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sondern solche mit Werfung in den See, auch zu 3 mahl in das geheime Ort, so auch einmal mit Nadelstopfung in ofentlicher Hexen Versammlung gottesräuberisch mishandelt habe …

      Es gibt kaum sichere Informationen über Maria Renata Singer von Mossau, das meiste wissen wir nur aus ihrer eigenen Schilderung – was in Anbetracht ihres Alters zum Zeitpunkt der Anklage, der Verhörsituation und der Vorwürfe, aber auch der Art und Weise, wie mit ihr umgesprungen wurde, nicht gerade überzeugend klingt.

      Einen stimmigen und damit überzeugenden Lebenslauf zu zeichnen fällt schwer. Ihre Aussagen gründen auf Traumatisierungen im Kindes- und Jugendalter, auf fünfzig nicht immer einfache Jahre hinter Klostermauern und schließlich auf sieben rätselhafte Wochen Isolation und Einzelhaft im Kerker von Kloster Unterzell, wo sie mindestens einmal schwere körperliche Züchtigung erfahren hat.

      Ein Eintrag im Taufbuch von Viechtach (heutiges Niederbayern) erwähnt am 27. 12. 1679 eine Maria Renata, deren Vater Friedrich Singer von Mossau hieß und Berufssoldat war. Sie soll laut dem Protokollbuch von Kloster Unterzell mindestens drei Geschwister gehabt haben. Darin heißt es zum 12. 5. 1699: „… ist Maria Renata nebst ihrer Mutter und Schwester nach Unterzell gekommen“ und hat sich für ein Noviziat beworben – zunächst erfolglos, es war kein Platz frei.

      Sechs Jahre darauf ist im Protokollbuch die Ankunft zweier Brüder verzeichnet, beide Leutnants, die aus dem Krieg kommend, ihre Schwester besuchten und erklärten, sie wollten den Truppen des fränkischen Reichskreises beitreten. Um das Jahr 1738 hat es ein Dragonerregiment von Singer in Würzburg gegeben, das auch im Abwehrkampf gegen die türkisch-osmanische Expansion eingesetzt war. Einer der Brüder hieß Johann Marquard Singer von Mossau, der 1735 bis 45 im Würzburger Dragonerregiment von Münster stand, sein Bruder hörte auf den Namen Franz. Der Besuch von Angehörigen wird im weiteren Verlauf noch Thema sein, wenn es um den Unfrieden im Kloster geht.

      Der Ort Viechtach zählte damals aus fränkischer Sicht zum Ausland, und Ausländer waren nicht gerne gesehen, zumindest nicht in hoher Zahl. Um das Jahr 1700 sollen auffallend viele Münchnerinnen im Kloster Aufnahme gefunden haben, auch als Kostgängerinnen (Untermieter). Der Fürstbischof war darüber nicht erfreut und untersagte es der Klosterleitung, die ihrerseits Einspruch dagegen erhob.

      Ende August 1699 war es dann soweit. Dank Fürsprache einer Adeligen konnte Maria Renata einen von zwei frei gewordenen Plätzen ergattern, weil sich für die Vakanz keine Landeskinder gefunden hatten. Ihr Eintritt ins Kloster geschah offenbar nicht aus freien Stücken. Die damals Neunzehn- oder Zwanzigjährige soll auf Betreiben der Eltern ins Kloster gekommen sein. Religiöse Gründe, wie man es bei einem solch weitreichenden Schritt annehmen könnte, schloss Maria Renata im Nachhinein aus. Sinn und Herz standen ihr nach weltlichen Dingen.

      Auf die Einkleidung folgte zwei Jahre später die Profess, das Ordensgelübde. Maria Renata verpflichtete sich unter anderem gehorsam, keusch und in Armut zu leben. 1720 übernimmt sie das Amt der Subpriorin – der Stellvertreterin der Priorin. Gemeinsam stehen sie dem Konvent der Schwestern vor und leiten ihn. Männer oder männliche Geistliche hatten in diesem Innenbereich (Klausur) wie auch Innenverhältnis nichts verloren und nichts zu bestimmen. Sie wirkte als Dignitärin bei allen rechtsrelevanten Vorgängen mit, sei es als Delegierte bei der Neuwahl der Pröpste oder bei Fragen von Stiftungen und Klosterbesitz2.

      Für das Jahr 1749 sind keine Angaben über die Anzahl der Schwestern in Unterzell zu finden. 1734 führen die Priorin und die Subpriorin neunzehn Chorschwestern an, sowie eine Novizin und sieben Laienschwestern. Später waren es insgesamt auch 37 und mehr Schwestern.

      Zum besseren Verständnis, da es in der Folge darauf ankommt, den Unterschied in der Hierarchie zu kennen: Eine Laienschwester ist eine einfache Ordensschwester, die für gewöhnlich nichts zu entscheiden oder zu bestimmen hat, die auch nicht am Stundengebet und damit am bestimmenden Tagesablauf der Chorschwestern teilnimmt. Sie verrichtet die einfachen, meist körperlich beschwerlichen Arbeiten, während sich die Chorschwestern den geistlichen oder auch geistigen Dingen widmen.

      Maria Renatas Engagement, ihr hoher Rang und vor allem ihr mustergültiges Leben als Klosterschwester werden bis zum Jahreswechsel 1748/49 immer wieder gelobt – das sagt niemand anderer als der Abt von Oberzell, Oswald Loschert, und der musste es wissen. Schließlich hatte Loschert die Verantwortung und Weisungsbefugnis dem Frauenkloster in Unterzell gegenüber. Abt Loschert, der Propst von Unterzell, Richard Traub, die Priorin Katharina Neusesser und die Subpriorin Maria Renata haben jahrelang bei der Klosterführung zusammengearbeitet, gelegentlich auch gestritten, wenn es um Besitzansprüche oder Geld ging.

      Mit zunehmendem Alter könnte Maria Renata eigensinnig und widerspenstig geworden sein wie so viele andere im letzten Lebensabschnitt, oder sie hatte eisern an ihrer Aufgabe festgehalten: Die Erziehung der ihr anvertrauten Novizinnen und die Einhaltung der Klosterdisziplin. Vielleicht hatte sie auch ernste Probleme mit der Klosterleitung und die mit ihr, oder eine der zahlreichen Mitschwestern beharkte sich mit ihr. Manches lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären, anderes hingegen schon, wie wir noch sehen werden.

      Entscheidend ist aber Folgendes: Von heute auf morgen wird aus der geschätzten Subpriorin und frommen Vorzeige-Schwester eine hinterhältige, bösartige Hexe, die für alles Übel in Kloster Unterzell, dem über einhundert Kilometer entfernten Kloster Ilbenstadt und im Dorf Zell verantwortlich gemacht wird, und das nicht erst ab diesem Zeitpunkt, sondern seit Jahren.

      Ebenso überraschend verliert sie quasi über Nacht ihren einst so gelobten guten Verstand, der sie in der Klosterhierarchie nach oben befördert und zur wertvollen Mitarbeiterin bei der Leitung des Klosters gemacht hatte. Von Abt und Propst werden ihr Tücke und Täuschung vorgeworfen, Hinterhalt und abgrundtiefe Boshaftigkeit, die nichts anderes zum Ziel hatte, als das friedvolle und harmonische Klosterleben zu zerstören.

      Der Orden der Prämonstratenser geht auf den Wanderprediger Norbert von Xanten3 zurück. Er orientierte sich wie viele im 12. Jahrhundert am besitz- und ruhelosen Leben des Zimmermannsohnes aus Nazareth. Im Jahr 1120 gründete er mit Anhängern im Tal von Prémontré (Laon, Nordfrankreich) eine klösterliche Gemeinschaft, die seine Wanderlust aber nicht lange bremsen konnte. Norbert zog weiter und gründete weitere Klöster.

      Bei den Gründungen handelte es sich anfangs um Doppelklöster, in denen Frauen und Männer räumlich voneinander getrennt im selben Gebäude lebten. Sie führten ein kontemplatives, monastisches Leben, waren aber keine Mönche, sondern eine Gemeinschaft von Priestern und Schwestern mit Ordensgelübde. Sie folgten der Augustinusregel, legten das Armuts-, Enthaltsamkeits- und Gehorsamkeitsgelübde ab und betrieben Seelsorge.

      Den Tagesablauf bestimmte das Stundengebet (lateinisch: Liturgia horarum), auch als Officium divinum (Göttlicher Dienst) bezeichnet. Es ist das tägliche bis zu siebenmalige Gebet der Ordensbrüder und -schwestern, das mit dem Invitatorium (Einladung) in den frühen Morgenstunden beginnt und durch die Komplet (Schlussandacht) in der Nacht beschlossen wird.

      Mit dem Stundengebet folgen Kirche und Geistliche dem Auftrag des Herrn:

       „Ihr sollt allezeit beten und darin nicht nachlassen.“

      Der heutige Markt Zell am Main, der im 18. Jahrhundert noch in Ober-, Mittel- und Unterzell gegliedert war, liegt vor den Toren Würzburgs. Er wird im Jahr 1128 anlässlich der Gründung des Prämonstratenser-Klosters Oberzell erstmals urkundlich erwähnt und bestand überwiegend aus Fischern und Häckern (Weinbauern).

      In die Zeit um 1230 fällt die örtliche Trennung des Frauenkonvents vom Männerkonvent in ein neues Gebäude in Unterzell mit Kloster-, Wohn- und Kirchengebäuden, aber auch mit weitläufigen Wirtschaftsanlagen. Das pittoreske Gelände lag in unmittelbarer Nähe zum Main und wurde früher als Paradies bezeichnet.

       Abbildung 2: Kloster Unterzell

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