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ohne Leitung durch Hauptamtliche andererseits.81 Dieses grobe Raster unterstellt, dass eine gute Ausstattung mit „pastoralen Professionals“ die Kontinuitätsfiktion einer versorgten Kirche der Moderne pflegt, während das Fehlen hauptberuflicher Dienste per se postmoderne Netzwerkbildung fördere. Der Vorwurf, Professionalisierung im Seelsorgebereich folge dem Leitbild einer „modernisierten Gestalt einer romantischen Genieästhetik“82, beantwortet die Frage nach zeitgemäßer Seelsorge nicht. Pastorale Professionalisierung muss nicht zur Entmündigung des Volkes Gottes führen und konsumorientierte Versorgungsmentalität bedienen. Ein Zurückschrauben pastoraler Dienste im deutschsprachigen Raum führt genauso wenig zu einer „Kirche der Armen“, wie pastorale Professionalität auf egomanische „Unterdrückungsmechanismen“ hinauslaufen muss.83 Ein Zurückfahren hauptberuflicher pastoraler Kompetenz in der Seelsorge führt nicht unbedingt zu einer „solidarischen und solidarisierenden Theologie“.84

      Pastorales Personal, das auf territorialer Ebene arbeitet, befindet sich in einem weiteren Professionalisierungsdilemma. Der Wunsch nach Spezialisierung und Vertiefung einzelner Fachkompetenzen ist für den Klinik- oder Gefängnisseelsorger unerlässlich und anerkannt. Die damit verbundene Eingrenzung von Handlungsfeldern ist für den „Spezialseelsorger“ erwünscht und trägt zu individueller Berufszufriedenheit bei. Kostenintensive Spezialfortbildungen werden im Bereich Sonderseelsorge finanziert, während die Pastoral- oder Gemeindereferentin in der Pfarreiarbeit Mühe hat zu erklären, warum auch sie Interesse an einer Weiterbildungsmaßnahme hat. Der Gemeindeseelsorger steht in stündlich wechselnden Handlungsfeldern, die thematisch und zeitlich nur schwer eingrenzbar sind. Die Arbeit in den Ortsgemeinden wird aus oben beschrieben Gründen zur subjektiv erlebten und intersubjektiv begründbaren Zumutung oder Überforderung. Persönliche Spiritualität kann diese strukturellen und konzeptionellen Dilemmata nicht auffangen. Von immer mehr Pfarrern, Diakonen und Laien wird der Ausweg in einer kategorialen Aufgabe gesucht.85

      Eine Theologie der Personalentwicklung im deutschen Kontext muss einen Beitrag leisten in einem Diskurs über die „Ambivalenz der Professionalisierung“.86 Es geht nicht um die Frage, ob zu viel Professionalisierung in der (Gemeinde-)Pastoral schadet. Das bezahlte berufliche Handeln ist nicht unauthentischer als das Ehrenamt in der Kirche. Das Infragestellen der Notwendigkeit pastoraler Professionalität übersieht die Differenzierungsprozesse der Moderne und steht in Gefahr, ein vormodernes Gemeindeideal abseits jeglicher Differenzierungen zu pflegen. Die entscheidende Frage ist, wie pastorale Professionalität nicht zur Degradierung Ehrenamtlicher, sondern zum Dienst an der Erfahrung, Kompetenz und Ermächtigung des jeweils Anderen und somit zu solidarisierendem Handeln werden kann.

       2.7 Fazit: Personalentwicklung als Hilfe zur Gestaltung von Zukunft

      Derzeit befinden sich viele Hauptberufliche im „Transformationsstress“. Ohne dass volkskirchliche Erfassungspastoral aufgegeben wird, die sich auf das Zählen von Kasualien und flächendeckende Versorgung konzentriert, kommen neue Aufgaben einer milieusensibel ausdifferenzierten und vertiefenden Seelsorge hinzu. Ähnlich wie in Ex 5,6-7 beschrieben, geht es um ein Mehr an Arbeit mit bestehenden oder schwindenden Kräften: „Der Pharao gab den Antreibern der Leute und den Listenführern die Anweisung: Gebt den Leuten nicht mehr, wie bisher, Stroh zum Ziegelmachen! Sie sollen selber gehen und sich Stroh besorgen. Legt ihnen aber das gleiche Soll an Ziegeln auf, das sie bisher erfüllen mussten. Lasst ihnen davon nichts nach!“ (Ex 5,6-7). Pastorale Aktivitäten werden verstärkt, um Verluste wettzumachen und um gegen die eigene Angst vor Versagen anzuarbeiten. Pastorale Mitarbeiter sind des weiteren zerrieben zwischen divergierenden pastoralen Konzepten.

      Seelsorgepersonal fühlt sich überlastet, weil mit alten Bildern in neuen Räumen gearbeitet wird. Kirchliche Sozialformen verflüssigen sich, in gleichem Tempo und Umfang verschieben sich Profile und Rollen der kirchlichen Berufe und Ämter. Berufsbilder erschließen sich heute nicht mehr aus einfachen Signalen, der Auftrag der verschiedenen pastoralen Dienste ist nicht mehr objektiv vorgegeben, sondern muss ausgehandelt und bestätigt werden.87 Personalentwicklung bietet Unterstützung in diesem Prozess des „Aushandelns“. Seelsorger werden ermächtigt und dazu ermutigt, das eigene Spannungsfeld zwischen den von außen herangetragenen und intrinsisch gesteuerten Erwartungen (und Allmachtsphantasien und Egomanien) zu reflektieren, um pastoral handlungsfähig zu bleiben.

      Hauptberufliche Seelsorger sind öffentliche Vertreter von Kirche und werden unter dieser Perspektive sowohl von der Diözesanleitung als auch von den Gläubigen beobachtet und daran gemessen. Sie werden in ihrer Rolle und Person als Zeugen der Botschaft betrachtet. Dies ist eine große Herausforderung an die strategische Fortbildung und Weiterentwicklung des Seelsorgepersonals. Praktische Theologen (und ihre Personalverantwortlichen) haben nicht nur Bewahrungstendenzen, sondern aufgrund ihrer theologischen Kompetenz hohes Kreativitäts- und Veränderungspotenzial. Personalentwicklung in der Kirche muss Kontinuitätsfiktionen und Verhinderungsstrategien entgegenwirken. Die Fähigkeit zum Umgang mit religiösen Ungleichzeitigkeiten und innerkirchlicher Multikulturalität wird zur Schlüsselkompetenz werden.

      Personalentwicklung als Begriff beinhaltet – im Unterschied zu veralteten Konzepten der Personalbewirtschaftung – das Paradigma der Entwicklung. Ein kleiner geschichtlicher Aufriss der Konzeptentwicklung in Personalarbeit soll diesen Paradigmenwechsel im Folgenden verdeutlichen.

      26 Spielberg Bernhard, Ladenhüter oder Laboratorium?, 86.

      27 Vgl. Dubach Alfred / Fuchs Brigitte, Ein neues Modell von Religion. Zweite Schweizer Sonderfallstudie – Herausforderung für die Kirchen, Zürich 2005, 9.

      28 Haslinger Herbert, Lebensort für alle. Gemeinde neu verstehen, Düsseldorf 2005, 102.

      29 Die Umfrage von Zulehner/Renner unter Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum ergab u.a., dass über die Hälfte der Pastoralreferenten das allgemeine Desinteresse an der Kirche, den Rückzug aus der Pfarrei und die mangelnde Attraktivität der Kirche als echte Berufsbelastung empfinden. Vgl. Zulehner Paul M. / Renner Katharina, Ortsuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006, 60.

      30 Vgl. Bucher Rainer, Mehr als Adressaten. Grundsätzliche Überlegungen zum Konzept einer milieusensiblen Pastoral, in: Ebertz Michael N. / Hunstig Hans Georg (Hg.), Hinaus ins Weite, Gehversuche einer milieusensiblen Kirche, Würzburg 2008, 67-77, hier 69.

      31 Vgl. Bucher Rainer, Es geht um etwas Neues. Die pastoraltheologische Herausforderung der Kirchenaustritte, in: ThPQ 156(2008), 4-12, hier 4.

      32 Koch Kurt, Die Kirche Gottes, Augsburg 2007, 194.

      33 Das Panorama der Spiritualitäten wird offenkundig anhand der Inhalte von Beschwerdebriefen über kirchliches Personal, welche täglich aus den Gemeinden oder von Kollegen im Bischofshaus oder in der Personalabteilung eingehen. Oft werden Ausschnitte aus Zeitungen beigefügt, die Gottesdienstverläufe oder die verwendeten, angeblich nicht mehr katholischen Gebete kritisieren.

      34 Vgl. Zulehner Paul M. / Renner Katharina, Ortsuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006, 58.

      35 Matthias Sellmann verweist auf eine Befragung von 600 Priestern aus 20 Kursen eines Bistums. Befragt nach ihrer Bewertung gesellschaftlicher Veränderungen waren 80 Prozent aller Wahrnehmungen von „deutlicher Sorge, Irritation und Verunsicherung“ geprägt. Nur bei jedem fünften Blick nach außen kam Freude, Aufbruch und Spannung zum Ausdruck. Abgelehnt wurden vor allem der moderne Pluralismus und die Wahlförmigkeit des Religiösen. Vgl. Sellmann Matthias, Graue Mäuse, komische Käuze? Anmerkungen zum fälligen Imagewandel kirchlicher Berufe, in: Arbeiten in der Kirche. Ämter und Dienste in der Diskussion, HerKorr Spezial 1(2009), 44-48, hier 47.

      36 Erich Garhammer verweist in diesem Zusammenhang auf das sog. „zweite Kirchenjahr“, welches – aufgezeigt am Beispiel der Diözese Paderborn aus dem Jahr 1993 – beginnend mit der Kollekte für die Weltkirche im Januar über die Sternsingeraktion, Misereoraufrufe, Sonntag des Straßenverkehrs bis hin zum Weltmissionssonntag

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