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ein Instrumentarium zur Verfügung stellte, um einer Hexe auf die Spur zu kommen. Beim Verhör galt es über zweihundert standardisierte Fragen glaubhaft zu beantworten. Tat man es nicht oder nur unglaubwürdig, winkte die Folter.

      Im Fall Maria Renatas kam laut Aktenlage die Folter nicht zum Einsatz, was aber nicht heißt, dass die Ordensfrau nicht körperlich gezüchtigt oder gefoltert wurde, eben nur anders – neuzeitlicher. Darüber wird an späterer Stelle noch zu sprechen sein. Außerdem habe sie alles freiwillig gestanden, wie es heute immer noch gerne heißt, es brauchte also keine Nachhilfe.

      Die mitunter abscheulichen und krankhaften Fragen des Hexenhammers (unter anderem Aussehen und Beschaffenheit des teuflischen Geschlechtsteils, auch wie es sich anfühlt), nähren den Verdacht auf Misogynie, den Hass auf Frauen, nicht nur bezüglich dem Autor des wirren Teufelswerks, sondern auch bei den Verhörern, den Hexenriechern.

      Einen Zusammenhang zwischen Frauen und Teufeln sahen manche Gelehrte schon lange vor 1749, wenn von Frauen als dem schwachen Geschlecht die Rede war, das, im Gegensatz zu den starken Männern, leichter Opfer teuflischer Nachstellungen wurde. So sei das Verbrechen der Hexerei ein vornehmlich weibliches Delikt und dass sich Frauen im Verhältnis von 50:1 häufiger der Hexerei schuldig machten als Männer. Das läge an der weiblichen Begierde, ihre Kraft befände sich in den Eingeweiden und den Sexualorganen, und das alles ziehe sie von Natur aus zum Teufel hin5. Wer dem widersprach, machte sich schnell zum potentiellen Teufelsanhänger und Hexenmeister.

      Der Frauenhass lässt sich daraus erklären, aber auch aus dem Zusammenhalt der Männer untereinander und gegen alle anderen, besonders wenn es zu Streitigkeiten kam. Machtkämpfe provozierten frauenfeindliche Reden als Mittel im Kampf um Deutungshoheit und Urteilskraft und schließlich um den Erhalt einer göttlichen Ordnung, die als patriarchalische Ordnung imaginiert wurde, in der Männlichkeit gleichbedeutend war mit Klugheit, Überlegenheit, Besonnenheit und Wahrheit.6

      Im Folgenden werden wir des Öfteren auf Beispiele dieser Überlegenheit stoßen, auf rivalisierende Männer und machthungrige Verbündete, die schonungslos gegen die Attacken einer bösartigen Hexe vorgehen und dabei Recht, Geist und Moral opfern.

      Maria Renata wurde Hexerei und Zauberei vorgeworfen, speziell die Verhexung von sechs Schwestern im Kloster Unterzell. Weitere Vorhaltungen wie Zauberwerk an Mäusen, einer Katze und weiteren Personen in und außerhalb des Klosters kamen in den anschließenden Befragungen und Verhören hinzu.

      Die Klosterleitung stellte Maria Renata am 5. Februar zur Rede und laut Protokoll soll sie umgehend und vor allem freiwillig gestanden haben: Ja, sie sei eine Hexe und hätte alles begangen, was ihr vorgehalten wird.

      Der Abt von Oberzell, Oswald Loschert, hatte daraufhin den Bischof von Würzburg über das Ergebnis in Kenntnis gesetzt. Auf dessen Anordnung hin wurde eine Kommission aus vorerst zwei Geistlichen gebildet, die den Sachverhalt vor Ort überprüfen sollte. Bevor es dazu kam, verstarb der Bischof und sein Stellvertreter, der Domdechant, führte die Geschäfte in der Sedisvakanz fort. Er stockte die Kommission um zwei weitere Geistliche auf, die am 19. Februar in Kloster Unterzell das erste Verhör mit Maria Renata durchführten, das zweite fand am 21. Februar statt.

      Aber, wer hat ursprünglich die Anschuldigungen vorgebracht und waren sie glaubwürdig?

      Der genaue Hergang wird in unterschiedlichen, sich zum Teil widersprechenden Versionen berichtet, worauf im Weiteren eingegangen wird. Glaubwürdig schienen sie allemal zu sein – zumindest nach Auffassung der Klosterleitung und später auch nach Dafürhalten der Kommission.

      Im Ergebnis hat Maria Renata alle gegen sie erhobenen Vorwürfe eingestanden. Die geistliche Kommission fällte darauf beruhend ein Urteil: Die Ordensschwester wurde in allen Anklagepunkten als überführt und für schuldig erklärt, ihrer geistlichen Würden beraubt und zur weiteren Behandlung an ein weltliches Gericht überstellt.

      Als Maria Renata am 19. Februar sich den Fragen der geistlichen Kommission stellte, war ihr Gesundheitszustand bereits bedenklich. Sie hatte am 5. Februar mindestens eine Befragung ihrer Ordensbrüder über sich ergehen lassen müssen7, und diese war nach Aussage ihres externen Beichtvaters, des Benediktiners Pater Maurus Stuart de Boggs aus dem Würzburger Schottenkloster, nicht ohne Brisanz.

      In einem Brief an den Weihbischof beklagte sich Pater Maurus später in klaren, unmissverständlichen Worten:

      „Die unglückliche Renata hat bei den Befragungen seitens ihres Klosters (gemeint sind die Brüder aus Oberzell) harte Schläge erhalten, wodurch sie erkrankt ist. Ein grausames Verfahren, besonders des Pater Siards, der ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen und gesagt hat: Kanaille, willst du nichts gestehen? Sie hat noch mehr Schläge erhalten und schließlich aus Furcht (die Beschuldigung) gestanden.“

      Bei der Befragung am 19. Februar musste Maria Renata auf einem Sessel in den Befragungsraum getragen werden – offenbar nicht wegen der ihr unterstellten Altersschwäche, sondern aus Erschöpfung. Sie beantwortete die Frage nach ihrem augenfälligen Gesundheitszustand dahingehend, dass sie entsetzlich geschlagen worden sei.

      Ein weiterer dokumentierter Umstand stützt die Behauptung auf körperliche Misshandlung und in deren Folge, ihr schlechter Allgemeinzustand. Maria Renata konnte die Fragen nur sehr leise beantworten, sodass die Kommission sie nicht verstehen konnte. Die Fragen mussten wiederholt werden, und Maria Renata wurde angehalten lauter zu sprechen, was ihr aber schwerfiel. Vermutlich hat Pater Maurus, der in ihrer Begleitung war, ausgeholfen. Sie saßen beide diesseits eines Gatters oder Gitters, die Kommission jenseits, was nicht ungewöhnlich für das klösterliche Sprechzimmer/Redstube war. Hier wurden Gäste und Besucher empfangen und das Gatter war die Grenze zwischen Außenwelt und Konvent (Klausur).

      Und noch etwas sprach für die Anwesenheit ihres Beichtvaters: Er sollte beruhigend auf die Mitschwestern Maria Renatas einwirken – eine groteske Situation, denn die Mitschwestern sollen sie der Verhexung beschuldigt haben. In wie weit das zutrifft, ist Gegenstand einer späteren Analyse von unterschiedlichen Darstellungen.

      Fraglich ist, wo genau sich die Schwestern während der Befragung befanden – im Sprech- beziehungsweise Vernehmungszimmer oder auf dem Gang mit dem Ohr an der Tür, denn sie hörten die Fragen und Antworten, wie es der Malefizschreiber (Protokollführer) eindrücklich festhält:

       „Es kommt zu Tumult und Geschrei der Besessenen (Schwestern). Die Inquisitin (Maria Renata) fürchtet sich, zittert und atmet schwer.“

      In diesem (tatsächlichen) Hexenkessel ließ sich keine seriöse Befragung durchführen, schon gar nicht, wenn das Verfahren auf Basis des Hexenhammers von Natur aus korrupt war.

      Der Fragenkatalog erstreckte sich auf 211 Hauptfragen und zahlreiche Nebenfragen. 177 wurden am 19. Februar gestellt und 34 am zweiten Sitzungstag, dem 21. Februar. Die Fragen richteten sich nach den Vorgaben des Hexenhammers und hatten zum Ziel, ein Geständnis zu bewirken und einen Bericht der begangenen Schandtaten zu erhalten. Dazu kamen Fragen, die die Antworten bereits enthielten und nur mit Ja oder Nein beantwortet werden konnten.

      Auch wurden Fragen zu den Hauptbelastungspunkten mehrmals wiederholt. Das konnte der Vergewisserung dienen, wahrscheinlicher ist, dass die Angeklagte verwirrt und desorientiert werden sollte, damit sie zunehmend müde und mürbe wurde, damit sie rascher gestand.

      Es war ein bewährtes, in Hunderten von Hexenprozessen zuvor angewandtes Vorgehen. Wer der Hexerei angeklagt war, konnte den Fallstricken des Hexenhammers nicht mehr entkommen. Er war noch vor dem Richterspruch verurteilt.

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