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ganz einfach, weil alle um ihn herum meinten, er würde im Sterben liegen. Sein Arzt in St. Louis dachte, er würde sterben, und Dr. Meador in Nashville dachte ebenfalls, er würde sterben. Auch seine Frau und seine Familie dachten das. Und was am wichtigsten war: Londe selbst meinte, er werde sterben.

      Starb Sam Londe womöglich aufgrund von bloßen Gedanken? Können Gedanken wirklich so mächtig sein? Und wenn ja, ist das ein Einzelfall?

      Gibt es eine Placebo-Überdosis?

      Der 26 Jahre alte Doktorand Fred Mason litt nach der Trennung von seiner Freundin unter Depressionen.2 Als er eine Anzeige sah, in der für eine klinische Studie Probanden für ein neues Antidepressivum gesucht wurden, beschloss er, daran teilzunehmen. Vier Jahre zuvor hatte ihm sein Arzt das Antidepressivum Amitriptylin (Elavil) verschrieben, als er einen depressiven Anfall hatte, aber Mason musste das Medikament absetzen, weil er davon extrem schläfrig und benommen wurde. Es war für ihn wohl zu stark gewesen, und das neue Medikament würde, wie er hoffte, weniger Nebenwirkungen haben.

      Er nahm seit etwa einem Monat an der Studie teil, als er seine Exfreundin anrief. Die beiden stritten sich am Telefon, und als Mason den Hörer auflegte, griff er aus einem Impuls heraus nach seiner Flasche mit den Versuchspillen und schluckte die 29 restlichen Tabletten, um Suizid zu begehen. Doch das bereute er auf der Stelle. Er rannte in die Eingangshalle seines Apartmenthauses, rief verzweifelt um Hilfe und brach zusammen. Eine Nachbarin hörte ihn schreien und fand ihn auf dem Boden.

      Er erzählte der Nachbarin, er habe einen schrecklichen Fehler gemacht und alle seine Pillen geschluckt, wolle aber eigentlich gar nicht sterben. Er bat sie darum, ihn ins Krankenhaus zu bringen, was sie auch tat.

      Als Mason in der Notaufnahme ankam, war er ganz blass und schwitzte; sein Blutdruck war auf 80/40 heruntergegangen, der Puls betrug 140. Er atmete ganz schnell und sagte immer wieder: »Ich will nicht sterben.«

      Bei der Untersuchung konnten die Ärzte außer dem niedrigen Blutdruck, dem schnellen Puls und der schnellen Atmung nichts weiter feststellen. Doch Mason wirkte lethargisch und lallte. Also wurde er an einen Infusionsapparat angeschlossen, es wurden Blut- und Urinproben genommen, und man fragte ihn, was er denn eingenommen habe. Doch Mason konnte sich nicht an den Namen des Medikaments erinnern. Er teilte den Ärzten mit, es handele sich um ein Versuchsmedikament gegen Depressionen im Rahmen einer klinischen Studie. Dann übergab er ihnen die leere Flasche, auf deren Etikett auch tatsächlich die entsprechenden Informationen über die Versuchsreihe standen, allerdings nicht der Name des Medikaments. Man konnte jetzt nur die Laborergebnisse abwarten, seine Vitalparameter überwachen, um sicherzustellen, dass sich sein Zustand nicht verschlechterte, und darauf hoffen, dass das Krankenhauspersonal Kontakt mit den Forschern aufnehmen konnte, die die klinische Studie durchführten.

      Vier Stunden später, nachdem auch die Labortests vorlagen, die nichts Ungewöhnliches ergeben hatten, war einer der Ärzte zur Stelle, der an der Studie mitarbeitete. Er überprüfte den Code auf dem Etikett von Masons leerer Pillenflasche und warf einen Blick in die Versuchsunterlagen. Wie er daraufhin mitteilte, hatte Mason ein Placebo eingenommen; die Pillen, die er geschluckt hatte, enthielten keinerlei medizinische Wirkstoffe. Und wie durch ein Wunder kehrten Masons Blutdruck und Puls innerhalb weniger Minuten auf die Normalwerte zurück. Auch die Benommenheit verschwand wie durch Zauberhand. Mason war ein Opfer des Nocebo-Effekts geworden: der aufgrund hoher Erwartungen schädlichen Wirkungen einer an sich harmlosen Substanz.

      Zeigten sich bei Mason die Symptome womöglich nur, weil er sie erwartet hatte? Haben vielleicht, ähnlich wie bei Sam Londe, Masons Erwartungen eines bestimmten Zukunftsszenarios so sehr die Kontrolle über seinen Körper übernommen, dass er das Szenario zur Realität machte? Konnte sein Denken dabei sogar Funktionen steuern, die normalerweise nicht der Kontrolle des Bewusstseins unterliegen? Und wenn es möglich wäre, dass uns unsere Gedanken krank machen, können wir sie dann womöglich auch dazu nutzen, uns gesund zu machen?

      Chronische Depression verschwindet wie von Zauberhand

      Janis Schonfeld, eine 46-jährige Innenarchitektin aus Kalifornien, litt schon seit ihren Teenager-Jahren unter Depressionen, hatte aber nie Hilfe gesucht, bis sie 1997 eine Anzeige in einer Zeitung las. Das Institut für Neuropsychiatrie der UCLA (University of California in Los Angeles) suchte nach Freiwilligen für eine klinische Studie zum Testen eines neuen Antidepressivums namens Venlafaxin (Effexor). Schonfeld, Ehefrau und Mutter, hatte wegen ihrer schlimmen Depressionen sogar schon an Selbstmord gedacht und ergriff diese Chance beim Schopf.

      Bei ihrem ersten Besuch im Institut wurde Schonfeld von einem Techniker an einen Elektroenzephalografen (EEG) angeschlossen, um circa 45 Minuten lang ihre Gehirnwellenaktivitäten zu überwachen und aufzuzeichnen. Kurz darauf verließ Schonfeld das Institut mit einem Fläschchen voller Pillen aus der Krankenhausapotheke. Wie sie wusste, sollte etwa die Hälfte der Versuchsgruppe, bestehend aus 51 Probanden, das Medikament erhalten und die andere Hälfte ein Placebo. Weder sie noch die für die Studie zuständigen Ärzte wussten, welcher der beiden Gruppen sie zugeordnet worden war; das würde erst nach Abschluss der Studie bekannt gegeben werden. Doch Schonfeld war zu diesem Zeitpunkt vor allem aufgeregt und hoffte auf Unterstützung in ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die Depressionen, die sie manchmal plötzlich und scheinbar grundlos in Tränen ausbrechen ließen.

      Schonfeld erklärte sich bereit, während der acht Wochen andauernden Studie einmal wöchentlich ins Institut zu kommen, Fragen über ihr Befinden zu beantworten und sich ein paarmal erneut an das EEG anschließen zu lassen. Schon kurz nachdem sie mit der Einnahme der Pillen begonnen hatte, fühlte Schonfeld das erste Mal in ihrem Leben dramatische Verbesserungen ihres Befindens. Ihr war zwar auch übel, aber das war gut so, denn wie sie wusste, war Übelkeit eine der üblichen Nebenwirkungen des Testmedikaments. Sie dachte, angesichts der Besserung ihrer Depressionen und der Nebenwirkungen habe sie ganz bestimmt die wirksame Droge erhalten. Sogar die Krankenschwester, mit der sie bei ihren wöchentlichen Besuchen sprach, war wegen der Veränderungen überzeugt, Schonfeld nehme das echte Medikament ein.

      Doch nach Abschluss der achtwöchigen Studie rückte einer der Forscher mit der schockierenden Wahrheit heraus: Schonfeld, die nicht mehr suizidgefährdet war und sich nach Einnahme der Pillen wie ein neuer Mensch fühlte, war in der Placebo-Gruppe gewesen. Schonfeld war platt. Der Arzt musste sich ganz bestimmt getäuscht haben. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie dem jahrelangen Würgegriff der Depressionen durch die Einnahme von Zuckerpillen entkommen war und sich so viel besser fühlte. Und sogar die Nebenwirkungen waren zutage getreten! Es musste einfach eine Verwechslung sein. Sie bat den Arzt, die Unterlagen noch einmal zu überprüfen. Mit einem gutmütigen Lachen versicherte er ihr: In dem Fläschchen, das sie mit nach Hause genommen und das ihr ihr Leben wiedergegeben hatte, waren lediglich Placebo-Pillen gewesen.

      Schockiert saß sie da; der Arzt versichert ihr: Auch wenn sie kein wirksames Medikament eingenommen hatte, bedeutete das keineswegs, dass sie sich ihre depressiven Symptome und deren Besserung nur eingebildet habe. Die Besserung ihres Zustands war lediglich nicht auf Effexor zurückzuführen.

      Und sie war nicht die Einzige: Laut den Studienergebnissen fühlten sich 38 Prozent der Placebo-Gruppe besser, verglichen mit 52 Prozent der Gruppe, die tatsächlich Effexor eingenommen hatten. Doch auch den Forschern stand eine Überraschung bevor: Wie die Auswertung der restlichen Daten offenbarte, hatten sich Patienten wie Schonfeld, deren Depression sich durch das Placebo gebessert hatte, dieses Gefühl keineswegs nur eingebildet; ihre Gehirnwellenmuster hatten sich verändert. Die EEG-Aufzeichnungen während der klinischen Studie zeigten eine signifikant erhöhte Aktivität im präfrontalen Kortex, welche bei Patienten mit Depressionen normalerweise sehr niedrig ist.3

      Der Placebo-Effekt hatte also nicht nur Schonfelds Geist verändert, sondern auch echte physische, biologische Veränderungen bewirkt. Anders ausgedrückt, fand die Veränderung nicht nur in ihrem Geist, sondern auch in ihrem Gehirn statt. Sie fühlte sich nicht nur gut – ihr ging es tatsächlich besser. Ohne ein Medikament einzunehmen oder sich anders zu verhalten, hatte Schonfeld nach Abschluss der Studie buchstäblich ein anderes Gehirn. Ihr Geist hatte ihren Körper verändert. Über zwölf Jahre später fühlte sich Schonfeld immer noch viel besser.

      Wie konnte eine Zuckerpille nicht nur die Symptome einer tiefsitzenden

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