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Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner
Читать онлайн.Название Evangelisches Kirchenrecht in Bayern
Год выпуска 0
isbn 9783532600627
Автор произведения Hans-Peter Hübner
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
6R. Smend, Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz, in: ZevKR, Bd. 1 (1951), S. 4–14 (4).
7BT-Drucksache 12/6000.
8Zuletzt Bundesverfassungsgericht vom 22.10.2014, BVerfGE 137, 273.
§ 7Religionsfreiheit
1.Bedeutung
Die Religionsfreiheit genießt in unserer Rechtsordnung eine besondere Stellung. Dies wird schon dadurch deutlich, dass sie in den Verfassungen (Art. 4 GG – RS 100; Art. 107 BV – RS 105) in den Grundrechtsteil aufgenommen ist, während sie beispielsweise in der Weimarer Reichsverfassung noch an der Spitze des Abschnittes „Religion und Religionsgesellschaften“ stand (Art. 135), also im Zusammenhang mit den Religionsartikeln. Dies wird weiter dadurch deutlich, dass es sich bei ihr um ein Menschenrecht handelt, das nicht nur den deutschen Staatsbürgern, sondern allen Menschen gewährleistet ist, welches ferner – wenigstens formal – ohne Vorbehalt gilt und auch nicht nach Art. 18 GG verwirkt werden kann. Die Religionsfreiheit steht in engem Zusammenhang mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), zu der der Bezug zur Transzendenz und damit auch die Frage nach dem Lebenssinn gehört. Sie gehört damit zu den fundamentalen Normen nicht nur des Religionsverfassungsrechts, sondern unserer Rechtsordnung überhaupt: Durch die Gewährleistung der Religionsfreiheit erkennt der Staat das Bedürfnis des Menschen nach religiöser oder weltanschaulicher Orientierung als grundlegendes menschliches Bedürfnis an. Dadurch ist er auch gehindert, sich gegenüber denjenigen Gemeinschaften, die der Befriedigung dieses Grundbedürfnisses dienen, indifferent oder gar ablehnend zu verhalten.
Ergänzt und in bestimmten Teilbereichen konkretisiert wird Art. 4 durch weitere Vorschriften im GG, nämlich
–Art. 3 Abs. 3 (keine Bevorzugung oder Benachteiligung wegen des Glaubens oder religiöser Anschauungen),
–Art. 33 Abs. 3 (staatsbürgerliche Rechte und Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von religiösem oder weltanschaulichem Bekenntnis),
–Art. 140 i. V. m. Art. 136 WRV (staatsbürgerliche Rechte und Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von religiösem oder weltanschaulichem Bekenntnis; grundsätzlich kein Zwang zur Offenbarung religiöser Überzeugungen; kein Zwang zur Teilnahme an kirchlichen oder religiösen Handlungen); sowie
–Art. 7 Abs. 2 und 3 (Religionsunterricht in der Schule als Ausfluss der Religionsfreiheit).
2.Schutzbereich
a)Im Einzelnen sind durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt:
–die Glaubens- und Gewissensfreiheit, d.h. die Freiheit des Denkens, das sog. forum internum,
–die Bekenntnisfreiheit, d.h. die Freiheit des Redens, die Freiheit, seinen Glauben oder Unglauben zu äußern oder auch zu verschweigen, aber auch die Freiheit, seinem Glauben gemäß zu leben,
–die Religionsausübungsfreiheit, d. h. die Freiheit des Handelns, die Freiheit zur Vornahme aller denkbaren kultischen Handlungen und der Beachtung religiöser Gebräuche,
–die religiöse Vereinigungsfreiheit, d.h. die Freiheit, aus gemeinsamem Glauben sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen, einschließlich der Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr.
Glaubens-, Gewissens-, Bekenntnis-, Religionsausübungs- und religiöse Vereinigungsfreiheit sind nach heutigem Verständnis Ausfluss eines einheitlichen, für die Lebensgestaltung des einzelnen umfassenden Rechts der Religionsfreiheit. Diese verschiedenen Bereiche überlappen sich zum Teil, insbesondere geht die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2) inhaltlich in der Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1) auf.1 Die Einzelaufzählung dieser Bereiche erklärt sich aus historischen Gründen, nämlich einem in früherer Zeit abgestuften und nicht allen in gleicher Weise zustehenden Recht auf Religionsausübung, und vor allem aus der Abwehrhaltung gegenüber Störungen der Religionsausübung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
b)Die Glaubensfreiheit als innerster Kern der Religionsfreiheit schützt das Recht, einen Glauben, eine religiöse Überzeugung zu haben. Dabei ist nicht das Fürwahrhalten jedes beliebigen Meinungsinhaltes geschützt, sondern nur der Glaube, der auf eine – wie immer geartete – Gottesvorstellung gerichtet ist. Wegen der Gleichstellung des weltanschaulichen Bekenntnisses sind aber auch Überzeugungen ohne transzendenten Bezug, der Glaube an weltanschauliche Gedankensysteme geschützt, die auf eine Sinndeutung der Welt im Ganzen abzielen, eine Gottesidee aber gerade nicht kennen. Eine genaue Abgrenzung zwischen religiösem und weltanschaulichem Bekenntnis erübrigt sich wegen dieser Gleichstellung eigentlich. Es wird jedoch, um unüberschaubare Ausuferungen zu vermeiden, auch für Weltanschauungen, die dem Schutz des Art. 4 unterfallen, eine ähnliche Geschlossenheit und Breite gefordert, wie sie den Religionen eigen sind. Der Glaube an Inhalte herkömmlicher oder auch neuer Religionen steht also rechtlich gleich den Überzeugungen etwa anthroposophischer, existenzphilosophischer oder marxistischer Weltanschauungen. Allerdings können nicht allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, bereits den Schutz des Art. 4 rechtfertigen. Es muss sich vielmehr auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion bzw. Religions- oder Weltanschaungsgemeinschaft handeln. Ob dies gegeben ist, obliegt – als Anwendung von Art. 4 als Regelung der staatlichen Rechtsordnung – den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten. Diese haben dabei allerdings keine freie Bestimmungsmacht, sondern müssen „den von der Verfassung gemeinten oder vorausgesetzten, dem Sinn und Zweck der grundrechtlichen Verbürgung entsprechenden Begriff der Religion zugrunde legen“.2
Geschützt sind die Freiheit der Glaubenswahl, die Informationsbemühungen, die Zuwendung zur Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft, als Folge davon auch der Beitritt zu, der Austritt aus oder der Wechsel von Glaubensgemeinschaften. Diese „elementare Freiheit der inneren Überzeugung“3, sei sie religiös, areligiös oder antireligiös, wird durch Art. 4 GG geschützt.
c)Die Bekenntnisfreiheit umschließt nicht nur die Freiheit des kultischen Handelns, der Propaganda, des Werbens für den eigenen Glauben und der Abwerbung von fremdem Glauben, sondern auch die Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Sie gewährt dem Einzelnen „einen vom staatlichen Eingriff freien Rechtsraum, indem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht“. Hierzu gehört insbesondere das Recht, „sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln“.4 Dies ist Folge und Anerkenntnis dessen, dass religiöse Überzeugungen gerade im alltäglichen Geschehen umgesetzt sein wollen, auf Verwirklichung im praktischen Leben zielen.
Hierzu zählen, um nur einige Beispiele herauszugreifen, die religiöse Erziehung der Kinder, das Tragen einer bestimmten Kleidung (Ordenstracht, Kopftuch) und die Beachtung religiöser Feiertage. Feiertagsregelungen, die an „kirchlichen Feiertagen“ den Gottesdienstbesuch während der normalen Arbeitszeit zulassen, gelten wegen Art. 3 Abs. 3 GG in gleicher Weise für christliche wie nichtchristliche Religionen. Dazu gehört auch das Recht, nicht ausgerechnet an einem hohen Feiertag der eigenen Glaubensgemeinschaft zu einer gerichtlichen Verhandlung, als Jude