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fühlt sich wie die Decke an, die Babys mit sich herumtragen. Sie erinnert euch an die eigene Decke, an euer Bett oder an eure Mutter, wenn sie sich um euch gekümmert hat, wenn ihr krank wart. Es ist eine Schutzvorrichtung, die ihre Aufgabe erfüllt hat. Wenn dann die wirklichen essentiellen Zustände auftauchen können – Zustände, die die Persönlichkeit mit solchen Mitteln erfolglos nachzumachen versucht hat –, dann ist ein Potential für eine klärende Wirkung auf die Persönlichkeit vorhanden. Natürlich tauchen essentielle Zustände manchmal ohne eine Verbindung mit Themen auf, zum Beispiel als ein Ergebnis von Meditation oder einer spirituellen Übung. Aber wenn ein Mensch diese Zustände erfährt, ohne die Themen anzuschauen, was ganz üblich ist, kommt es nicht zur Klärung der Persönlichkeit. Die Persönlichkeit bleibt, wie sie ist.

      Diese Entwicklung wird oft spirituelle Verwirklichung genannt: der Mensch ist in einem essentiellen Zustand und in gewissem Sinn mit ihm identifiziert, aber die Persönlichkeit bleibt, wie sie ist. Damit man die essentielle Erfahrung verkörpern kann, muß Essenz (Essence) auf die Persönlichkeit einwirken; sie muß die Persönlichkeit transformieren. Wir können diesen Einfluß nur integrieren, wenn wir die aktuellen Themen durcharbeiten und verstehen, wie sie sich in allen Bereichen unseres Lebens, im Allgemeinen und im Besonderen, manifestieren. Wenn ihr am Verständnis eines bestimmten Themas arbeitet und sich ein essentieller Zustand einstellt, dann bemerkt ihr vielleicht, daß diese Erfahrung euer Ringen mit dem Thema nicht beendet. Es besteht immer noch eine Dualität zwischen Persönlichkeit und Essenz. Erfahrungen spiritueller Verwirklichung oder essentielle Zustände erhellen oder harmonisieren vielleicht euren Alltag oder vermitteln euch das Gefühl, erfüllter zu sein, aber der Kampf der Dualität geht weiter. Ihr bemerkt vielleicht auch, daß ihr immer noch mit dem Prozeß der Entwicklung beschäftigt seid, aber eher aus der Perspektive der Persönlichkeit als aus der Perspektive von Essenz. Dieser andauernde Mangel an Klarheit ist das Kennzeichen der Persönlichkeit.

      Ihr stellt vielleicht fest, daß bestimmte persönliche Themen durch die Arbeit klarer geworden sind und daß Themen aus eurer Vergangenheit mehr geklärt wurden. Aber es muß eine Zeit kommen, wo ihr die Persönlichkeit selbst anzuschauen beginnt, nicht im Hinblick auf ihre besonderen Themen, sondern als Ganze. Es geht dann nicht um ein Thema wie zum Beispiel: „Ich besitze nicht meinen Willen“ oder „Warum finde ich keine Freundin?“ oder „Ich habe überhaupt kein Selbstwertgefühl“. Jedes Thema ist real und muß gelöst werden, aber es gibt etwas, das all diesen besonderen Themen zugrunde liegt. Wenn ihr dieses zugrunde liegende Etwas untersucht, wird sich ein Bewußtsein davon einstellen, daß die Dualität selbst die Quelle des Konfliktes ist. Ihr werdet herausfinden, daß die Tatsache, daß ihr das Gefühl habt, daß es zwei Entitäten – Essenz und Persönlichkeit –, statt einer einzigen gibt, das Problem ist.

      Das Thema der wahrgenommenen Dualität wird dann zum Schwerpunkt eurer Arbeit. Die Spaltung in eurer Erfahrung hat es gegeben, solange ihr euch erinnern könnt. Ihr könnt euch erinnern, daß ihr eure Erfahrung immer als gut oder schlecht, rein oder unrein bezeichnet habt. Ein Teil eurer Erfahrung ist leuchtend, voller Liebe, Intelligenz und Klarheit. Aber ein Teil von euch bleibt irgendwie trübe und behauptet sich stur immer weiter. Bevor ihr Bewußtsein von Essenz hattet, wart ihr mit diesem trüben Teil identifiziert und wolltet die guten Dinge. Aber seit ihr diese wunderbaren Zustände erfahren habt, wird euch klar, daß diese Erfahrungen das Problem nicht lösen. Ihr habt vielleicht viele Erfahrungen von Essenz – köstliche, starke und süße Erfahrungen wie Verschmelzende Liebe (Merging Love), Wert (Value) und Wahrheit. Aber solange ihr in erster Linie mit der Persönlichkeit identifiziert seid, tendieren diese Erfahrungen nur dahin, die Persönlichkeit aufzublähen, und ihr entwickelt ein inflationäres Ego, indem ihr glaubt, daß ihr selbst eine Persönlichkeit seid, die Essenz besitzt. Dann seid ihr vielleicht stolz darauf, daß ihr jemand seid, der Gott kennt, der mit Gott kommuniziert. Ihr habt das Gefühl, daß ihr wichtig seid, daß ihr etwas erreicht habt. All diese Erfahrung ist da, und ihr werdet vielleicht voll von euch selbst, voll von Reichtum, Kraft, Klarheit und Willen. Aber schließlich merkt ihr, daß dieses Gefühl, die Persönlichkeit mit Essenz zu „füllen“, ein Problem ist. Ihr beginnt euch bewußt zu werden, daß ihr das Problem seid, ihr selbst – eure Identität an sich und wie ihr alles seht. Das Thema ist nicht, was ihr bekommt oder nicht bekommt. An diesem Punkt eures Prozesses kommt das Leiden nicht vom Inhalt eurer Erfahrung oder von irgendeinem Objekt eurer Wahrnehmung. Es stammt von dem Macher in euch, demjenigen, der wahrnimmt, handelt und Erfahrungen macht. Ihr selbst seid das Problem: ihr als der Macher, der Handelnde und der Beobachter. Mit der Zeit nehmt ihr war, daß etwas mit „euch“ geschehen muß. Ihr seht, daß ihr wegen dieser Spaltung, dieser Dualität, leidet.

      Dieses Verständnis wird nur zugänglich, wenn ihr Essenz auf eine sehr tiefe und integrierte Weise erfahren habt. Wenn ihr anfangt, an euch zu arbeiten, ist die Persönlichkeit alles, was ihr erfahrt, und natürlich wollt ihr sie dann besser machen. Dann beginnt ihr, den realeren Teil von euch wahrzunehmen – Essenz –, vielleicht in der Form von Wert oder Wahrheit. Es ist keineswegs so, daß sie vorher nicht da war, ihr habt sie einfach nie gesehen, oder wenigstens war sie viele Jahre lang verborgen. Die nächste Stufe ist also, daß es in euch einen Kampf gibt, in dem die Entwicklung von Essenz zunehmend die Persönlichkeit frei legt.

      Jetzt habt ihr Gelegenheit, ein neues Verständnis der Dualität von Essenz und Persönlichkeit zu entwickeln. Ihr seht, daß trotz eurer essentiellen Erfahrungen die Persönlichkeit weiter handelt und so ihre Identität aufrechterhält. Das perpetuiert die Dualität; eben diese Aktivität des Tuns von etwas ist das Problem. Die Persönlichkeit ist in Aktion, arbeitet an sich, wird realisiert, erreicht dies und jenes. All diese Aktivität erzeugt euer Leiden. Die reine Tatsache, daß ihr tut, daß ihr hofft, daß ihr begehrt, ist das Problem. Also wendet ihr euch dem Thema der Identität zu und seht, daß eure Identität an sich eine innere Aktivität ist. Die Vergangenheit existiert in uns als Aktivität, und der Inhalt der Persönlichkeit ist eine Aktivität, eine Bewegung. Ego-Aktivität ist die Substanz des Leidens, sie ist Kontraktion an sich. Ihr könnt das genauer sehen, wenn ihr die Aktivität in jedem Zentrum des Körpers betrachtet. Wenn ihr die Aktivität im Kopf betrachtet, dann seht ihr Sorge und Kummer. Im Herzen ist es ein Gefühl von Schuld und Frustration. Wenn ihr die Aktivität im Bauch betrachtet, dann seht ihr sie als Anhaften und Begehren. Aber es ist alles dasselbe: Ego-Aktivität. Und Ego-Aktivität ist immer mit Themen aus eurer Vergangenheit verbunden. Es ist das, was man persönliches Karma nennt, oder das Rad von Leben und Tod. Es ist die Bewegung eures Denkens (mind), eurer Persönlichkeit, eurer Entscheidungen, Vorlieben, Urteile und Widerstände – alles dessen, was ihr aktiv tut. In dem Moment, in dem ihr euch entscheidet, etwas zu tun oder etwas abzulehnen, handelt ihr. Diese innere Aktivität ist der Inhalt der Persönlichkeit, die die Persönlichkeit unklar macht. Sie trübt das Wasser und trennt die Persönlichkeit von der klaren Stille der Essenz.

      Essenz ist Sein (Being), und Sein ist vollständige Stille, ohne Handeln. Wenn ihr handelt, dann trennt euch die Bewegung eurer Gedanken oder Begierden von Essenz. Ihr seid nicht Sein. Aber etwas sehr Interessantes tritt ein, wenn ihr euch der Bewegung eurer Persönlichkeit bewußt werdet und nicht mit ihr mitgeht. Dann merkt ihr, daß es, wenn ihr nicht mit ihr mitgeht, niemanden gibt, der mit ihr mitgehen oder nicht mitgehen könnte.

      Es gibt eigentlich zwei Möglichkeiten, wie man an der Persönlichkeit arbeiten kann: eine besteht darin, die Persönlichkeit zu sehen, und so getrennt von ihr zu werden. Das nennt man Desidentifikation. Zur anderen Methode gehört vollständiges Eintauchen in die Persönlichkeit. Im Zustand der Selbst-Verwirklichung, die auf Desidentifikation und Trennung vom Ego beruht, ist die Persönlichkeit nicht gereift und mit Essenz integriert, sie ist nicht vollständig geklärt. Die Persönlichkeit ist nur außer Kraft gesetzt, nicht durchgearbeitet und transformiert.

      Wenn wir die zweite Methode benutzen, müssen wir genauer verstehen, was mit Eintauchen in die Persönlichkeit gemeint ist. Es ist die Bereitschaft, die Persönlichkeit selbst klar und vollständig zu erfahren, ohne Widerstand und ohne den Versuch, ihr zu entkommen oder sie zu „transzendieren“. In diesem Prozeß muß man die Persönlichkeit selbst sein, sie vollständig verkörpern. Ihr seht, begreift und erfahrt euch selbst beim Handeln als die Persönlichkeit. Ihr müßt selbst erfahren: „Ich bin vollständig die Persönlichkeit, ich bin das und meine Bewegung an sich ist Leiden.“ Dies muß vollständig geschehen, nicht indem

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