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Maß für Weisheit (2003, S. 255). Reife Abwehrmechanismen wie Humor, Sublimierung und Altruismus tendieren dazu, einem selbst und anderen Wohlbefinden zu bringen, während weniger reife Abwehr wie Projektionen, Hypochondrie und passiv-aggressives Verhalten eher Kummer und Leiden verursachen.

      Von den wichtigeren Theoretikern der Psychologie hat Abraham Maslow wahrscheinlich am meisten zu unserem Verständnis von Weisheit beigetragen, obwohl auch er den Begriff nicht sehr ausführlich besprochen hat. Die „selbst-aktualisierenden“ Individuen, die er untersuchte, um seine Hierarchie der Bedürfnisse zu entwickeln, nehmen Realität und Fakten an, statt die Wahrheit zu verleugnen, sie sind spontan, fokussieren auf Probleme außerhalb ihrer selbst, können ihre menschliche Natur mit all ihren Mängeln annehmen, neigen dazu, andere zu akzeptieren, wie sie sind, und sind ohne Vorurteile (Maslow & Lowry, 1973). Wie wir sehen werden, werden diese Eigenschaften und Züge weithin als wichtige Komponenten von Weisheit anerkannt.

      Trotz der historischen Vernachlässigung durch die westliche Psychologie hat in jüngerer Zeit ein wachsendes theoretisches Interesse an den Bedingungen der Möglichkeit lebenslanger Entwicklung und in der Folge an positiver Psychologie (das Studium von Glück) eine kleine, engagierte Gruppe Theoretiker und Forscher dazu angeregt, Weisheit gezielt zu untersuchen (Hall, 2007; Sternberg, 1990a; Sternberg & Jordan, 2005).

      Empirische Forschung

      Die empirische Forschung auf diesem Gebiet begann mit einer Dissertation von Vivian Clayton im Jahre 1976. Sie hatte sich vorgenommen zu untersuchen, was Weisheit sein könnte und ob es einen Einfluss von Alter auf Weisheit gäbe (Hall, 2007). Um Weisheit zu definieren, studierte sie alte westliche Texte, und kam zu dem Ergebnis, dass Weisheit allgemein darin besteht, dass Wissen erworben, auf menschliche soziale Situationen angewendet und reflektiert wird und dass Urteilskraft dazu kommt, um Entscheidungen zu treffen, die von Mitgefühl beeinflusst sind. Sie versuchte dann, mithilfe schon existierender psychologischer Tests Weisheit zu messen, und gelangte zu der Schlussfolgerung, dass Weisheit, anders als viele andere kognitiven Fähigkeiten, der Erosion durch Zeit widersteht und mit dem Alter sogar zunehmen kann (Hall, 2007).

      In den frühen 1980er Jahren begründete Paul Baltes, ein Pionier der Psychologie lebenslanger Entwicklung (lifespan developmental psychology), das Berliner Weisheitsprojekt, das zu dem umfangreichsten Programm zur Untersuchung von Weisheit im Laboratorium wurde, das es bis heute gibt. Er und seine Kollegen definierten Weisheit als „hoch geschätzte und herausragende Expertise im Umgang mit fundamentalen … Problemen, die mit dem Sinn des Lebens und mit Lebensführung zu tun haben“ (Kunzmann & Baltes, 2005, S. 117). Sie untersuchten Weisheit, indem sie Probanden mit offenen, hypothetischen Situation konfrontierten und sie aufforderten, „laut darüber nachzudenken“, wie sie reagieren könnten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass diejenigen, deren Antworten im Vergleich mit anderen Aspekte von Weisheit zeigten – wie reiches Faktenwissen und prozedurales Wissen, inneren Abstand, Toleranz und Akzeptanz von Unsicherheit –, tendenziell weniger „selbstbezogen“ waren und weniger Interesse daran hatten, selbst ein angenehmes und komfortables Leben zu führen. Diesen „weisen“ Menschen ging es mehr um persönliches Wachstum und Einsicht und um Werte, die andere Menschen berücksichtigen, zum Beispiel um „Umweltschutz, gesellschaftliches Engagement und das Wohlbefinden von Freunden“ (Kunzmann & Baltes, 2005, S. 126). Weise Menschen ziehen auch beim Management von Konflikten kooperative Ansätze anderen Ansätzen vor, die entweder Ausdruck einer einseitigen Sorge um die eigenen Interessen (Dominanz) oder um die Interessen anderer (Unterwerfung) sind oder ganz ohne innere Beteiligung verfolgt werden (Kunzmann & Baltes, 2005, S. 126). Die Berliner Gruppe kam zu dem Ergebnis, dass Weisheit selten ist und nicht notwendigerweise mit dem Alter zunimmt (Ergebnisse, die von vielen Forschern wiederholt bestätigt wurden; zum Beispiel von Baltes & Staudinger, 2000; Jordan, 2005; Staudinger, 1999), obwohl Training und Übung bei dem Versuch, sich selbst und andere zu verstehen, nützlich zu sein schienen (Kunzmann & Baltes, 2005). Interessanterweise kamen sie auch zu dem Ergebnis, dass Weisheit ein sozial interaktives Produkt ist (Staudinger & Baltes, 1996), das nicht wirklich in Individuen lokalisiert werden kann, sondern an dem ganze Gemeinschaften gemeinsam Anteil haben.

      Das Berliner Weisheitsprojekt hat zwar sehr viele empirische Forschungsergebnisse über Weisheit hervorgebracht, aber es gibt auch Kritik. Die am häufigsten zitierten Bedenken sind, dass (1) untersucht und gemessen wird, wie Menschen denken und nicht wie sie handeln und (2) dass Emotionen vernachlässigt werden. Im Jahr 1997 begann die Soziologin Monika Ardelt ältere Bürger auszuwählen, um mit ihrer Hilfe einen „dreidimensionalen“ Weisheitstest zu entwickeln, mit dem der kognitive, der affektive und der emotionale Aspekt von Weisheit gemessen werden sollten. In ihrem Rahmen gehört zu dem emotionalen Aspekt das Empfinden von Mitgefühl gegenüber anderen und die Fähigkeit, konstruktiv mit Unglück und Widrigkeiten umzugehen. Ardelt argumentiert, dass Mitgefühl erkennbar werden lässt, was einen weisen Menschen eigentlich ausmacht – eben nicht nur jemanden, der bestimmte intellektuelle Fähigkeiten vorweisen kann. Sie zitiert den Philosophen Jon Kekes und bemerkt, dass „ein Narr lernen kann, die Dinge zu sagen, die ein weiser Mann sagt, und sie bei denselben Gelegenheiten zu sagen“ (Ardelt, 2004, S. 262), aber dies sei nicht wirklich Weisheit. Um ihren Ansatz zu stützen, weist sie darauf hin, dass Jesus, der Buddha, Mohammed, Gandhi, christliche Heilige und Zenmeister alle eine tiefere Wahrheit wahrnehmen, die anderen entgeht. Sie seien in der Lage, ihre Subjektivität und ihre Projektionen zu transzendieren und Ereignisse objektiv aus mehreren Perspektiven zu betrachten und Mitgefühl mit anderen zu empfinden (Ardelt, 2004, S. 279).

      Auch Robert Sternberg hat sehr viel zum empirischen Studium von Weisheit beitragen (siehe Kapitel 11). Nach seinem Model arbeitet ein weiser Mensch auf ein gemeinsames Gutes hin, und zwar „durch Ausgewogenheit von a) intrapersonellen, b) interpersonellen und c) extrapersonellen Interessen, um ein Gleichgewicht von a) Anpassung an die existierende Umwelt, b) Gestalten der existierenden Umwelt und c) einer Auswahl neuer Umwelten herzustellen, und zwar auf lange Sicht wie auf kurze Sicht“ (Sternberg & Lubart, 2001, S. 507; Kapitel 11). Narrheit ist das, was sich ausbreitet, wenn wir aus dem Gleichgewicht sind – wenn wir uns nur auf ein paar unserer Fähigkeiten verlassen, wenn wir nur einige Interessen berücksichtigen oder unseren Blick ausschließlich auf entweder kurzfristige oder auf langfristige Folgen richten (Sternberg, 2005a; Kapitel 11).

      Streben nach Konsens

      Wie können wir diese Perspektiven sichten, um zu einem für Psychotherapeuten Verständnis von Weisheit zu gelangen? Eine Reihe von Autoren hat versucht, in historischen Berichten und modernen Modellen gemeinsame Themen zu erkennen. Die Neurobiologen Thomas Meeks und Dilip Jeste (2009; Kapitel 14) haben sechs Hauptkomponenten von Weisheit identifiziert: (1) prosoziale innere Haltung und prosoziales Verhalten, (2) soziale Entscheidungsfindung und pragmatisches Wissen vom Leben, (3) emotionale Homöostase, (4) Reflexion und Selbstverständnis, (5) Wertrelativismus und Toleranz und (6) Anerkennen von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit und effektives Umgehen damit. Judith Glück vom Berliner Weisheitsprojekt (2008) und Susan Bluck haben vorliegende Definitionen ausgewertet und vier Bestandteile von Weisheit identifiziert: Meisterschaft, Offenheit für Erfahrung, eine innere Haltung des Interesses an Reflexion und Fähigkeit zu geschickter emotionaler Regulierung. Obwohl es immer noch keinen Konsens über eine Definition gibt, bekam diese Definition auf der Grundlage dieser Begriffe bei einem Treffen von Philosophen und Psychologen im Jahr 2010, die dieses Thema erforschen, eine gewisse Beachtung und Anerkennung als eine Möglichkeit, verschiedene Sichtweisen zu umfassen (Tiberius, 2010).

      Neurobiologie

      Vor dem Hintergrund der Schwierigkeit, Weisheit auch nur zu definieren, ist nicht überraschend, dass unser Verständnis ihrer Neurobiologie immer noch begrenzt ist. Meeks und Jeste (2009) haben zu beschreiben versucht, was möglicherweise in verschiedenen Hirnregionen geschieht, wenn Bestandteile von Weisheit aktiv sind. Aber sie machen auch darauf aufmerksam, dass die Landkarte spekulativ ist, weil es keinen Konsens über eine Definition von Weisheit gibt und die Forschung mit bildgebenden Verfahren sich bisher nicht eingehend mit den neurobiologischen Grundlagen von Weisheit beschäftigt hat. Trotz dieser und anderer Einschränkungen kann man eine klare Vorstellung von der Dynamik von Weisheit bekommen, wenn man untersucht, welche Aktivitäten des Gehirns mit jeder ihrer Bestandteile verbunden sind (siehe Kapitel 14).

      Therapeutische

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