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Pferde hatten Berber- und spanisches Blut, dem bereits im Mittelalter arabisches durch Importe zugefügt worden war, als Spanien zum großen Arabischen Empire gehörte. Andere „Araber“ wurden auch direkt aus Nordafrika und dem Mittleren Osten nach England importiert. Der „Berber“, oder Barb, erhielt seinen englischen Namen von „Barbary“, womit „Magreb“ – Marokko, Algerien, Tunesien und Lybien – gemeint war. Und diese Araber, die ursprünglich vom Nahen Osten nach Mediterranean kamen, brachten Leichtigkeit, Qualitat und Courage als Merkmale mit, während die europäischen Pferde größer, stärker und Lastenträger waren.

      Die maurische Domination in Spanien, und ihr Einfluss auf Süditalien und Sizilien, resultierten auch darin, dass eine gute Zucht entstand. Und als Spanien Ende des 15. Jahrhunderts sein Territorium zurückgewann, verfügte es auch über Pferde, die überall in Europa gehandelt wurden. Gerrace Markham, ein Historiker, der Anfang des 17. Jahrhunderts dazu schrieb, wurde in der Fachliteratur in etwa wie folgt zitiert: „Ich glaube, reine Araber sind die besten Stallions. Sie wurden wohl alle im Mittelalter nach England importiert. Danach waren Berber und Nordafrikaner gefragt“. Im 17. Jahrhundert verfügte auch der Duke of Newcastle, der ebenfalls Pferde zu Paris und Antwerpen hielt, über Ostimporte, und im Stall von Lord Fairfax standen Marocco Barb- und Eastern Stallions. Aus jener Zeit wurde auch überliefert, dass der, wegen seiner Unberechenbarkeit, willkürlichen Folter- und Todesurteile bekannte „blutdürstige“ King Muley Ismael, zweiter Sultan der Alawiden-Dynasty Marokkos, den größten Marstall des Orients besaß, in dem 12.000 „Rennpferde“ gestanden haben sollen. Und dieser „King“ kaperte europäische Schiffe und versklavte auch andere Europäer, um ihre Herkunftsländer zu erpressen.

      Als 1660 die Monarchie wieder hergestellt war und Charles II. 1663 nach Newmarket zurückkam, ritt er auch selbst Rennen. Und zu denen, die er gewann, gehörte 1675 auch sein erstes (von mehreren) „Newmarket Town Plate“, das er 1664 selbst ins Leben gerufen hatte, und das am zweiten Dienstag im Oktober gelaufen wurde. Sein Favoriten-Hack hieß Old Rowley, und diesen Namen trägt auch die moderne Rowley Meilen Bahn, auf der auch die klassischen 2000 Guineas entschieden werden. Danach kam Queen Anne, die den Sport stark unterstützte, Ascot gründete und zu York 1709 einen Gold Pokal spendete. Und heute ist dieses „Kunstprodukt“, das zweitschnellste Tier auf Erden. Nur der Gepard ist schneller, mit Höchstgeschwindigkeit allerdings nur auf sehr begrenzter Distanz.

      Newmarket gilt auch heute noch als das World-Head-Quarter des Vollbluts. Hier werden mehr als 2.500 Pferde von fast 80 Trainern betreut, denen ein etwa 1.130 Hektar großes, voll erschlossenes Trainingsgelände zur Verfügung steht. Fünfzig Meilen Grasgalopp und 17 Meilen mit künstlichem Bodenbelag gehören dazu. Etwa 60 Gestüte und mehrere nationale und internationale Rennsportorganisationen haben ebenfalls ihren Sitz in dieser Pferdestadt, die, trotz aller Modernisierung, ihren alten Charm behielt. Newmarket ist auch gleichzeitig die geschäftigste Bahn im Vereinigten Königreich, mit 37 Meetings zwischen April und November und mehr Black Typ-Racing als anderswo im Land. Und im Sommer kann man abends auch noch Open Air-Konzerten beiwohnen.

      Im Zeitalter der Computer, Düsenjets, Microships und Roboter nimmt die Natur mit ihrer vielfältigen Schönheit und ihren Geschöpfen bei der Freizeitgestaltung einen immer höheren Stellenwert ein. Das Pferd ist dabei längst etablierter Partner und Freund geworden, und das Vollblut spielt in diesem bunten Orchester eine begeisternde Rolle. Seine Härte, Treue, sein nerviges Temperament, der Kampfeswille und sein geschmeidiges Galoppiervermögen lassen jenen nie wieder los, der das Glück hatte, auf seinem Rücken um die Rennbahn oder durchs Gelände galoppieren zu dürfen. Und wenn dann der Tau der Nacht noch auf den Gräsern liegt und der Morgennebel zögernd den ersten, wärmenden Sonnenstrahlen weicht, und man dieses Bündel aus Energie, Harmonie und Schönheit unter sich genießen kann und seinen Drang nach vorwärts spürt, dann ist das ein Gefühl des Glücks, und zugleich auch der Dankbarkeit an dieses herrliche Geschöpf.

       Die Rowley Mile in Newmarket (Foto: Courtesey of the English Jockey Club)

      Auf allen Kontinenten zieht der Vollblüter Millionen in seinen Bann und auf die Rennbahn. Hier muss er sich bewähren, denn der Zielpfosten ist der Prüfstein der Leistung, und diese dient der Auswahl zur Zucht. Hier herrscht aber auch jene prickelnde Atmosphäre, die den „alten Hasen“ mit der vollgekritzelten Rennzeitung – Chancen-Bemerkungen zu Kilos, Bahn- und Distanzspezialisten, Handicapnachlässen, Reitererlaubnissen, Gewichtsaufnahmen, Bodenverhältnissen, starken Endkampfreitern oder Stallform – nach wie vor erregt, und dessen Schritte länger werden, je näher er dem Ort des Geschehens kommt, und die den Neuling vor ungezählte Fragen stellt.

      Wortfetzen wie Nichtstarter, Vorwetten, Dreierkombination, Sattelplatz, Aus- und Zurückwiegen oder Führring sagen ihm so wenig, wie die altehrwürdigen Tribünen, die schon ganze Generationen von Turfcracks erlebten. Auch hochmodernen Konstruktionen aus Beton und Glas, mit Farbfernsehern an gepflegten Tischen, Rolltreppen, Klimaanlagen, Restaurants, Bars, Logen, Sauna, Swimmingpool, Kasinos und allem Wichtigem und Überflüssigem; Buchmachergehilfen mit unverständlichen Armfuchteleien, Elektronentoto, winzig kleinen Sätteln von kaum 150 Gramm, Jockeys in bunten Jacken, Sachkundigen und Sehleuten, Pferdeliebhabern und steifstöckelnden Modepuppen mit reichdekoriertem Kopfschmuck; Bowler-Hut und Schwalbenschwanz, Leuten in karierten Hemden und Jeans, Vierzig-Kilo-Stiften, ausgehungerten, hageren Amateuren und Mädchen im Profisattel wird er begegnen, und auch von Handicaps, Altersgewichtsrennen, Klassiks, Stewards, Hürdlern, Meilern, Fliegern oder Stehern hören.

      Auch, dass ein Pferd „auseinanderfallen“, ins Ziel „getragen“ werden kann, dass es „angefasst“ oder „aufgepullt“ werden muss, und dass es nicht nur einem „Erlaubnisreiter“ die Hand nehmen kann“, wird er hier erfahren. Ganz sicher wird „der Neue“ auch einen jener Pferdeleute treffen, die sich auskennen. Die „ganz Alten“ hat dieser wahrscheinlich auch nicht mehr persönlich gekannt, aber vielleicht saß er sogar in jüngeren Jahren selbst im Rennsattel oder war dem Vollblut anderweitig, beruflich oder aus Hobbygründen, verbunden und somit „mitten drinnen“, und einer jener Zeitzeugen, in deren Erinnerung die zur Geschichte gewordene Zeit noch wach ist. Er wird seinem Zuhörer viel zu erzählen haben, was sich auf den Bahnen zwischen Newmarket, Aintree, Cheltenham, Epsom, San Isidro, Santa Anita, Belmont Park, Toronto, Baden-Baden, Wien, Budapest, Moskau, oder Melbourne, Tokio, Hoppegarten, Karlshorst, Mailand, Rom, Wellington und Bombay, Paris und Johannesburg oder anderswo in den letzten Jahrhunderten zutrug. Oder welche Cracks sich hinter Phar Lap, Flying Childers, Citation, Kincsem, Nereide, Schwarzgold, Secretariat, John Henry, Bold Ruler, Golden Miller, Red Rum, Arkle, The Tetrarch, St. Simon, Man O’War, Nearco oder Northern Dancer, Mumtaz Mahal und Ribot verbergen. Er wird auch von Reitkünstlern wie Fred Acher, Johnny Longden, der durch Verspätung dem Unglück der Titanic entging und mehr als 5.000 Sieger ritt, von „Otto-Otto”, Sir Gordon Richards, Fred Winter, Steve Donoghue, Willie Shoemaker oder dem unvergleichlichen Lester Piggott erzählen, oder auf den Engländer Ryan Moore hinweisen, der als die Nummer Eins im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gilt. Auch die Namen von Sir Anthony McCoy, dem in Kanada geborenem Russel Baze, oder Jorge Ricardo dürften fallen. McCoy gewann 4.348 Rennen über Hindernisse und 20 Championats-Titel in Großbritannien; Russel Baze, der hauptsächlich in Kalifornien in den Sattel stieg, beendete seine Karriere im Juni 2016 mit knapp 58 Jahren nach 12.844 Siegen, 9.600 zweiten und 7.855 dritten Plätzen bei 53.578 Ritten, während der drei Jahre jüngere Jorge Ricardo, in Argentinien reitender Brasilianer, noch aktiv ist, und Ende Juni 2016 bei 12.670 Erfolgen angelangt war. Laffitte Pincay, der lange an der Spitze dieser Liste stand, folgt mit 9.530 Siegen auf Platz drei vor dem verstorbenen Willie Shoemaker, „The Shoe“, der 8.833 Sieger ritt. Die kleine Einschränkung, dass der derzeitige Spitzenreiter nur selten in ganz großen Rennen ritt und wenige auf höchster Ebene gewann, wird niemanden stören, denn jedes Rennen, und ist es noch so klein, muss auch erst gewonnen werden.

      Der kürzeste Weg des englischen Vollblüters – den Namen „Thoroughbred“ prägte erstmals 1761 der englische Tierarzt und Hufschmied William Osmer – war der nach Irland, wo zunächst die „Hobbys“ liefen, eine Reit-Pony Art wie die in Schottland und England vorhandenen Galloweys. Die Iren waren aber schon stets mit dem Pferd verbunden,

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