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Tausend und eine Nacht. Max Geißler
Читать онлайн.Название Tausend und eine Nacht
Год выпуска 0
isbn 9783962818647
Автор произведения Max Geißler
Серия Märchen bei Null Papier
Издательство Bookwire
Am dritten Tage geschah es wie zuvor. Da sprach Sindbad zu seinen Genossen: »Es sind viele sehr schöne hohe Bäume an diesem Strande. Wir wollen uns heimlich Flöße davon bauen und morgen von diesem Strande fliehen; denn hier wartet der Tod sicherer auf uns als draußen auf der hohen See.«
Sie machten sich alsbald an die Arbeit und waren gerade fertig damit, als die unsichtbare Gewalt sie wieder in den Hof des Riesen trieb – alle mussten ihr folgen, wie die Nägel einem Magnet. Der Riese wählte sich abermals einen zum Mahle aus und legte sich danach schlafen. Als sie ihn draußen schnarchen hörten, sagte Sindbad: »Es ist zwar verboten, einen Menschen zu töten – aber dieser ist ein Mörder. Kommt, glühet die Bratspieße und stoßt sie ihm ins Auge, damit wir frei werden!« Neun unter den Männern hatten Mut zu dieser Tat, sie hielten die Spitzen der umherliegenden Spieße in die Flamme, schlichen sich in das Schlafgemach des Riesen und stießen ihm die glühenden Eisen ins Auge.
Mit einem furchtbaren Gebrüll erhob sich der Wilde und griff mit den Händen um sich, aber es gelang ihm nicht, einen seiner Peiniger zu fassen. Die flohen alle zum Strande, wo die Flöße lagen, und warteten auf das erste Licht, um zu entfliehen. Aber noch ehe sie die schwanken Fahrzeuge auf dem Wasser hatten, nahte auch schon der Riese, geführt von zwei gleichgroßen schrecklichen Gesellen … Da tat die höchste Eile not, und nicht lange, so stießen die Flöße vom Lande und schossen unter kräftigen Ruderschlägen hinaus ins Meer. Aber die Riesen brachen Felsstücke los, schleuderten sie den Fliehenden nach und warfen so geschickt, dass alle Flöße zertrümmert wurden – bis auf eines. Die Schiffsleute auf den anderen mussten ertrinken, und nur die drei jenes am weitesten entfernten Fahrzeugs blieben heil. Unter diesen befand sich Sindbad.
Als die Geretteten nun aufs hohe Meer steuerten, erfasste sie alsbald ein Sturm und warf sie an eine Insel.
Vergeblich suchten sie auch hier nach Menschen; als aber der Abend nahte, kroch eine Schlange, lang und schuppig wie ein Palmbaum, des Weges und verzehrte die Begleiter Sindbads, und auch er wäre dem Ungetüm zum Opfer gefallen, hätte er sich nicht auf eine List besonnen. Rasch trug er zu seinem Verstecke – einer kleinen Felsenhöhle – einen Haufen dürres Reisig, legte es dicht vor den Eingang und schlug Feuer. Die ganze Nacht hindurch ließ er eine Flamme aus dem Reisig emporzüngeln, und im Grauen des Tages sah er ein Schiff vorübersegeln. Er kletterte auf einen Felsen, er schrie, er gab Zeichen aller Art – doch seine Bemühungen waren vergebens. Elenden Todes zu sterben schien sein Los.
Da in der höchsten Not besann er sich auf seine Diamanten, die er noch in dem Lederbeutel am Gürtel trug. Er hielt einen der edlen Steine in das Licht der aufgehenden Sonne – und sieh, und sieh! Wie der strahlende Glanz einer zweiten Sonne flog es übers Meer! Da staunten die Schiffsleute und steuerten dem heißen schönen Lichte nach.
So wurde Sindbad gerettet und kam auch diesmal glücklich heim in seine Vaterstadt Bagdad. Aber die Genüsse und Vergnügungen, denen er sich nach den Strapazen seiner dritten Reise hingab, vermochten ihn nicht lange zu fesseln. Er begab sich alsbald nach Persien und schiffte sich von Neuem ein. In einem Unwetter war der Kapitän gezwungen, die Segel zu streichen, die Masten zu kappen, und nicht lange danach lief das Schiff auf ein Riff und zerschellte. Am Strande befanden sich zum Glücke Quellen und Früchte, und die zu Tode erschöpfte Mannschaft konnte wieder zu neuen Kräften kommen.
Kaum erschien die Sonne des nächsten Tages, so machte sich Sindbad mit fünf seiner Gefährten auf; denn sie hatten von ihrem Felsen aus menschliche Wohnungen gesehen. Als sie sich denen näherten, brach eine Schar schwarzer, wilder Menschen daraus hervor, umringte die Fremden und geleitete sie unter großem Freudengeheul in eine der Hütten. Dort setzten sie ihren weißen Gästen ein sehr wohlschmeckendes Kraut vor, von dem diese in ihrem Hunger aßen. Sindbad aber, der eine List witterte, weil er merkte, dass die Schwarzen die Speise verschmähten, kostete nur ein wenig davon, und bald wurde er gewahr, dass der Genuss des Krautes seinen Genossen den Verstand vollständig verwirrte. Sie gebärdeten sich wie trunken und aßen nun große Mengen Reis, der mit Kokosöl zubereitet war, und den die Wilden nur reichten, um die Fremden zu mästen.
Sindbad, der als der einzige seinen klaren Verstand behalten hatte, erkannte sein trauriges Schicksal, und die Not seiner Tage machte ihn fast zum Skelett. Darum verschonten ihn auch die Wilden und trösteten sich mit der Hoffnung, dass auch dieser eine in späterer Zeit ihnen noch einen guten Bissen liefern sollte, jetzt aber gaben sie nur wenig auf ihn acht.
Eines Tages hatten die Wilden ihre Hütten verlassen, nur ein paar alte Frauen waren zurückgeblieben, da sah Sindbad die Stunde seiner Flucht gekommen. Er entwischte, und als die Frauen nach ihm riefen, verdoppelte er seine Schritte und lief, bis die Nacht hereinbrach.
Sieben Tage ging er so in einem fort und lebte von Kokosnüssen, die er am Wege fand. Am achten kam er zum Strande des Meeres und bemerkte plötzlich einen Menschen, der Pfefferfrüchte sammelte. Der führte Sindbad zu seinen Genossen, und mit ihnen verließ er wenige Tage darauf die gefährliche Insel.
Am dritten Morgen landete das Schiff an einem fruchtbaren Eilande, auf dem eine sehr schöne Stadt stand. Man führte Sindbad zum Könige, der ihn freundlich empfing und ihn aufforderte, mit ihm um die Insel zu reiten. Da bemerkte der Seefahrer, dass in diesem kleinen Reiche jeder ohne Sattel, ohne Bügel und Zügel zu Pferde saß. »Ei«, sprach er, »das ist ein seltsamer Brauch. Herr König, ich will Euch dafür etwas Besseres zeigen!«
Er stellte also einen Sattel her, polsterte ihn und bezog ihn mit weichem Leder; er flocht einen Zügel und ließ von einem Schmiede ein Paar Steigbügel anfertigen.
Dem Könige, der da von all diesen Dingen nichts wusste, gefiel die neue Art zu reiten sehr wohl. Er belohnte Sindbad reichlich und ernannte ihn sofort zu seinem Staatsminister. Damit Sindbad das Reich des Inselkönigs aber nicht so bald wieder verlasse, schenkte ihm dieser das schönste junge Mädchen zum Weibe.
Nun geschah es bald danach, dass die Frau eines vornehmen Mannes gestorben war; Sindbad ging zu ihm, um ihm einige Worte des Trostes zu sagen, aber der vornehme Mann blieb traurig und sprach: »Was nützt mir dein Trost, mein lieber Minister Sindbad, da ich morgen doch sterben muss?«
»Ei«, entgegnete Sindbad, »du bist ja frisch und gesund. Warum solltest du denn morgen zu