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Frauen stören. Katharina Ganz
Читать онлайн.Название Frauen stören
Год выпуска 0
isbn 9783429065317
Автор произведения Katharina Ganz
Жанр Религия: прочее
Издательство Bookwire
Es wird viel darüber spekuliert, inwiefern diese Gesten, für die Papst Franziskus bekannt ist, eine nachhaltige Wirkung haben oder ob sie nicht lediglich darüber hinwegtäuschen, dass er letztlich kaum einschneidende Veränderungen vornimmt, sondern lehramtlich und kirchenrechtlich vieles beim Alten belässt. Auch ich bin hin- und hergerissen, wie die Zeichen und Symbolpolitik einzuordnen sind. In Gedanken gehe ich zurück zu Berninis Cathedra Petri, die nur wenige hundert Meter von der Audienzhalle in Bronze gegossen die Überhöhung des Papstamtes wirkmächtig vor Augen führt. Wenn ich dann sehe, dass 400 Jahre später der ranghöchste Repräsentant dieser Kirche an der Seite einer Frau am Tisch sitzt, ahne ich, welche gewaltige Entwicklung zwischen dem Selbstverständnis Urban VIII. in der frühen Neuzeit und Franziskus I. in der Spätmoderne liegt.
Gemessen an dem Verhalten Jesu, der sich mit Zöllnern und Dirnen zu Tisch legte und grundsätzlich keine Berührungsängste mit Frauen und Fremden, Ausgestoßenen und Sündern hegte, scheint mir allerdings auch diese Inszenierung geradezu grotesk. Und ich frage mich: Was muss geschehen, damit wir angstfrei auf Augenhöhe miteinander kommunizieren? Wie könnten Hierarchien durchbrochen, eine entklerikalisierte Kirche realisiert werden, in der das jesuanische Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe tatsächlich Maßstab allen Redens, Entscheidens und Handelns wäre?
Wenn es bei einigen Einzelentscheidungen bleibt, die eher kosmetisch wirken, als entschieden eine strukturelle Reform in Gang zu setzen, wird dies systemisch kaum Auswirkungen haben. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, kommentierte Angela Merkel einmal die Bemerkung, dass sie als Bundeskanzlerin beispielhaft für die Chancengleichheit von Frauen steht, in Deutschland eine herausragende Führungsposition einnehmen zu können.40
Ähnlich gilt auch in der katholischen Kirche: Eine vatikanische Museumsdirektorin oder eine paritätisch besetzte Theologische Kommission machen noch kein Ende mit der strukturellen Benachteiligung von Frauen. Zwar hat – und das lässt immerhin aufhorchen – Papst Franziskus den Frauenanteil an den Leitungsfunktionen im Vatikan deutlich erhöht.41 Im Januar 2021 änderte er das Kirchenrecht dahingehend, dass Frauen nun auch dauerhaft mit dem Amt des Lektors oder Akolythen betraut werden dürfen und beseitigt so die letzten Unterschiede, die zwischen Männern und Frauen im Kirchenrecht bestanden, ausgenommen die Vorschriften zum Empfang des Weihesakraments.42
Der Schmerz, dass vorhandene diakonische oder priesterliche Berufungen von Frauen nicht geprüft werden, bleibt weiter bestehen. Auch an den Machtverhältnissen und Entscheidungsbefugnissen wird sich nichts ändern, solange die Spitzenpositionen, die mit der meisten Amtsfülle ausgestaltet sind, nach wie vor die Weihe voraussetzen. Die dem Papst vorbehaltende Leitung der Gesamtkirche sowie die von Bischöfen geleiteten Teilkirchen bleiben in der Hand von ordinierten Männern. Diese klerikal-hierarchische Struktur wird seit Jahrzehnten diskutiert und kritisiert. Eine Änderung dieser Zulassungsbedingungen zum Weiheamt müsste vom Vatikan genehmigt werden, was aktuell allerdings nicht in Sicht ist. Inzwischen äußern einige deutsche Bischöfe, dass es so nicht weitergehen kann. Die Frage ist, ob sie auch den Mut und den Willen aufbringen, ein Votum an den Papst zu richten, per Indult die Weihe von Frauen zu Diakoninnen zuzulassen, sowie ihren Dissens zu erklären, dass Frauen von der Priesterweihe ausgeschlossen sind.43
Als Argument für die Zögerlichkeit des Papstes, eine bahnbrechende, systemverändernde Reform von oben herbeizuführen, werden meist die Gefahr einer Kirchenspaltung und sein Dienst an der Einheit der Weltkirche angeführt. Zu wenig berücksichtigt wird dabei, dass es bereits eklatante Spaltungsphänomene gibt, die durch anhaltenden Reformstau und die weltweit aufgedeckten Skandale verschärft werden. Die Trennlinie verläuft zwischen Hierarchie und Basis, zunehmend aber auch zwischen liberal-aufgeschlossenen Gläubigen (sowohl im Klerus als auch bei den Lai*innen) und rechtskonservativ bis autoritär-fundamentalistisch eingestellten Katholik*innen. Die verschiedenen Positionen stehen sich unvermittelbar und unversöhnt gegenüber.
Chance, die Frauenfrage erneut zu stellen
Nach der Begrüßung ließ sich Papst Franziskus bei der Audienz für die Vollversammlung der UISG von seinem damaligen Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, eine Mappe mit seinem Redemanuskript bringen. Frei wiederholte er daraus einige Sätze, die er bereits bei anderen Gelegenheiten geäußert hatte: Ordensfrauen sollten sich nicht als Bedienstete verstehen, sondern sich in den Dienst, in die Sendung der Kirche stellen: „Du bist nicht Ordensfrau geworden, um Haushälterin eines Klerikers zu sein. … Dienstbarkeit nein, Dienst ja. Du arbeitest in einem Dikasterium, als Verwalterin einer Nuntiatur, das ist in Ordnung. Aber Haushälterin – nein.“44 Freilich fragte ich mich im Stillen sofort: Wer wäscht wohl die Wäsche für den Klerus im Vatikan? Wer bedient im Gästehaus Santa Martha? Nicht selten sind es eben Ordensfrauen, die diskret und verschwiegen, schlecht bezahlt und bisweilen wenig wertgeschätzt die Hausarbeit bei Kardinälen, (Erz-)Bischöfen und Priestern erledigen. Im März 2018 hatte ausgerechnet ein Beitrag in der Frauenbeilage des Osservatore Romano für Aufregung gesorgt. In Nummer 66 deckten Journalistinnen die entwürdigenden und sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen von Ordensfrauen auf, die in vatikanischen Haushalten ihren Dienst tun.45 Wer Kritik übt und Missstände aufdeckt, gilt als Nestbeschmutzer*in.46
Die Rede des Papstes an die versammelten Generaloberinnen dauerte nicht lange. Von sich aus ging Franziskus in seiner Ansprache auf die Studienkommission ein, die sich mit den Diakoninnen in der frühen Kirche beschäftigt hatten. In seiner Antwort ließ der Papst durchblicken, dass das Gesamtergebnis „kein großer Wurf“ gewesen sei.47 Die Mitglieder hätten sich zerstritten, alle hätten ihre eigene Vorstellung. Er habe die Wissenschaftler*innen ermutigt, ihre Forschungen individuell weiterzuführen. Es lägen ihm auch die persönlichen Einschätzungen der Kommissionmitglieder vor, einige fortschrittlicher, die anderen traditioneller. „Man muss das studieren, denn ich kann kein sakramentales Dekret machen ohne eine theologische, historische Grundlage.“48 Er werde das Dokument der Frauendiakonats-Kommission der Vorsitzenden der Vereinigung der Ordensoberinnen, Carmen Sammut, überreichen. Sollte jemand an den Einzeleinschätzungen der Kommissionsmitglieder interessiert sein, könne er sie zur Verfügung stellen, so Franziskus.49
Nach rund 15 Minuten Ansprache legte der Papst sein Manuskript zur Seite, blickte mit einem Lächeln ins Auditorium und sagte zur Überraschung und Verwunderung aller Anwesenden sinngemäß: „Wir haben jetzt noch 40 Minuten Zeit. Ihr könnt mir jetzt Fragen stellen.“ Da ich am Rand einer Reihe saß, konnte ich schnell nach vorne eilen und die wohl einmalige Gelegenheit ergreifen, bei der Frauenfrage noch einmal nachzulegen:
„Bruder Franziskus. Ich … stehe hier mit 850 Generaloberinnen, und wir verkörpern so viele Schwestern, die in allen Diensten sind in der Kirche. Ich spreche für viele Frauen, die sich danach sehnen, gleichberechtigt dem Volk Gottes zu dienen. Und wir wünschen uns, dass wir heute auf die Frauenfrage in der Kirche nicht nur die Antwort finden aus der Geschichte und aus der Dogmatik – diese Quellen der Offenbarung