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wir, wie auch unsere Jünger des heiligen Benedikt von der allgemeinen Hoffnung auf Aufbruch erfasst wurden. Da war unter mancher Kutte offenbar auch nicht alles erdbebensicher zementiert.

      Im universitären Milieu von Zürich war ich häufig im sogenannten Akademikerhaus zu Gast, das von Jesuiten geleitet wurde. Mich faszinierte deren Scharfsinn und Eloquenz, aber auch deren Unabhängigkeit im Denken, das nicht selten mit den Positionen des Vatikans im Widerstreit stand – mit der schweizerischen Verfassung ohnehin, deren Artikel zum Jesuitenverbot erst 1973 durch eine Volksabstimmung mit erstaunlich mageren 55 % Ja-Stimmen aufgehoben wurde.

      Meine Bewunderung für jesuitisches Argumentieren war schon vorher durch die Lektüre aller Werke von Teilhard de Chardin geweckt worden. Sie eröffnete mir aus seinen Erkenntnissen der Paläontologie, die er in die Schöpfungsgeschichte einordnete, und seinen Zukunftsvorstellungen für eine Menschheit hin zu einem Punkt Omega neue Perspektiven für einen Gottglauben. Die offizielle Kirche jedoch dekretierte ein Publikationsverbot seiner Werke zu Lebzeiten, was mich zu entscheiden zwang, auf welche Seite ich mich schlagen sollte. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Es war ja auch nicht der einzige Fall, der meine freie Meinungsbildung herausforderte.

      Da war beispielsweise Hans Küng, der mit seinem Werk „Christsein“ eine Glaubensvorstellung darlegte, die sich konstruktiv mit der modernen Welt auseinandersetzte. Doch da kam wieder der Aufschrei der konservativen Glaubenshüter, die sich in die Speichen des Vatikanischen Konzils und seinen lauen Frühlingslüften stemmten, um den für sie gefährlichen Lauf zu stoppen. Als ich gegenüber dem Pfarrer meiner Wohngemeinde – immerhin Doktor der Theologie – erwähnte, dass ich mit Vergnügen Küng lese, lehnte er sich wutentbrannt über den Tisch und warf mir an den Kopf: „Sind Sie Theologe? Haben Sie Theologie studiert? Wie denn wollen Sie beurteilen können, was dieser Küng schreibt?“ Eine Zerknirschung meinerseits trat nicht ein. Eher die Lust, die Werke weiterer freier Denker der Theologie zu studieren. Der wenig souveräne Umgang der absolutistischen Gehorsam verlangenden Institution mit ihren Kritikern entfremdete mich immer weiter. Über die Jahre erschütterte mich das Gebaren der offiziellen Kirche zusätzlich, zum Beispiel durch weltfremde Verlautbarungen und durch Ernennung von stockkonservativen Bischöfen. Ein Schlüsselerlebnis war für mich der Hinauswurf eines Klassenkameraden aus dem kirchlichen Amt, der geachteter und beliebter Pfarrer einer großen Pfarrei war, weil er sich in eine Frau verliebt hatte. Um dem Grotesken die Krone aufzusetzen, trat in jenen Tagen sein Bischof zurück, der seinen eigenen „Fall“ zu erledigen hatte, weil er bekennen musste, dass auch er in Liebe zu einer Frau entflammt war, die nun ein Kind von ihm erwartete. So häuften sich die Ärgernisse, auch wenn ich noch lange am üblichen kirchlichen Leben teilgenommen habe, doch meine Gemeinsamkeiten mit der mir angetauften Religionsgemeinschaft bröckelten und so kam eines Tages immer drängender die Frage: Was tun? Letztlich geht es ja dabei auch um Sinn oder Sinnlosigkeit meines eigenen Lebens.

      Man kann in einer solch misslichen Situation aus drei Verhaltensmustern wählen:

       Achselzucken, um anzudeuten, dass einem die Religion, vor allem aber die eigene Kirche, egal ist. Ich kenne es von Kollegen: „Mich geht das nichts mehr an. Mit dieser Kirche will ich nichts mehr zu tun haben.“ Unausgesprochen, aber im Tonfall herauszuhören, ist manchmal die Meinung, die eigene Intelligenz verbiete einem, die dummen Eskapaden der Kirchenobrigkeit für voll zu nehmen. Oder dann bekennt man sich geradeheraus als Atheisten. Und überhaupt: „Es geht mir doch gut! Ich brauche Religion nicht.“

       Kapitulation im Sinne einer demütig hinknienden Akzeptanz der vorgegebenen Glaubensinhalte. Für einige ist „Akzeptanz“ auch Vertrauen, dass die kirchliche Lehre Gottes Wort ist, in das man sich ohne zu hinterfragen hineinbegeben kann. Kann man so sehen. Ist aber ein schwieriger Weg, wenn man versucht, ihn an der Vernunft festzuzurren, wenn es im Innern brodelt und Fragen sich immer drängender melden.

       Suche nach einem vor der Vernunft verantwortbaren Glauben. Man könnte das – wie erwähnt – auch als Generalrevision des Glaubens bezeichnen. Kein leichter Weg, denn er bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit den Glaubens-Inhalten, nicht nur einer einzigen Religion, nicht nur auf ihrem aktuellen Stand, sondern auch mit deren geschichtlichen Herkunft, sowie den Argumenten von Befürwortern und Gegnern bestimmter Glaubenssätze und Glaubensrichtungen. Vernunft hat auch mit der Kenntnisnahme unserer Welt zu tun, so wie sie sich präsentiert und wie sie von den Naturwissenschaften erforscht und erkannt wird. Verantwortbarer Glaube kommt nicht um die Erkenntnisse der Naturwissenschaften herum und hat sich auch deren erfolgreicher Denkkultur zu stellen.

      Ich habe den dritten Weg gewählt und ich fand ihn je länger, desto faszinierender und bereichernder, aber er wurde auch zu einer „never ending story“, die immer wieder neue Aspekte aufzeigt. Das wird mit Sicherheit so bleiben.

      Sicherheit, ja schön wäre es. Wie ist es denn mit meiner begrenzten Erkenntnisfähigkeit, die mir nicht erlaubt, meine Ansichten absolut zu setzen? Die ganze Schöpfung, das ganze Universum ist derart immens, dass menschliche Erkenntnis es nie ganz zu erfassen vermag. Unser Wissen ist Näherungswissen, Approximation. Das erfordert eben auch die Bereitschaft, ständig dazuzulernen und einmal Geglaubtes ins Provisorium zu versetzen.

      Was ich in Bezug auf mich selber erwähnt habe, trifft – wenn man sich etwas mit der Geschichte der Menschheit befasst – natürlich nicht weniger auf die gesamte Menschheit zu. Auch ihr Schatz an Erkenntnis wurde immer wieder durch Neues herausgefordert, erweitert und relativiert. Der Weg von der Ansicht, die Erde stehe im Zentrum des Universums, bis zur Erkenntnis, dass wir einen durch nichts ausgezeichneten Randplatz in unserer Milchstraße bevölkern, die ihrerseits wieder nur eine gewöhnliche Galaxie unter Abermillionen anderer Sternansammlungen ist, steht exemplarisch für diese Erkenntnisentwicklung.

      Es könnten auch Einstein und seine Physikerkollegen erwähnt werden, die die bisherige Physik in vielen Teilen weit über unser Begriffsvermögen hinaus revolutionierten. Einstein selbst hatte seinerseits wieder größte Mühe, mit den verstörenden Aussagen der Quantenphysik klarzukommen. Was einmal als festgefügtes Wissen über das, was die Welt ausmacht, galt, wurde immer wieder ins Provisorium versetzt, und schließlich abgelöst, sei es als Randphänomen eines größeren Ganzen (wie die Mechanik von Newton) oder als total falscher Ansatz deklariert.

      Das betrifft nicht nur die Physik, sondern die Naturwissenschaften ganz allgemein. Wenn ich mich mit meiner persönlichen Erkenntnisfähigkeit zusätzlich in das gesamte heutige Wissen der Menschheit hineinstelle, dann muss ich wiederum bescheiden bekennen, dass ich nur einen geringen Teil davon verstehe, was mich zwar zusätzlich in meinem geistigen Auslauf beschränkt, aber dennoch nicht hindern soll, diese Anstrengung auf mich zu nehmen.

      Die Beschränktheit meiner persönlichen Erkenntnisfähigkeit hat ursächlich damit zu tun, dass ich ein Kind der Evolution bin, die über unsere aktuelle Menschheit hinaus immer weiter schreitet. Der frühe Mensch war in seiner Erkenntnisfähigkeit noch eingeschränkter als wir Menschen der heutigen Zeit. Diesbezüglich sind wir im Vorteil. Wenn der Pfeil der Evolution aber wie bisher weitergeht – zwar für unser Empfinden unendlich langsam, Jahrmillionen um Jahrmillionen hinschleichend – dann kann mit gutem Grund angenommen werden, dass künftige „homines sapientes“ noch intelligenter sein werden als wir heutigen Wesen. Sie werden heutigen Glauben oder Vermutungen, oder wie man das auch nennen mag, durch Wissen ersetzen und anderen Rätseln nachforschen. Anders ausgedrückt: Im Verlaufe der Zeit wird das Wissen aufgrund größerer Erkenntnisfähigkeit zunehmen und Glauben da und dort ersetzen. Deshalb ist es wohl nicht falsch, den uns heute vorgegebenen Glauben der Religionen mit etwas Vorsicht zu betrachten.

      Der Arzt, Journalist und Schriftsteller Hoimar von Dithfurt sagte es so: „Es ist eine Illusion, wenn wir immer stillschweigend davon ausgehen, als sei mit uns der Gipfel des Möglichen erreicht und das Ende der Evolution gekommen. Die Gegenwart ist nichts anderes als ein durch den zufälligen Zeitpunkt unserer Existenz willkürlich herausgegriffener Moment der Entwicklung, die über uns hinaus weiter fortschreiten wird.“

      Auf meiner Suche haben mich seit langem die Aussagen von Naturwissenschaftler, vor allem bekannter Physiker, fasziniert, die Überlegungen im Grenzbereich Naturwissenschaft und Religion anstellen. Das rührt auch davon her, dass mich verschiedenste Gebiete der Naturwissenschaft seit je in ihren Bann

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