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mit Gott und zugleich im Zentrum der Finsternis, des Chaos. Für die Gemeinschaft der Getauften bedeute das, dass sie ebenso in Christus geeint wie durch Spaltung untereinander und durch Trennung von Gott verwundbar seien. Doch im Leib Christi wirke der Geist immer von neuem heilend, darum sei die Gemeinschaft der Getauften immer zugleich gebrochen und erneuert. In diesem Zusammenhang seien die konfessionsverbindenden Ehen ein sakramentales Zeichen der göttlichen Gnade für die gesamte Kirche. Sie machten in besonderer Weise das Wesen der Taufe deutlich, denn sie seien eine physisch greifbare Verkörperung der verheißenen Liebe in allen Enttäuschungen und Trennungen und wiesen damit zugleich über sich selbst hinaus als ein eschatologisches Zeichen mit transformativer Kraft.

      Gemeinsames Tun ist, so wurde auf der Tagung immer wieder festgestellt, ein Weg zu ökumenischer Gemeinschaft. In diesem Sinne kann hoffentlich auch die Veröffentlichung der gehaltenen Vorträge und Bibelarbeiten zum Nachvollziehen des gemeinsam Getanen und so als ein Schritt zur „Einheit in Christus“ dienen.

      1 Die Erstveröffentlichung erfolgte in: INTAMS review 16 (2010) 83–87.

      Spiritualität der Ökumene

       Josef Freitag

      Was ich vortragen möchte, entstammt eigenen ökumenischen Erfahrungen, eigener Praxis und eigener Reflexion. Es ist weder eine Abhandlung des Themas noch aus einschlägiger Literatur zusammengestellt. Es ist nicht abgeschlossen, sondern ein offenes Angebot.

      Beim Lesen eines Bildbandes von Marko Ivan Rupnik SJ, slowenischer Jesuit, Künstler und Theologe, der im Centro Aletti (Rom) lebt und östliche und westliche christliche Glaubenswelt zu verbinden versucht, fand ich ein mögliches Motto für mein Vorhaben:

      Love is the force that creates a symphony out of contrasts.

      The heart of the universe desires a unity without mutilations.

      Liebe ist die Kraft, die eine Symphonie aus Kontrasten heraus erschafft.

      Auf der gleichen Seite schreibt er: God is free relationship, communion, love. Sin divorces humanity from God, forcing us into isolation and thus towards death, since everything that is not in communion dies.

      Gott ist freie Beziehung, Gemeinschaft, Liebe. Sünde scheidet die Menschen von Gott und zwingt uns in Isolation und so zum Tod, denn alles, was nicht in Gemeinschaft steht, stirbt.

      Jesus sagt unmissverständlich: „Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben. Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben.“ (Mk 3, 24 f par) Ökumenische Spiritualität hat im Endeffekt exakt mit dieser Spannung von Gemeinschaft und Leben einerseits, Trennung, Spaltung, Isolation und Tod andererseits zu tun

      1. Grundlagen: Wie sagen wir wir? Wie wollen wir wir sagen?

      Wen meinen wir, wenn wir als Christen wir sagen? Vielleicht können wir uns anhand dieser Frage über unsere ökumenische Einstellung und Spiritualität klarer werden.

      Wer sind, wenn wir wir sagen, die anderen, die nicht zum wir gehören? Wo ziehen wir, ohne nachzudenken, die Grenze?

      In den offiziellen Papieren reden beide großen Kirchen in Deutschland, die katholische wie die evangelische, von Kirche fast immer so, als gäbe es die andere Kirche nicht, sondern nur die eigene. Das ist eigentlich der alte theologische Singular aus vorökumenischer Zeit. Wer sind „die anderen“, wenn wir von uns als Kirche reden? Sind sie auch Christen oder wirklich Nichtchristen? (Übrigens bleibt die Rede in beiden Fällen selbstbezogen, ist nie vom anderen her oder mit ihm zusammen gedacht). Sind die anderen (Christen) ein bloßes Gegenüber? Auf dem Boden welcher – verbindenden – Gemeinsamkeit sind sie die anderen oder andere? Welches Verhältnis haben wir zu ihnen? Ist es stärker von der Gemeinsamkeit oder von der Differenz, dem Anderssein, bestimmt?

      Sind sie andere als Fremde, als eine gegenüber stehende, unbekannte Gruppe, oder sind sie andere, wie Yves Congar programmatisch formuliert hat, als chrétiens désunis, als un-geeinte Christen, die einmal zusammengehörten, aber infolge von Spaltung, Trennung oder Scheidung bis heute ent-zweit, genauer: ent-eint sind? Das Gemeinte ist zu verdeutlichen.

      Aus Münster in Westfalen gebürtig, arbeite ich jetzt in Erfurt/Thüringen. Neue Bundesländer oder ehemalige DDR oder Osten oder „anderes“ Deutschland wird diese Gegend zumeist genannt. Immer wird der Unterschied benannt, nicht das dortige Selbstverständnis.

      Was ist wirklich vorgegangen, dass wir und bis wir Deutschland, wenn auch mit Mühe, auf welchen Wegen auch immer, irgendwie wieder zusammen gebracht und als Einheit verwirklicht haben? Gerade weil Deutschland infolge des Nationalsozialismus und des Krieges de facto machtmäßig, politisch und vor allem ideologisch gespalten war, gehörte paradoxer wie unvermeidlicher und bezeichnender Weise zur Identität der DDR die BRD dazu und zur Identität der BRD die DDR. Keiner der beiden Staaten konnte sich selbst verstehen und in seiner Selbstbestimmung handeln, ohne zugleich den anderen als zur eigenen Identität im Kontrast als dazugehörig, wenn auch ungewollt zugehörig, zu wissen und zu berücksichtigen. Man konnte die DDR nicht ohne Bundesrepublik denken und die Bundesrepublik nicht ohne DDR – gerade wegen des Alleinvertretungsanspruches (vgl. die Hallsteindoktrin). Das Gegenüber gehörte gerade durch die Abgrenzung zur eigenen Existenz. Hier war der andere, den man unreflektiert im Sinn hatte, so etwas wie der Systemkonkurrent, der für das eigene Selbstverständnis unbewußt und ungewollt mitkonstitutiv war, ohne den man sich selbst de facto nicht verstand; der wohl abgeblendet wurde, aber nicht auszublenden war.

      Der Andere ist unter Umständen zugleich der Böse, der das Unrecht begeht, das wir systematisch ablehnen. Der Gewalt ausübt, die wir nicht anwenden. Der Unterdrückung betreibt, die bei uns nicht vorkommt. Der kollektiv denkt, was bei uns nicht der Fall ist, usw. So lebt man aus Kontrasten (bis zu Projektionen), statt aus einem Verhältnis zur Wirklichkeit des anderen und des eigenen Selbst.

      Ein solches enteintes Gegenüber kann unter Umständen viel schärfer trennen als ein sogenannter „Erbfeind“, der immer schon der andere, der Feind war. Die DDR und unter Umständen der andere Christ ist der andere, das Gegenüber geworden – das ist viel schmerzhafter und trifft viel tiefer, als wäre er von Anfang an ein fremder, äußerer anderer gewesen.

      Wir haben als Christen eine gemeinsame Geschichte, wir sind durch denselben tragenden Bezugspunkt miteinander verbunden, mehr noch: zur Gemeinschaft gerufen. Genau in dieser Verbundenheit aber sind wir gespalten, enteint.

      Kann man den Anderen, das Gegenüber, auch in einem ganz anderen Bild verstehen, mit einem anderen „Schlüssel“ erschließen statt wegschließen, nämlich wie das Gegenüber beim Tennis, eben als anderen, ohne den Tennis überhaupt nicht zu spielen ist? Er ist dann der andere als Partner, ohne den nichts geht, ohne den man allein gar nicht spielen kann. Er ist mein Gegner nur insofern, als ich mich spielerisch besser erweisen, mich trainieren, an ihm steigern will und kann. Aber ich muss ihn nicht besiegen, schon gar nicht ausschalten oder absorbieren (vielmehr von ihm lernen, wo er besser spielt als ich). Ich brauche den „Gegen-spieler“ als Mitspieler. Spiele ich so, dass ich mit ihm spielen kann und dass ich mit ihm spielen kann?

      In welchem Sinn ist der andere Christ, die andere Kirche für mich mein Gegenüber? Wie stehe ich und wie verhalte ich mich zu ihr und wie gehe ich mit ihr um?

      Spiritualität der Ökumene sieht im anderen Christen und der anderen Kirche ein relatives Gegenüber, mit dem ich auf gemeinsamem Grund und Boden stehe, nämlich dem Boden des Glaubens an Jesus Christus. In diesem Glauben sind mindestens die Taufe und der Heilige Geist gemeinsam gegeben (die Sünde, der Widergeist, trennt immer!), d. h. das Fundament und das tragende wie leitende Prinzip.

      Die Formel dafür, dass das Tragende und Verbindende stärker ist als die Spaltung, lautet:

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