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Persönlichkeit. Man kann einem anderen niemals zu viel geben. Fürsorge ist ein fundamentaler Eckstein gelebter Liebe, sie ist sozusagen ihr Gradmesser. Das Sichkümmern um den Erhalt dessen, was geliebt wird, entspringt dem tiefsten Wesenskern der Liebe selbst. Mehr noch als um den bloßen Erhalt geht es der Liebe um Wachstum, Entfaltung und Gedeihen dessen, was man liebt.

      So wie die Liebe selbst in ewiger Ausdehnung begriffen ist, so will sie auch das immerwährende Wachstum für ihr Ziel. Alles, was der Liebe anvertraut ist, strebt nach steter Vermehrung und Erweiterung. So wie ein Kind, das in fürsorglicher Atmosphäre aufwachsend, ganz einfach und selbstverständlich seine Möglichkeiten auslotet, so leicht wächst es auch in seine Potenziale hinein.

      Doch nicht nur beim Kinde ist dem so. Fürsorge bietet dem Menschen in jeder Lebensphase den Rahmen an emotionaler Geborgenheit, den er braucht, um zu seinem vollen Potenzial heranzureifen. Der Mensch, der sich geborgen fühlt in einem inneren Zuhause, kann sozusagen ›hinausgehen und seine Welt erobern‹. Derjenige, dem es an Fürsorge mangelt von sich selbst für sich selbst wie auch von seinesgleichen, ist wie ein Baum, dem die Bewurzelung fehlt, die er braucht, um seine Krone ausstrecken zu können. Wer jedoch Fürsorge kennt und erfahren hat, der wird sein Leben lang Sicherheit nur dort suchen, wo sie auch zu finden ist, in der Liebe.

      Wie wir in Band II Um Gottes willen und um deinetwegen gesehen haben, suchen Menschen Sicherheit in den absurdesten Dingen. Am augenfälligsten ist wohl die Suche nach Halt und Sicherheit im Geld. Wer die Liebe wirklich kennt, wird diesen eklatanten und tragischen Denkfehler niemals machen und Geld mit Liebe verwechseln: Nur Liebe ist Liebe!

      Wie wir wissen, bedeutet Liebe auch Loslassen. So kann wahre Fürsorge sich rühmen, den Menschen niemals zu überfordern, weder den Gebenden noch den Nehmenden.

      Liebe lebt im ständigen Spannungsfeld zwischen Kommen und Gehen, Nehmen und Geben, Kümmern und Sichselbst-Überlassen. Wie der liebevolle Gärtner, der seinen Garten hegt und pflegt, ihn ansonsten sich selbst überlässt und sich am Wachsen und Werden erfreut, so umgibt die sanftmütige Fürsorge den geliebten Menschen wie mit einem weichen Mantel. Dem Menschen, der Fürsorge kennt, ist immer warm ums Herz.

      Fürsorge macht den Menschen unabhängig, denn sie lehrt den sorgsamen Umgang mit sich selbst und das Vertrauen in die eigene Kraft.

      Das A und O der Fürsorge ist nicht etwa eine Frage der Quantität – in der Liebe kann es niemals ein Zuviel geben –, sondern vielmehr eine Frage der Qualität. Wenn ›Fürsorge‹ Abhängigkeit, Enge und Furchtsamkeit hervorruft, dann ist sie keine. Da wahre und weise Fürsorge der Liebe entspringt, besudelt und belastet sie das Objekt ihres Strebens niemals mit Angst und Sorge, sondern stärkt vielmehr das Urvertrauen in das Leben schlechthin und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

      Wenn die Welt allgemein von ›Überbehütung‹ spricht, dann ist in der Tat genau das Gegenteil der Fall. Wo keine Freiheit, keine Selbstverantwortlichkeit und kein Gottvertrauen gelehrt und vermittelt werden, da ist grobe Vernachlässigung am Werk. Der Liebe ist nie zu viel getan. Wo dies so scheint, ist die Liebe nicht verstanden und mit Egoismus, Dominanz und Kontrollbedürfnis verwechselt worden. Mit alledem hat Liebe nicht das Geringste zu tun, denn solche irrigen Konzepte entstammen samt und sonders der Angst und dem Glauben an Schwäche, Schuld und Mangel. Fürsorge will niemals dominieren, sie will das Glück des anderen, das nur im Respekt seiner Freiheit entstehen kann.

      »Beständige Aufmerksamkeit ist

      das Ärmelhochkrempeln der Liebe.«

      Regulus

      Schutz

      Mein lieber Freund, meine liebe Freundin, jeder Mensch kennt den starken Impuls, das zu beschützen und zu bewahren, was er liebt. Der sogenannte ›Beschützerinstinkt‹ ist dem Drang nach Fürsorglichkeit sehr nahe.

      Liebe ist in ein Höchstmaβ gesteigertes Wohlwollen und will immer das Optimum für den Geliebten. Wie wir wissen, definiert sich die Liebe durch den absoluten Respekt des Soseins des anderen. Mit anderen Worten: Liebe nimmt den anderen nicht nur so, wie er ist, Liebe will ihn auch so. Da Liebe, wie gesagt, das Optimum für den anderen will, sucht sie immer, ihn vor Schaden zu bewahren.

      Dieser ›Instinkt‹, dieser Wesenszug ist in der ganzen Schöpfung zu beobachten und ebenso kreatürlich und menschlich wie göttlich. Obwohl dieses Attribut, wie auch das der Fürsorge, vor allem der Mütterlichkeit zugeordnet wird, ist es doch ebenso sehr ein väterliches. Wie wir es bei der Fürsorge schon gesehen haben, so dient auch die Schutzfunktion sowohl der Lebenserhaltung als auch der Steigerung der Lebensqualität. Wenn wir im direkten Zusammenhang mit der Liebe von Schutz sprechen, dann kann Schutz nur definiert werden als der heftige und unwiderstehliche Drang, den anderen vor Verletzung zu bewahren.

      Wer liebt, der zollt dem geliebten Wesen ganz selbstverständlich den Respekt seines Gesamtwesens in all seinen Facetten und damit auch seines freien Willens. Ebendiese Willensfreiheit impliziert, dass jeder Mensch die Möglichkeit wie auch die Freiheit besitzt, sich selbst in qualvolle Situationen zu bringen. Es gehört wohl mit zum Schwierigsten und Schmerzlichsten menschlicher Erfahrungsrealität, ›mit ansehen zu müssen‹, wenn ein von Herzen geliebter Mensch in misslicher Lage leidet. Da Verletzung und Not letztlich immer selbst verursacht sind – wir erinnern uns an Band I Des Menschen Wunsch und Gottes Wille –, kann Schutz immer nur Schutz vor Selbstverletzung bedeuten. Die Ermahnung zur Selbstliebe ist die höchste, weiseste und wirkungsvollste Form von Schutz, die Du einem anderen angedeihen lassen kannst.

      Wie könntest Du einen anderen besser beschützen, als ihn stark zu machen im Glauben an sich selbst?

      Die Ermahnung zur Selbstliebe ist das kompromissloseste, eindeutigste und umfassendste ›Ja‹, das ein Mensch einem anderen jemals anbieten kann. Schutz ist niemals partiell, also nie ausschließend. Der Aufruf zur Selbstliebe ist Liebe in ihrer höchsten und schönsten Ausprägung, denn er ist Angebot von Unabhängigkeit und Freiheit.

      Wer beschützen will, fördert die Autonomie des anderen wie auch die eigene, denn Dein Selbstschutz ist der beste Schutz für all jene, die Du liebst. Wo keine Abhängigkeiten sind, sind auch keine Zwänge, keine Überforderung und keine Ausbeutung. Es kann gar nicht deutlich genug gesagt werden, wie sehr der Glaube an die Kraft des anderen und das Vertrauen in seine Stärke ungeahnte Kräfte und ungenutzte oder unerkannte Potenziale in ihm zum Vorschein bringen und mobilisieren kann. Nichts spornt einen Menschen mehr zu Höchstleistungen an als das Vertrauen, das ein anderer in ihn setzt. Der Mensch, an den geglaubt wird, kann an sich selbst glauben. Das ist aktiver Schutz und die Weisheit der Liebe weiß, an welchem Punkt sie handelnd eingreifen muss und wann nicht.

      Wenn man beschützen will, muss man die Grenzen kennen, die eigenen wie auch die des anderen.

      Liebe wertet nicht, Liebe liebt. Sie erkennt die Grenzen ebenso freudig an und heißt sie so herzlich willkommen wie die Potenziale und Fähigkeiten. In der Liebe verschwimmen die Grenzen zwischen den Grenzen und den Potenzialen und verwachsen ganz einfach miteinander zu der geliebten Gesamtpersönlichkeit. Der Mensch wird in seiner ganzen Individualität geliebt, in der alle Charakterzüge in des Menschen ganz persönlicher Eigenart harmonisch miteinander verschmelzen.

      Und damit wären wir am Ende unserer Ausführungen zum Thema Schutz, denn hier, bei der bedingungslosen Liebe, schließt sich der Kreis. Die Liebe ist das Beste, das man einem Menschen und jeder Kreatur antun kann. Punktum. Die Liebe als solche bietet dem Geliebten völlig selbstverständlich Schutz, und zwar ganz und gar aus sich selbst heraus, durch ihr reines Sein. Der Mensch, der geliebt wird, lebt wie in einer Wolke aus Licht. Die Wirkungen dieser Liebe sind schier unbeschreiblich, sie wirkt ähnlich wie ein Blitzableiter und fügt die Dinge auf wundersame Weise. Wo Liebe ist, da geschehen immer Wunder. Wer die Liebe liebt und echte Begeisterung für sie aufbringt, dem erschließen sich diese Wunder auf ganz einfache Weise. Für die Liebe ist ein Wunder eine ganz natürliche Sache, ist sie doch selbst ein Wunder. Liebe, die Schöpferkraft schlechthin, ist sowohl die natürlichste als auch die wunderbarste Sache der Welt, im wahrsten Sinne der Worte. So Du dies wirklich verstehst, tun sich Dir neue Welten auf. Gott schütze Dich.

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