Arbeitsabläufe, die vorgegebenen Strukturen und Kommunikationsmodelle haben Einfluss darauf, ob sich Vorstellungen, Ansichten und Denkweisen des Einzelnen im Laufe der Jahre lediglich verfestigen und erhärten, oder ob lebenslange Lern- und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter (und der Leitung) gefördert und belohnt wird.

      Anstehende Veränderungsprozesse können niemals nur über Bildung oder Bewusstseinsveränderung des Personals laufen, sondern müssen die tragenden Säulen eines Organisationssystems, d. h. soziale Faktoren (Kultur und Führungsstile), Technologien (Informationstechnik und Arbeitsplatzgestaltung) bis hin zu baulichen Maßnahmen (Bürogestaltung und Pfarrsäle) einbeziehen.

      Ökonomische Rahmenbedingungen wie knapper werdende Budgets und steigende Kosten oder gesellschaftliche Vorgaben wie Wettbewerb und rechtliche Regulierungen sind Handlungsbedingungen, die Instrumente der Personalentwicklung wie z.B. individuelle Laufbahnplanung beeinflussen. „Harte“ Faktoren (Stellenpläne, tarifliche Eingruppierungen, Personalkostenpläne) müssen kompatibel sein mit Konzepten von Personalentwicklung.

      Die vielfältige Praxis und die begrifflich-theoretische Aufarbeitung von Personalentwicklung stellen Phänomene dar, die erst in größeren bzw. komplexen sozialen Systemen entstanden bzw. notwendig geworden sind. Der Wandel im Verständnis kirchlicher Personalentwicklung wird nachvollziehbar auf dem Hintergrund der allgemeinen Geschichte der Personalentwicklung.

      Betriebliche Qualifizierungsprozesse haben in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, eine lange Tradition. Sie reichen bis ins mittelalterliche Handwerk zurück, in dem Arbeiten und Lernen nicht getrennt waren. Man lernte für die Arbeit und bei der Arbeit durch die Arbeit. Das Prinzip der Meisterlehre hat sich mit Abwandlungen und Ergänzungen bis heute erhalten, z.B. im System der Berufsschulen.

      Im Zuge der im 18. Jh. einsetzenden Industrialisierung entstanden zunächst Manufakturen, dann Industriebetriebe, in denen es aufgrund neuer Organisationsprinzipien wie Arbeitsteilung oder Arbeitszerlegung und Produktionsprinzipien wie Mechanisierung zum Teil nicht mehr notwendig bzw. nicht mehr möglich war, berufliche Qualifikation ausschließlich im Prozess der Arbeit zu vermitteln. Berufliche Qualifizierungsprozesse, insbesondere in großen Betrieben, erhielten somit ein Eigenleben. „Allerdings war man noch weit davon entfernt, von Personalentwicklung zu sprechen. Die vorherrschenden Qualifizierungsmaßnahmen waren Einarbeiten, Anlernen und Ausbilden.“88 Weiterbildung spielte eine marginale Rolle. Im Vordergrund stand das berufsvorbereitende Lernen oder das betriebliche Anlernen, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet war, wenn der Betreffende „ausgelernt“ hatte. Im Vergleich zu anderen betriebswirtschaftlichen Fachdisziplinen verfügt das Personalmanagement über eine relativ kurze, jedoch sehr bewegte Geschichte.

      Heute spielt aufgrund der starken beruflichen Mobilität (Berufswechsel, Betriebswechsel, Arbeitsstellenwechsel) und des raschen technologischen, ökonomischen und sozialen Wandels die berufliche Weiterbildung insgesamt und besonders in den Betrieben einen dominierenden Part im Spektrum außerbetrieblicher und innerbetrieblicher Bildungsarbeit. Nach 1980 entstanden zahlreiche Monographien zum Bereich Personalentwicklung. Erstmals wird versucht, die Teilbereiche der Personalentwicklung in die Konzeption der Organisationsentwicklung zu integrieren. Die Auseinandersetzung damit erfolgt zunächst pragmatisch in den Betrieben, Leidensdruck drängt zum Handeln. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Personalentwicklung erfolgte zunächst historisch-deskriptiv (Was gibt es?), dann systematisch (Wie ist es einzuordnen?), dann theoretisch (Was soll es sein?). Es bildete sich eine einheitliche Nomenklatur heraus: Ausbildung – Weiterbildung – Fortbildung – Organisationsentwicklung – Umschulung – Förderung – Personalentwicklung.89 Personalentwicklung wird zunehmend eine systematische, zielgerichtete unternehmerische Aktivität.

      Gerhard Kruip beschreibt drei Phasen der Personalentwicklung auf dem Weg zu einer strategischen Ausrichtung: „Zu Beginn erfolgen Qualifizierungsmaßnahmen noch ohne einheitliche Konzepte. Sie sind kaum mit strategischen Unternehmenszielen und Annahmen über zukünftige Entwicklungen abgestimmt. In der zweiten Generation von Personalentwicklungskonzepten werden bereits Bedarfsermittlung, Personalbeschaffung und Potenzialerkennung zukünftiger Führungskräfte zu einem Gesamtkonzept zusammengefasst. Personalentwicklung gilt also als strategische Unternehmensaufgabe. In dieser Phase wird sie als eigenständige Aufgabe auch institutionell ausdifferenziert. Die einzelnen Maßnahmen werden mit der Berufsbiographie der Mitarbeiter koordiniert, von der Einstellung über die Einarbeitung und individuelle Karriereplanung bis hin zu Ausstiegshilfen.“90 Hinzu kommt in der „dritten Generation“ noch der Perspektivwechsel von der „Ware Arbeitskraft“ hin zur Wahrnehmung des Mitarbeiters als „internen Kunden“, der Ansprüche und Bedürfnisse anmeldet. „Personalentwicklung kann dann nicht mehr einseitig als Anpassung des Faktors Arbeit an die zuvor personenunabhängig entworfenen Strukturen der Organisation verstanden werden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden nicht mehr nur als Objekte von Entwicklungsmaßnahmen betrachtet, sondern als Subjekte persönlicher Lernprozesse, durch die ihr vom Unternehmen nutzbares Potenzial gesteigert wird. Die freie Wirtschaft hat erkannt, dass Mitarbeiter nicht nur ein Kostenfaktor sind, sondern das wertvollste Potenzial des Unternehmens darstellen, dass Kreativität und Motivation von Schlüsselpersonen oft wichtiger sind als neueste Technik und der Einsatz neuester betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse. Es ist für die Unternehmensentwicklung von entscheidender Bedeutung, in dieses ‚Humankapital‘ zu investieren.“91

      Das Verständnis von Personalwesen unterlag im 20. Jahrhundert einem grundlegenden Wandel. Wunderer und Kuhn unterteilen diese Phasen schematisch wie folgt:92

       3.1.1 Bürokratisierung (bis 1960)

      Der Grundgedanke geht von einer kaufmännisch orientierten und administrativen Bestandspflege der Personalkonten aus. Damals ging es darum, den „Personalstand“ zu sichten, zu verwalten. Diesem Ziel diente der Aufbau vorwiegend administrativer Personalfunktionen. Ziel war eine genaue bürokratische „Personalbewirtschaftung“.

      Personalarbeit im Bereich der Pastoral wurde verstanden als Durchführung personalpolitischer Entscheidungen, Personalarbeit wurde weniger als eigenes Handlungsfeld von Kirche betrachtet. Dies äußerte sich darin, dass „Zuständigkeit für das Personal“ in vielen deutschen Diözesen als „Nebenbeauftragung“ von Stelleninhabern anderer Arbeitsbereiche gesehen wurde oder einfach in der Hierarchie einer Diözese an einer Leitungsstelle „angehängt“ war.

      In den deutschen Diözesen wurden mit Personalführung des pastoralen Personals oftmals Abteilungsleiter in Nebenfunktion betraut. Im Vordergrund stand dabei die flächendeckende, bürokratisch ausgerichtete sinnvolle Verteilung des

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