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mit der Demut? Verdient nicht die eine das ewige Reich, die andere in gleicher Weise ewige Erhöhung? Auch die heilige Furcht des Herrn gehört hierher, denn sie währt in alle Ewigkeit. So ist es mit der Klugheit, so mit der Mäßigung, so mit der Tapferkeit, und wenn es sonst noch andere Tugenden gibt: Was sind sie anderes als Perlen im Kleid der Braut, funkelnd in dauerndem Glanz? Dauernd, sage ich, denn sie sind die Stätte und das Fundament der Dauer. In der Seele kann ja nur dann ein Platz für dauerndes und glückseliges Leben sein, wenn in ihrem Innersten die Tugenden eingepflanzt sind.“83

      Die Tugenden, die in der Nachfolge Christi gelebt werden, sind die Voraussetzung für die Vermählung mit Christus.

      Bernhard vergleicht die Liebesgeschichte zwischen der Seele des Menschen und Christus immer wieder mit Formen der Geschlechterliebe, gleichsam Vorstufen für die Vereinigung von Braut und Bräutigam: „Es ist die Liebestrunkenheit, die Liebeskrankheit und der Liebesschlaf.“84 Die Trunkenheit beschreibt den Zustand der nach dem Bräutigam schmachtenden Seele, das Verlangen nach dem Kuss des Geliebten.85 Wie der Liebesrausch, die Trunkenheit die Anwesenheit des Geliebten zum Ausdruck bringt, so führt die Abwesenheit des Bräutigams zur Liebeskrankheit:

       „Als sich der Bräutigam nach all dem seiner Gewohnheit folgend zurückzieht, sagt sie, sie sei durch Liebe krank, das heißt vor Liebe. Je beglückender sie seine Anwesenheit erfahren hat, desto bedrückender empfindet sie nachher seine Abwesenheit.“86

      Der Liebesschlaf ist schließlich die Vollendung der Vermählung von Braut und Bräutigam, von Seele und Christus:

       „Doch ist dieser Schlaf der Braut auch kein angenehmes Entschlummern des Leibes, das die Sinne des Leibes für eine Zeitlang sanft betäubt, noch das erschreckende Einschlafen, das gewöhnlich das Leben vollständig wegnimmt. Noch mehr unterscheidet es sich von jenem Entschlafen im Tod, wenn einer in einer Sünde, die zum Tod führt (1 Joh 5,17), unwiderruflich verharrt. Vielmehr erleuchtet dieser lebendige und wache Schlummer dagegen den inneren Sinn und verleiht durch die Vertreibung des Todes das ewige Leben. Er ist nämlich ein wahrer Schlaf, der dennoch den Sinn nicht betäubt, sondern entrückt.“87

      Der „Liebesschlaf“ ist weder mit dem Tod noch mit einer Art von Betäubung zu vergleichen, sondern er entspricht im Gegenteil einer größeren Wachsamkeit und Aufmerksamkeit der Sinne. Es ist ein wachsames Ruhen im göttlichen Frieden.

      2. Vom „geistigen Adel“ des Menschen

      In der 80. Predigt zum Hohenlied fragt Bernhard nach den Bedingungen im Menschen für die Hochzeit zwischen Seele und Christus, dem Wort: „Was ist der Seele und dem Wort gemeinsam?“88 Für Bernhard ist die Seele des Menschen „ein geschaffenes Nachbild“ der „Imago dei“, des göttlichen Wortes (Christus):

       „Erstens besteht eine solche Verwandtschaft der Naturen dadurch, dass das Wort Urbild („imago“, „Ebenbild“) ist (Kol 1,15), die Seele nach dem Urbild („ad imaginem“, „Nachbild“) geschaffen ist (Gen 1,27). Zweitens wird die Verwandtschaft durch die Ähnlichkeit (similitudo) bezeugt. Denn nicht nur nach dem Ebenbild, sondern nach der Ähnlichkeit wurde die Seele geschaffen.“89

      Die Seele des Menschen ist ein nach dem Urbild geschaffenes Ebenbild des göttlichen Wortes, Christus. Deshalb ist die Seele des Menschen mit Gott „verwandt“; der Mensch hat seinen Ursprung in Gott. Diese ursprüngliche Verbundenheit, d.h. Ebenbildlichkeit, zwischen Gott und Mensch ist jedoch eine der Ähnlichkeit (similitudo). Wie ist das gemeint? Für Bernhard ist die Wahrheit des Wortes, seine Weisheit und Gerechtigkeit, die Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit selbst90: „Dieses Ebenbild ist nämlich Gerechtigkeit von der Gerechtigkeit, Weisheit von der Weisheit, Wahrheit von der Wahrheit, geradeso wie es Licht vom Licht, Gott von Gott ist.“91 Das Wort als Ebenbild ist also „eines Wesens mit Gott, und alles, was diesem seinem Ebenbild mitgeteilt zu werden scheint, ist beiden wesenhaft, nicht zufällig eigen.“92 Das Wort als Ebenbild ist mit Gottes Wesen, der Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit ist, identisch.

      Anders steht es um die Seele des Menschen. Sie ist nicht Ebenbild, sondern Abbild Gottes.93 Als solches ist sie nicht identisch mit Gott; sie ist nicht, wie das Wort, „Wahrheit von der Wahrheit, ... Licht vom Licht, Gott von Gott“94:

       „Nichts davon ist die Seele, weil sie nicht Ebenbild ist („imago“). Sie besitzt aber Fassungskraft („capax“, empfänglich für...) und Streben („appetens“) nach all dem: und daher ist sie wohl nach dem Ebenbild geschaffen.“95

      Die Seele des Menschen ist deshalb ein geschaffenes, nicht natürliches Ebenbild, weil sie nach Gott strebt, nach dessen Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit. Der Mensch trägt durch diese Empfänglichkeit für das göttliche Leben das „Siegel der Majestät“96 Gottes in sich. „Urbild“ (Ebenbild) und Nachbild (geschaffenes Ebenbild) sind zwar nicht identisch, doch sie entsprechen einander:

       „Es gehört sich nämlich, dass das, was nach dem Bild ist, mit dem Bild übereinstimmt und dass es nicht ohne Grund den Namen des Bildes teilt, genauso wie auch das Bild nicht bloß mit einem leeren Namen Bild genannt wird.“97

      Worin besteht aber der genaue Unterschied zwischen Ebenbild und geschaffenem Ebenbild? Dem geschaffenen Ebenbild wurde seine Würde durch „Schöpfung oder Begnadung zugeteilt, dem Bild durch Zeugung.“98 Das gezeugte Urbild oder Ebenbild ist mit Gott identisch, ist „eines Wesens mit Gott“.99 „Das Abbild empfing nur ´nach Maß´ (Eph. 4,2), das Bild aber nach Gleichheit.“100

      Die Seele bleibt, da sie auch weiterhin nach Irdischem strebt und nicht die himmlischen Dinge sucht, „verkrümmt“101. Die Beziehung zu ihrem göttlichen Ursprung ist gestört. Dennoch verliert sie nicht ihre Fähigkeit, „aufnahmefähig für die Ewigkeit“102 zu sein: „Und diese Fähigkeit wird sie niemals verlieren, selbst wenn sie diese tatsächlich nie entwickelt.“103

      Gott hat dieses „Abzeichen des göttlichen Adels“104 im Menschen geschaffen, die Ähnlichkeit der Seele mit dem Wort, damit die Seele niemals von Gott ganz getrennt werde, und sie „in sich selbst vom Wort her eine mahnende Stimme habe, treu beim Wort zu verbleiben oder zu ihm zurückzukehren“105, wenn sie sich von ihm wegbewegt habe.

       „Die Seele beachte also, dass ihr aus dieser angeborenen göttlichen Ähnlichkeit jene natürliche Einfachheit ihres Wesens innewohnt, durch die ihr Sein und Leben dasselbe sind, wenn nicht auch dasselbe, wie gut oder selig zu leben, so dass nur Ähnlichkeit besteht, nicht Gleichheit. Eine nahe Stufe zwar, aber dennoch eine Stufe. Denn es bedeutet nicht die gleiche Auszeichnung und denselben Rang, ein Sein zu besitzen, das Leben ist, und ebenfalls dieses Sein zu besitzen, das aber seliges Leben ist. Wenn also letzteres wegen der Erhabenheit zum Wort gehört, das andere aber wegen der Ähnlichkeit zur Seele, dann ist offenbar die Verwandtschaft der Naturen, unbeschadet freilich der Überlegenheit des Wortes, und offenbar der Vorrang der Seele. Um das Gesagte verständlicher zu machen: nur für Gott allein bedeutet Sein soviel wie Seligsein: das aber ist das erste und reinste Einfache. Ein zweites aber ist diesem ähnlich (Mt. 22,39): nämlich dasselbe als Sein zu besitzen, was Leben ist. Das aber ist der Seele eigen.“106

      Daraus schließt Bernhard:

       „Von hier aus kann man, wenn auch auf einer niedrigeren Stufe, aufsteigen, und zwar nicht nur um gut, sondern um selig zu leben. Das bedeutet aber auch dann für den, der dorthin gelangt, noch nicht, dass für ihn Sein und Seligsein dasselbe ist.“107

      Bernhard betont ausdrücklich:

       „Wieviel er sich wegen der Ähnlichkeit rühmen mag, trotzdem muss er wegen des Unterschieds immer Grund haben, dass alle seine Gebeine sprechen: ‚Herr, wer ist dir ähnlich?‘ “108

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