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es aufs Bett und riss den Schrank auf. Trockene Kleidung! Ich pfefferte die nassen Sachen in die Ecke und streifte mir frische über. Schicht um Schicht, doppelt und dreifach – am besten alles am Körper tragen. Auch einen dicken Wollschal wickelte ich um mich, obwohl mir inzwischen nicht mehr kalt war. Aber die kommenden Nächte im Wald würden eisig werden.

      Über mir knackten die Balken. Ein Marderkopf erschien in einer Ritze in der Decke.

      »Malve!«

      Mit einem Satz sprang er auf den Schrank, mit einem weiteren mir auf die Schulter und wickelte sich um meinen Hals.

      Ich strich ihm über das Fell, spürte seine Wärme, lehnte meinen Kopf an den seinen. »Wir machen uns auf den Weg, du, Alraune und ich«, flüsterte ich.

      Wo blieb sie nur?

      Ich setzte Malve auf den Boden, schnappte den Dolch und die Laterne und lief wieder hinunter. Unter der Stiege zog ich eine Lade auf und füllte Kronen in einen Beutel, bis er randvoll war.

      Bürgerbriefe?

      Nein, die mitzunehmen hatte wenig Sinn.

      Auf dem Weg in die Küche ließ ich den Geldbeutel in meiner Tasche verschwinden, die gleich umso schwerer an der Schulter lastete. Dann hängte ich mein Kräutermesser an den Gürtel und packte einen Feuerstein und einen Schleifstein ein. Und einen kleinen Topf. Und Löffel. Damit war meine Tasche voll, noch bevor ich überhaupt die Speisekammer geöffnet hatte. Aber von dort holte ich einen Laib Brot, einen Sack Grieß, Käse und Dörrfleisch. Alles im Arm wankte ich in die Stube zurück und türmte es am Tisch auf.

      Was brauchten wir noch? Was brauchte man überhaupt, wenn man auf der Flucht war? Valerian hatte so gut wie nichts mitgenommen.

      Nach und nach landeten zwei Bettrollen, Alraunes Kleidung, die Kräuterbücher, einige Tränke, Salben und Tees, Verbandszeug, Kerzen, Öl und Wanderstöcke auf dem Tisch.

      Wie sollten wir all das tragen? Noch dazu, wenn Alraune kaum gehen konnte. Ich würde sie stützen müssen, den ganzen Weg.

      Warum kam sie nicht endlich nach Hause? Wir sollten schon ein gutes Stück zurückgelegt haben, bevor Korvinus uns überhaupt zu suchen begann!

      Ich packte alles in Taschen und hielt zu guter Letzt nur noch den Dolch in der Hand.

      In einer der Laden fand ich ein Ledertuch, schlug ihn darin ein und wickelte ein Band darum.

      Draußen regnete es schon wieder und diesmal warf ich mir den dicken Winterumhang über. Nur in die nassen Schuhe musste ich ein weiteres Mal schlüpfen. Warum hatte ich sie nicht wenigstens neben den Ofen gestellt? Nun spürte ich, wie sich das klamme Gefühl durch die Strümpfe zog und wieder um meine Füße legte.

      Ich rannte über die Brücke und zur Brombeerlichtung. Dort hielt ich die Laterne hoch und sah mich um. Sollte ich den Dolch unter eine alte Wurzel schieben oder in einer der Ritzen in den Felsen weiter hinten verstecken? All das schien nicht gut genug. Die Hüter würden kommen, und sie würden ihre Hunde mitbringen.

      Malve kletterte über mir durch die Baumkronen. Dort oben konnten die Hunde nicht suchen.

      Ich setzte mich ein wenig abseits des Weges auf den Boden, und mit einem Griff zu meinem Amulett sah ich durch Malves Augen. Tief unter mir leuchtete das Licht der Laterne – viel zu hell! Daneben lehnte mein Körper an einem Stamm. Schnell lief ich von Ast zu Ast, sprang von Baumkrone zu Baumkrone. Der moosige Duft des verregneten Waldes holte mich ein und ich fühlte mich so frei wie schon lange nicht mehr.

      Der Dolch!

      Voller Neugier dachte ich an versteckte Höhlen in Astgabeln, an verlassene Spechtlöcher oder Blitzschäden, und voller Leidenschaft begann Malve danach zu suchen. Inzwischen wusste ich ja, wie ich den kleinen Racker leiten konnte.

      In der knorrigen Rinde einer alten Eiche fand Malve das Loch eines abgebrochenen Asts. Es roch ein wenig morsch in der kleinen Höhle, aber trotzdem trocken und vor allem unbewohnt. Perfekt!

      Nun dachte ich an die Beute, die hier versteckt werden musste. Sie lag in meinen Händen unten am Waldboden. Ich stellte mir den Duft des Leders in Malves Nase vor und zeichnete die Fährte der Geborgenheit.

      Er brummte. Ich spürte sein Verlangen und schon lief er kopfüber den Stamm hinunter, folgte dem unsichtbaren Band, das mich und ihn verflocht. Zwei große Sprünge später stand er vor meinem Körper.

      Wie friedlich ich da saß, als ob ich schliefe, umhüllt vom Duft der Geborgenheit.

      Ich stellte mir das Aroma des Leders vor und steckte die Mardernase unter meinen Umhang, sog den richtigen Geruch ein.

      Ja, genau, das ist sie, die Beute! Versteck sie, sodass niemand sie findet.

      Grummelnd zog er am Ledertuch, bis das kleine Paket unter meinem Arm hervorrutschte.

      Es war halb so lang wie sein Körper. Er mühte sich ab, es über den Waldboden zu zerren. War er überhaupt kräftig genug, es den Baum hinauf zu tragen? Das hatte ich nicht bedacht.

       Malve du schaffst das! Du bist ein ausgewachsenes, starkes Mardermännchen!

      Er brauchte mehrere Anläufe, bis der Dolch endlich im Astloch war. Wieder brummte er – jedoch nicht mehr vor Verlangen.

      Ich streckte die Gedanken nach meinen eigenen Konturen aus, spürte den geschnitzten Anker unter den Fingerkuppen und schlug die Augen auf.

      Malve stand vor mir. Er keckerte vor Unmut und forderte seine Belohnung ein.

      Ich strich ihm über den Kopf. »Das hast du toll gemacht!«

      Er verbiss sich in meinem Rockzipfel und zog daran.

      »Schon gut, schon gut, ich beeile mich!« Schnell rappelte ich mich auf und rannte neben ihm zurück ins Haus. Dort schlug ich ihm in der Küche die drei restlichen Eier auf. Besser, als sie hier verkommen zu lassen … und er hatte es sich verdient!

      Alraune war immer noch nicht zurück. Was tat sie bloß so lange? Es standen keine Geburten in den nächsten Tagen an.

      Ruhelos ging ich in der Stube auf und ab. Der Haufen gepackter Sachen schrie mich an. Noch war es dunkel, aber der Morgen mit seinem Grauen würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

      Vielleicht wärmte ich mich noch ein bisschen auf, bevor wir aufbrechen mussten. Ich ließ mich auf der Ofenbank nieder, stellte die nassen Schuhe zum Trocknen auf und lehnte mich an die Kacheln, ließ die Wärme Schicht für Schicht durch meine Kleider dringen.

      Die Flamme in der Laterne flackerte. Nicht mehr lange, bis sie erlosch. Doch noch tanzte ihr Lichtschein über die holzgetäfelten Wände und die knarzige Stiege. Wie gemütlich wir es hier hatten, hier in unserem Zuhause.

       GEBURTSTAG

      Eine Hand strich über meine Wange. Ich schreckte hoch und sah in Alraunes freundliche Augen.

      »Alles Gute zum Geburtstag, Liebes!« Sie setzte sich neben mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Wieso schläfst du in der Stube? Tss … nicht einmal deine Tasche hast du abgelegt.«

      Es war schon hell!

      Das Licht des Morgens schien durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden, erhellte die Stube Grau in Grau. Draußen prasselte der Regen unaufhörlich weiter – aber es war ein neuer Tag, mein Geburtstag. Plötzlich erschien mir unwirklich, was gestern Nacht passiert war.

      »Alraune, wir …«

      Doch sie bedeutete mir zu warten. Mit einer Hand kramte sie in ihrer Tasche, zog eine Holzschatulle heraus und reichte sie mir. »Der Baron hat mir geholfen, das für dich zu bestellen. Aus Kronenburg!«

      Wie konnte sie mich so anstrahlen, wo wir doch … Tränen sprangen mir in die Augen. Die Worte lagen bereit, doch heraus kam nur ein Schluchzen.

      Sie schlang ihre Arme um mich, hielt mich fest. »Wer wird denn an seinem

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