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einer dummen Verwechslung?

      Erika stand auf. »Was ist es? Sag es mir, Verbena!«

      Ich brachte es kaum über die Lippen. »Herbstzeitlose, kein Bärlauch …« Kraftvoller setzte ich nach: »Wie oft haben Alraune und ich euch allen den Unterschied erklärt? Warum passiert das immer wieder?«

      Erika wurde so aschfahl im Gesicht wie ihre Töchter. Sie schwankte. Gerade noch fing ich sie auf, bevor sie mit dem Kopf gegen die Dachschräge stieß. Vorsichtig setzte ich sie auf den Boden, lehnte sie an einen der Bettrahmen und tätschelte ihre Wange. »Erika, ich brauche dich jetzt! Du musst mir helfen!«

      Als Erstes sah ich den beiden Mädchen in den Mund und entfernte jeden noch so kleinen grünen Rest.

      Von unten waren Schritte zu hören. »Finn!«, rief ich die Stiege hinunter.

      Doch statt seiner tauchte Fria am Treppenabsatz auf.

      Sie war die Letzte, die ich sehen wollte. Ich sollte alles liegen lassen und davonlaufen, so schnell wie möglich, ohne einen Blick zurück, anstatt mich hier um andere zu kümmern.

      Hinter mir hörte ich ein Würgen. Hedwig hing über der Bettkante und erleichterte sich in eine Waschschüssel. Säuerlicher Geruch breitete sich wieder aus. Ich hielt die Luft an. Nein, ich konnte sie nicht einfach sterben lassen. Auch wenn es nicht viel gab, um den beiden jetzt noch zu helfen – versuchen musste ich es!

      Ich funkelte Fria an. Wenn sie schon da war, sollte sie sich wenigstens nützlich machen. »Hol Wasser … und Becher, schnell!«

      Sie sah mich verblüfft an.

      »Schnell habe ich gesagt!«

      Nun spurte sie, eilte die Treppe hinunter und kam kurze Zeit später wieder herauf.

      Ohne sie eines Blickes zu würdigen, nahm ich ihr alles ab. Einen der Becher gab ich Erika. »Hör mir gut zu, sie müssen so viel wie möglich trinken – egal, ob es ihnen oben oder unten herauskommt! Wir müssen das Gift aus ihnen herausspülen. Hast du mich verstanden?«

      Tränen rannen ihr über die Wangen, aber sie lehnte die kleine Ida an sich und flößte ihr das Wasser ein.

      Ich drückte Hedwig den anderen Becher in die Hand. »Trink! So viel du kannst«, sagte ich zu ihr.

      »Was ist denn hier los?«, donnerte plötzlich Hederichs Stimme durch den Raum.

      Ich drehte mich zur Tür und sah mindestens fünf Leute hereinlugen. »Vergiftet sind sie. Herbstzeitlose.«

      »Bei Escha!« Ein Raunen zog die Treppe hinunter. Hatte sich das ganze Dorf in dem kleinen Haus zusammengedrängt?

      Hedwig würgte wieder. Gerade noch trat ich einen Schritt zurück, drängte mich zu den Leuten, als der nächste Schwall in der übervollen Waschschüssel landete. Tropfen spritzten über die Ränder. Grünes Erbrochenes klebte nun an meinem Rock.

      »Finn, bring mir saubere Waschschüsseln und Nachttöpfe. Und der Rest von euch, geht nach Hause!«, zischte ich die Leute an. Was dachten sie sich bloß dabei? Es war eindeutig zu eng hier, für so einen Auflauf.

      Murrend löste sich die Versammlung auf.

      »Wie Alraune.«

      »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«

      »Dass die immer so unfreundlich sein müssen.«

      »Hexen.«

      Ich verzog das Gesicht. Sollten sie doch glauben, was sie wollten. Mir lief die Zeit davon. Wenn Alraune und ich erst einmal weit weg waren, geflüchtet und wieder in Sicherheit … dann konnten sie alle zusehen, wie es ihnen erging, ohne kundige Heilerinnen.

      Finn stand inzwischen mit zwei sauberen Nachttöpfen da. Ich nahm sie ihm ab und tauschte die volle Waschschüssel durch einen davon aus. »Die muss ausgeleert werden.«

      Er starrte mich an.

      »Mach schon. Und bring Tücher mit!«

      Vorsichtig nahm er die Schüssel, bemüht, ihren Inhalt nicht zu verschütten.

      Ich füllte Hedwigs Becher neu an und hielt ihn ihr hin.

      Matt schüttelte sie den Kopf. »Kann nicht.«

      »Du musst.« Ich zog sie an den Schultern hoch. »Setz dich weiter auf und trink!«

      Nach dem zweiten Schluck kam es ihr gleich wieder hoch. Diesmal war ich bereit und hielt ihr den Nachttopf vors Gesicht.

      »Wie geht es Ida?«, fragte ich Erika.

      »Sie erbricht nicht, hat sie noch nie getan.«

      »Dann steck ihr den Finger in den Hals!«

      Egal wie sehr Erika es versuchte, das Mädchen wand sich und biss fest die Zähne aufeinander.

      Ob ich ihr noch helfen konnte? Die Vergiftung war schon viel zu weit fortgeschritten.

      Ich musste es zumindest versuchen.

      »Habt ihr Salz, Brechwurz, irgendetwas?«

      Erika schüttelte den Kopf.

      Finn war noch nicht zurück. Wo blieb er nur so lange?

      Ich schlüpfte in meinen Mantel und hängte mir die Tasche um. »Erika, ich laufe schnell in die Heilerei. Sieh zu, dass beide weiterhin viel trinken! Bin gleich zurück.«

       SCHALL UND RAUCH

      Es regnete immer noch, als ich unten die Haustür der Familie Freisinger öffnete.

      Von draußen rammte mich jemand und schubste mich zurück ins Haus. Fria. Sie war außer Atem. Ihre nassen Haare klebten an den Wangen.

      »Spinnst du? Ich hab’s eilig!«, fauchte ich sie an und versuchte, mich loszureißen.

      »Sei still!«, zischte sie. »Sie werden gleich da sein.«

      »Wer?«

      »Hüter!« Schnell schloss sie die Tür hinter sich und sah sich um.

      Hektisch schob sie mich in den Verschlag unter der Stiege. Sie zwängte sich zu mir und zog den Vorhang hinter sich zu.

      Im letzten Augenblick.

      Von draußen polterte jemand herein.

      Wir hielten den Atem an.

      »Hier drinnen ist sie, sagt ihr?«

      »Ja, Herr, sie hilft oben den Freisinger Mädchen.« Das war die Stimme der Wirtin. Elende Verräterin!

      Schwere Schritte kamen näher, stiegen die Treppe hinauf. Durch die Fugen zwischen den Brettern sah ich einen Schatten über uns hinweggleiten. Staub rieselte herab. Danach ein Zweiter. Ich presste mich in die Ecke. Fria griff nach meiner Hand.

      Hinter den beiden stieg die Wirtin hinauf. Unter ihrem Gewicht knarzte die Treppe erst recht.

      »Bei den guten Geistern, hier stinkt es! Verbena Ackerl … wo ist sie?«, rief einer.

      Erika brauchte einen Moment, um zu antworten. »Nicht hier, Herr.«

      »Und das soll ich dir glauben?« Oben zerschellte etwas am Boden.

      Die Frauen schrien.

      »Jetzt …«, hauchte Fria.

      Leise schlüpften wir unter dem Vorhang hervor, huschten in die Küche. Ich duckte mich hinter den Tresen. Fria lugte durch das offene Fenster. Von draußen war nichts zu hören. Zwei Schritte später war sie bei der Hintertür und winkte mir nachzukommen.

      Die Treppe knarzte wieder. Die Hüter kamen herunter.

      Blindlings rannte ich Fria nach. Hinter dem Haus war niemand. Lautlos zog sie die Tür ins Schloss. Große Tropfen klatschen mir ins Gesicht. Ich holte Luft, kämpfte gegen die Panik an.

      Ich packte

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